Der junge Graf F., Neveu des Mini- sters, kam auch noch, und da er den Be- dienten, der die Laute trug, angetroffen und gefragt hatte, für wen? nahm er sie, und klimperte vor dem Saal, bis mein Oncle hinaus sah und ihn einführte. Jch mußte gleich noch vor dem Essen spielen und singen. Jch war nicht munter, und sang mehr aus Jnstinct als Wahl, ein Lied, in welchem Sehnsucht nach ländlicher Freyheit und Ruhe ausgedrückt war. Jch empfand selbst, daß mein Ton zu ge- rührt war; meine Tante rief auch: Kind, du machst uns alle traurig; warum willst du uns zeigen, daß du uns so gerne ver- lassen möchtest? Singe was anders. Jch gehorchte still, und nahm eine Gärt- nerarie aus einer Opera, welche mit vie- lem Beyfall aufgenommen wurde. Mi- lord G. fragte: ob ich nicht englisch sin- gen könnte? ich sagte, nein; aber wenn ich was hörte, so fiele mirs nicht schwer. Derby sang gleich, seine Stimme ist schön,
aber
Augenblick empfand, ſo mußten Sie es wiſſen.
Der junge Graf F., Neveu des Mini- ſters, kam auch noch, und da er den Be- dienten, der die Laute trug, angetroffen und gefragt hatte, fuͤr wen? nahm er ſie, und klimperte vor dem Saal, bis mein Oncle hinaus ſah und ihn einfuͤhrte. Jch mußte gleich noch vor dem Eſſen ſpielen und ſingen. Jch war nicht munter, und ſang mehr aus Jnſtinct als Wahl, ein Lied, in welchem Sehnſucht nach laͤndlicher Freyheit und Ruhe ausgedruͤckt war. Jch empfand ſelbſt, daß mein Ton zu ge- ruͤhrt war; meine Tante rief auch: Kind, du machſt uns alle traurig; warum willſt du uns zeigen, daß du uns ſo gerne ver- laſſen moͤchteſt? Singe was anders. Jch gehorchte ſtill, und nahm eine Gaͤrt- nerarie aus einer Opera, welche mit vie- lem Beyfall aufgenommen wurde. Mi- lord G. fragte: ob ich nicht engliſch ſin- gen koͤnnte? ich ſagte, nein; aber wenn ich was hoͤrte, ſo fiele mirs nicht ſchwer. Derby ſang gleich, ſeine Stimme iſt ſchoͤn,
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Augenblick empfand, ſo mußten Sie es
wiſſen.
Der junge Graf F., Neveu des Mini-
ſters, kam auch noch, und da er den Be-
dienten, der die Laute trug, angetroffen
und gefragt hatte, fuͤr wen? nahm er ſie,
und klimperte vor dem Saal, bis mein
Oncle hinaus ſah und ihn einfuͤhrte. Jch
mußte gleich noch vor dem Eſſen ſpielen und
ſingen. Jch war nicht munter, und ſang
mehr aus Jnſtinct als Wahl, ein Lied,
in welchem Sehnſucht nach laͤndlicher
Freyheit und Ruhe ausgedruͤckt war.
Jch empfand ſelbſt, daß mein Ton zu ge-
ruͤhrt war; meine Tante rief auch: Kind,
du machſt uns alle traurig; warum willſt
du uns zeigen, daß du uns ſo gerne ver-
laſſen moͤchteſt? Singe was anders.
Jch gehorchte ſtill, und nahm eine Gaͤrt-
nerarie aus einer Opera, welche mit vie-
lem Beyfall aufgenommen wurde. Mi-
lord G. fragte: ob ich nicht engliſch ſin-
gen koͤnnte? ich ſagte, nein; aber wenn
ich was hoͤrte, ſo fiele mirs nicht ſchwer.
Derby ſang gleich, ſeine Stimme iſt ſchoͤn,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/156>, abgerufen am 27.11.2024.
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