Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

Bild:
<< vorherige Seite

sondern um die erwerbsbedürftigen, ledig bleibenden Töchter
des gebildeten Mittelstandes und der höheren Stände, die
nach internationalem Muster und durch internationale
Agitation die ganze Bewegung künstlich geschaffen haben
und sie nun zu immer weitergehenden Zielen, zu führen
suchen. Leider sind ihnen in vielen Ehefrauen aus ihrem
Milieu heraus, die die alten guten Ziele mit Recht unter-
stützten, nun auch eine Reihe radikal gesinnter Helferinnen
erstanden, die durch ihren großen Einfluß auf die maß-
gebenden Kreise in den Regierungen und Volksvertretungen
die Macht der Frauenbewegung in verhängnisvoller Weise
verstärken. Die durch die Mitwirkung der herrschsüchtigen
"großen Damen" der Gesellschaft ermöglichte pompöse
Aufmachung der Frauenkongresse, die Empfänge durch
Fürstinnen und Königinnen geben den Veranstaltungen
der Frauenbewegung einen imponierenden Hintergrund,
der dazu verführt, ihren wirklichen ethischen Gehalt und
ihre Bedeutung für das Staatsleben bedenklich zu über-
schätzen und ihr seitens der Parlamente und Regierungen
eine Wichtigkeit beizulegen, die sie - wenigstens im posi-
tiven Sinne - nicht besitzt. Es ist nicht leicht, bei der
Beurteilung der Frauenbewegung in ihrer Gesamtheit
völlig gerecht zu bleiben, da die verschiedenen Vereine und
Verbände in ihren Arbeiten und Zielen sehr weit aus-
einander streben, so daß gute und schlimme Tendenzen
sich in mannigfachster Weise kreuzen. Die Gefahr für
Deutschlands Zukunft liegt besonders darin, daß seit drei
Jahren der bis dahin gemäßigte und unpolitische Bund
deutscher Frauenvereine durch seine radikalen Führerinnen
eine scharfe Wendung in der Richtung zur Politisierung

