ernsten Gemüthern als Zeitvertreib und zur Belustigung ge- dient; ja es giebt nicht wenig grosse Gelehrte, die es als Lieblingsbeschäftigung bis zur Leidenschaft gepflegt haben.
Gleich nach seiner Erfindung muss dies Spiel sehr be- liebt gewesen und weit verbreitet worden sein, denn noch bis jetzt hat man die Spuren seiner Erfindung nicht mit völliger Sicherheit auffinden können. Man hat abwechselnd verschiedenen Nationen, wie den Griechen, Persern, Ara- bern die Erfindung zugeschrieben, und erst in neuerer Zeit hat sich mit einiger Genauigkeit feststellen lassen, dass wohl im alten Indien die ersten Spuren des Schachspieles zu suchen seien. Von dort aus hat es sich dann wahr- scheinlich im sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung nach Osten und Westen hin verbreitet, wie einige chinesische und arabische Schriften jener Zeit bestätigen. Denn im Jahre 537 soll es unter der Regierung des Vouti in China Eingang gefunden haben, zu gleicher Zeit unter Justinian nach Persien gekommen und von hier nach Griechenland sowie durch die Saracenen und Mauren nach Italien und Spanien gebracht sein. Die allgemeinere Verbreitung im Occident, namentlich in Deutschland und Frankreich, er- folgte aber wohl erst durch die von ihren heiligen Zügen heimkehrenden Kreuzfahrer. Leider gehören die ersten Schrif- ten über das Spiel selbst einer weit späteren Zeit an; erst im Laufe des sechszehnten Jahrhunderts finden sich in Spanien und Italien die Anfänge theoretischer wie prak- tischer Schachliteratur. Meist sind es einzelne Spiele, theils ganze Partien, theils Anfänge oder Endspiele, welche aufgezeichnet werden; wirklich gediegene Lehrbücher des Spieles trifft man erst in Italien seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Noch jetzt gilt das Buch des italienischen Meisters Ponziani, aus dem Jahre 1782, als ein Meisterwerk klarer und präciser Darstellung; die Auswahl des Stoffes aber sowie die ganze theoretische Auffassungsweise erscheint für die Gegenwart mehr oder weniger veraltet.
Seitdem sind ausser anderen umfassenderen und unbe- deutenderen Schriften, wie Handbüchern, Monographien u. s. w., auch mehrfach eigentliche Lehrbücher des Spieles
ernsten Gemüthern als Zeitvertreib und zur Belustigung ge- dient; ja es giebt nicht wenig grosse Gelehrte, die es als Lieblingsbeschäftigung bis zur Leidenschaft gepflegt haben.
Gleich nach seiner Erfindung muss dies Spiel sehr be- liebt gewesen und weit verbreitet worden sein, denn noch bis jetzt hat man die Spuren seiner Erfindung nicht mit völliger Sicherheit auffinden können. Man hat abwechselnd verschiedenen Nationen, wie den Griechen, Persern, Ara- bern die Erfindung zugeschrieben, und erst in neuerer Zeit hat sich mit einiger Genauigkeit feststellen lassen, dass wohl im alten Indien die ersten Spuren des Schachspieles zu suchen seien. Von dort aus hat es sich dann wahr- scheinlich im sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung nach Osten und Westen hin verbreitet, wie einige chinesische und arabische Schriften jener Zeit bestätigen. Denn im Jahre 537 soll es unter der Regierung des Vouti in China Eingang gefunden haben, zu gleicher Zeit unter Justinian nach Persien gekommen und von hier nach Griechenland sowie durch die Saracenen und Mauren nach Italien und Spanien gebracht sein. Die allgemeinere Verbreitung im Occident, namentlich in Deutschland und Frankreich, er- folgte aber wohl erst durch die von ihren heiligen Zügen heimkehrenden Kreuzfahrer. Leider gehören die ersten Schrif- ten über das Spiel selbst einer weit späteren Zeit an; erst im Laufe des sechszehnten Jahrhunderts finden sich in Spanien und Italien die Anfänge theoretischer wie prak- tischer Schachliteratur. Meist sind es einzelne Spiele, theils ganze Partien, theils Anfänge oder Endspiele, welche aufgezeichnet werden; wirklich gediegene Lehrbücher des Spieles trifft man erst in Italien seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Noch jetzt gilt das Buch des italienischen Meisters Ponziani, aus dem Jahre 1782, als ein Meisterwerk klarer und präciser Darstellung; die Auswahl des Stoffes aber sowie die ganze theoretische Auffassungsweise erscheint für die Gegenwart mehr oder weniger veraltet.
Seitdem sind ausser anderen umfassenderen und unbe- deutenderen Schriften, wie Handbüchern, Monographien u. s. w., auch mehrfach eigentliche Lehrbücher des Spieles
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ernsten Gemüthern als Zeitvertreib und zur Belustigung ge-
dient; ja es giebt nicht wenig grosse Gelehrte, die es als
Lieblingsbeschäftigung bis zur Leidenschaft gepflegt haben.
Gleich nach seiner Erfindung muss dies Spiel sehr be-
liebt gewesen und weit verbreitet worden sein, denn noch
bis jetzt hat man die Spuren seiner Erfindung nicht mit
völliger Sicherheit auffinden können. Man hat abwechselnd
verschiedenen Nationen, wie den Griechen, Persern, Ara-
bern die Erfindung zugeschrieben, und erst in neuerer Zeit
hat sich mit einiger Genauigkeit feststellen lassen, dass
wohl im alten Indien die ersten Spuren des Schachspieles
zu suchen seien. Von dort aus hat es sich dann wahr-
scheinlich im sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung nach
Osten und Westen hin verbreitet, wie einige chinesische
und arabische Schriften jener Zeit bestätigen. Denn im
Jahre 537 soll es unter der Regierung des Vouti in China
Eingang gefunden haben, zu gleicher Zeit unter Justinian
nach Persien gekommen und von hier nach Griechenland
sowie durch die Saracenen und Mauren nach Italien und
Spanien gebracht sein. Die allgemeinere Verbreitung im
Occident, namentlich in Deutschland und Frankreich, er-
folgte aber wohl erst durch die von ihren heiligen Zügen
heimkehrenden Kreuzfahrer. Leider gehören die ersten Schrif-
ten über das Spiel selbst einer weit späteren Zeit an;
erst im Laufe des sechszehnten Jahrhunderts finden sich
in Spanien und Italien die Anfänge theoretischer wie prak-
tischer Schachliteratur. Meist sind es einzelne Spiele,
theils ganze Partien, theils Anfänge oder Endspiele, welche
aufgezeichnet werden; wirklich gediegene Lehrbücher des
Spieles trifft man erst in Italien seit dem Ende des vorigen
Jahrhunderts. Noch jetzt gilt das Buch des italienischen
Meisters Ponziani, aus dem Jahre 1782, als ein Meisterwerk
klarer und präciser Darstellung; die Auswahl des Stoffes
aber sowie die ganze theoretische Auffassungsweise erscheint
für die Gegenwart mehr oder weniger veraltet.
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deutenderen Schriften, wie Handbüchern, Monographien
u. s. w., auch mehrfach eigentliche Lehrbücher des Spieles
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Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/14>, abgerufen am 23.11.2024.
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