mals weiter als auf die Kleidung gehe! -- die ich als ein Opfer ansehe, welches auch die Besten und Vernünftigsten der Gewohnheit, den Umständen und ihrer Verhältniß mit andern, bald in diesem, bald in jenem Stücke bringen müssen. Dieser Gedanke dünke mich ein gemein- schaftlicher Wink der Trauer und des Ge- wissens zu seyn. Aber ich komme von meiner Erscheinung ab. Doch Sie, mein väterlicher Freund, haben verlangt, ich soll, wie es der Anlaß gebe, das was mir begegnet und meine Gedanken dabey auf- schreiben, und das will ich auch thun. Jch werde von andern wenig reden, wenn es sich nicht besonders auf mich bezieht. Alles was ich an ihnen selbst sehe, befrem- det mich nicht, weil ich die große Welt aus dem Gemählde kenne, welches mir mein Papa und meine Großmama davon gemacht haben.
Jch kam also in das Zimmer zu meiner Tante, da schon etliche Damen und Ca- valiere da waren. Jch hatte mein weis- ses Kleid an, welches mit blauen Jtalieni-
schen
mals weiter als auf die Kleidung gehe! — die ich als ein Opfer anſehe, welches auch die Beſten und Vernuͤnftigſten der Gewohnheit, den Umſtaͤnden und ihrer Verhaͤltniß mit andern, bald in dieſem, bald in jenem Stuͤcke bringen muͤſſen. Dieſer Gedanke duͤnke mich ein gemein- ſchaftlicher Wink der Trauer und des Ge- wiſſens zu ſeyn. Aber ich komme von meiner Erſcheinung ab. Doch Sie, mein vaͤterlicher Freund, haben verlangt, ich ſoll, wie es der Anlaß gebe, das was mir begegnet und meine Gedanken dabey auf- ſchreiben, und das will ich auch thun. Jch werde von andern wenig reden, wenn es ſich nicht beſonders auf mich bezieht. Alles was ich an ihnen ſelbſt ſehe, befrem- det mich nicht, weil ich die große Welt aus dem Gemaͤhlde kenne, welches mir mein Papa und meine Großmama davon gemacht haben.
Jch kam alſo in das Zimmer zu meiner Tante, da ſchon etliche Damen und Ca- valiere da waren. Jch hatte mein weiſ- ſes Kleid an, welches mit blauen Jtalieni-
ſchen
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mals weiter als auf die Kleidung gehe! —
die ich als ein Opfer anſehe, welches
auch die Beſten und Vernuͤnftigſten der
Gewohnheit, den Umſtaͤnden und ihrer
Verhaͤltniß mit andern, bald in dieſem,
bald in jenem Stuͤcke bringen muͤſſen.
Dieſer Gedanke duͤnke mich ein gemein-
ſchaftlicher Wink der Trauer und des Ge-
wiſſens zu ſeyn. Aber ich komme von
meiner Erſcheinung ab. Doch Sie, mein
vaͤterlicher Freund, haben verlangt, ich
ſoll, wie es der Anlaß gebe, das was mir
begegnet und meine Gedanken dabey auf-
ſchreiben, und das will ich auch thun.
Jch werde von andern wenig reden, wenn
es ſich nicht beſonders auf mich bezieht.
Alles was ich an ihnen ſelbſt ſehe, befrem-
det mich nicht, weil ich die große Welt
aus dem Gemaͤhlde kenne, welches mir
mein Papa und meine Großmama davon
gemacht haben.
Jch kam alſo in das Zimmer zu meiner
Tante, da ſchon etliche Damen und Ca-
valiere da waren. Jch hatte mein weiſ-
ſes Kleid an, welches mit blauen Jtalieni-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/118>, abgerufen am 27.11.2024.
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