sondern um die erwerbsbedürftigen, ledig bleibenden Töchter
des gebildeten Mittelstandes und der höheren Stände, die
nach internationalem Muster und durch internationale
Agitation die ganze Bewegung künstlich geschaffen haben
und sie nun zu immer weitergehenden Zielen, zu führen
suchen. Leider sind ihnen in vielen Ehefrauen aus ihrem
Milieu heraus, die die alten guten Ziele mit Recht unter-
stützten, nun auch eine Reihe radikal gesinnter Helferinnen
erstanden, die durch ihren großen Einfluß auf die maß-
gebenden Kreise in den Regierungen und Volksvertretungen
die Macht der Frauenbewegung in verhängnisvoller Weise
verstärken. Die durch die Mitwirkung der herrschsüchtigen
„großen Damen“ der Gesellschaft ermöglichte pompöse
Aufmachung der Frauenkongresse, die Empfänge durch
Fürstinnen und Königinnen geben den Veranstaltungen
der Frauenbewegung einen imponierenden Hintergrund,
der dazu verführt, ihren wirklichen ethischen Gehalt und
ihre Bedeutung für das Staatsleben bedenklich zu über-
schätzen und ihr seitens der Parlamente und Regierungen
eine Wichtigkeit beizulegen, die sie – wenigstens im posi-
tiven Sinne – nicht besitzt. Es ist nicht leicht, bei der
Beurteilung der Frauenbewegung in ihrer Gesamtheit
völlig gerecht zu bleiben, da die verschiedenen Vereine und
Verbände in ihren Arbeiten und Zielen sehr weit aus-
einander streben, so daß gute und schlimme Tendenzen
sich in mannigfachster Weise kreuzen. Die Gefahr für
Deutschlands Zukunft liegt besonders darin, daß seit drei
Jahren der bis dahin gemäßigte und unpolitische Bund
deutscher Frauenvereine durch seine radikalen Führerinnen
eine scharfe Wendung in der Richtung zur Politisierung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0010" n="8"/>
sondern um die erwerbsbedürftigen, ledig bleibenden Töchter<lb/>
des gebildeten Mittelstandes und der höheren Stände, die<lb/>
nach internationalem Muster und durch internationale<lb/>
Agitation die ganze Bewegung künstlich geschaffen haben<lb/>
und sie nun zu immer weitergehenden Zielen, zu führen<lb/>
suchen. Leider sind ihnen in vielen Ehefrauen aus ihrem<lb/>
Milieu heraus, die die alten guten Ziele mit Recht unter-<lb/>
stützten, nun auch eine Reihe radikal gesinnter Helferinnen<lb/>
erstanden, die durch ihren großen Einfluß auf die maß-<lb/>
gebenden Kreise in den Regierungen und Volksvertretungen<lb/>
die Macht der Frauenbewegung in verhängnisvoller Weise<lb/>
verstärken. Die durch die Mitwirkung der herrschsüchtigen<lb/>
&#x201E;großen Damen&#x201C; der Gesellschaft ermöglichte pompöse<lb/>
Aufmachung der Frauenkongresse, die Empfänge durch<lb/>
Fürstinnen und Königinnen geben den Veranstaltungen<lb/>
der Frauenbewegung einen imponierenden Hintergrund,<lb/>
der dazu verführt, ihren wirklichen ethischen Gehalt und<lb/>
ihre Bedeutung für das Staatsleben bedenklich zu über-<lb/>
schätzen und ihr seitens der Parlamente und Regierungen<lb/>
eine Wichtigkeit beizulegen, die sie &#x2013; wenigstens im posi-<lb/>
tiven Sinne &#x2013; nicht besitzt. Es ist nicht leicht, bei der<lb/>
Beurteilung der Frauenbewegung in ihrer Gesamtheit<lb/>
völlig gerecht zu bleiben, da die verschiedenen Vereine und<lb/>
Verbände in ihren Arbeiten und Zielen sehr weit aus-<lb/>
einander streben, so daß gute und schlimme Tendenzen<lb/>
sich in mannigfachster Weise kreuzen. Die Gefahr für<lb/>
Deutschlands Zukunft liegt besonders darin, daß seit drei<lb/>
Jahren der bis dahin gemäßigte und unpolitische Bund<lb/>
deutscher Frauenvereine durch seine radikalen Führerinnen<lb/>
eine scharfe Wendung in der Richtung zur Politisierung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0010] sondern um die erwerbsbedürftigen, ledig bleibenden Töchter des gebildeten Mittelstandes und der höheren Stände, die nach internationalem Muster und durch internationale Agitation die ganze Bewegung künstlich geschaffen haben und sie nun zu immer weitergehenden Zielen, zu führen suchen. Leider sind ihnen in vielen Ehefrauen aus ihrem Milieu heraus, die die alten guten Ziele mit Recht unter- stützten, nun auch eine Reihe radikal gesinnter Helferinnen erstanden, die durch ihren großen Einfluß auf die maß- gebenden Kreise in den Regierungen und Volksvertretungen die Macht der Frauenbewegung in verhängnisvoller Weise verstärken. Die durch die Mitwirkung der herrschsüchtigen „großen Damen“ der Gesellschaft ermöglichte pompöse Aufmachung der Frauenkongresse, die Empfänge durch Fürstinnen und Königinnen geben den Veranstaltungen der Frauenbewegung einen imponierenden Hintergrund, der dazu verführt, ihren wirklichen ethischen Gehalt und ihre Bedeutung für das Staatsleben bedenklich zu über- schätzen und ihr seitens der Parlamente und Regierungen eine Wichtigkeit beizulegen, die sie – wenigstens im posi- tiven Sinne – nicht besitzt. Es ist nicht leicht, bei der Beurteilung der Frauenbewegung in ihrer Gesamtheit völlig gerecht zu bleiben, da die verschiedenen Vereine und Verbände in ihren Arbeiten und Zielen sehr weit aus- einander streben, so daß gute und schlimme Tendenzen sich in mannigfachster Weise kreuzen. Die Gefahr für Deutschlands Zukunft liegt besonders darin, daß seit drei Jahren der bis dahin gemäßigte und unpolitische Bund deutscher Frauenvereine durch seine radikalen Führerinnen eine scharfe Wendung in der Richtung zur Politisierung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-13T13:51:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-13T13:51:38Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/10
Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/10>, abgerufen am 21.11.2024.