der Biegsamkeit meines Kopfs finden wollten; ich weis nicht, mein theurer Freund, wie weit Sie damit gekommen sind; Sie haben mich das wahre Gute und Schöne erkennen und lieben gelehrt, ich wollte auch immer lieber sterben, als etwas Unedles oder Bösartiges thun, und doch zweifle ich, ob Sie mit der Ungeduld zufrieden seyn würden, mit welcher ich das Ansehen meines Oheims über mich ertrage. Es däucht mir eine dreyfache Last zu seyn, die meine Seele in allen ihren Handlungen hindert; Milord G. als Oheim, als reicher Mann, den ich er- ben soll, und als Minister dem mich meine Stelle als Gesandschaftsrath unterwirft. Fürchten Sie dennoch nicht, daß ich mich vergesse, oder Milor- den beleidige; nein, so viel Gewalt habe ich über meine Bewegungen; sie werden durch nichts anders sichtbar, als eine töd- tende Melancholie, die ich vergebens zu unterdrücken suche; aber warum mache ich so viele Umschweife, um Jhnen am Ende meines Briefes etwas zu sagen, das
ich
der Biegſamkeit meines Kopfs finden wollten; ich weis nicht, mein theurer Freund, wie weit Sie damit gekommen ſind; Sie haben mich das wahre Gute und Schoͤne erkennen und lieben gelehrt, ich wollte auch immer lieber ſterben, als etwas Unedles oder Boͤsartiges thun, und doch zweifle ich, ob Sie mit der Ungeduld zufrieden ſeyn wuͤrden, mit welcher ich das Anſehen meines Oheims uͤber mich ertrage. Es daͤucht mir eine dreyfache Laſt zu ſeyn, die meine Seele in allen ihren Handlungen hindert; Milord G. als Oheim, als reicher Mann, den ich er- ben ſoll, und als Miniſter dem mich meine Stelle als Geſandſchaftsrath unterwirft. Fuͤrchten Sie dennoch nicht, daß ich mich vergeſſe, oder Milor- den beleidige; nein, ſo viel Gewalt habe ich uͤber meine Bewegungen; ſie werden durch nichts anders ſichtbar, als eine toͤd- tende Melancholie, die ich vergebens zu unterdruͤcken ſuche; aber warum mache ich ſo viele Umſchweife, um Jhnen am Ende meines Briefes etwas zu ſagen, das
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der Biegſamkeit meines Kopfs finden
wollten; ich weis nicht, mein theurer
Freund, wie weit Sie damit gekommen
ſind; Sie haben mich das wahre Gute
und Schoͤne erkennen und lieben gelehrt,
ich wollte auch immer lieber ſterben, als
etwas Unedles oder Boͤsartiges thun, und
doch zweifle ich, ob Sie mit der Ungeduld
zufrieden ſeyn wuͤrden, mit welcher ich
das Anſehen meines Oheims uͤber mich
ertrage. Es daͤucht mir eine dreyfache
Laſt zu ſeyn, die meine Seele in allen ihren
Handlungen hindert; Milord G. als
Oheim, als reicher Mann, den ich er-
ben ſoll, und als Miniſter dem mich
meine Stelle als Geſandſchaftsrath
unterwirft. Fuͤrchten Sie dennoch
nicht, daß ich mich vergeſſe, oder Milor-
den beleidige; nein, ſo viel Gewalt habe
ich uͤber meine Bewegungen; ſie werden
durch nichts anders ſichtbar, als eine toͤd-
tende Melancholie, die ich vergebens zu
unterdruͤcken ſuche; aber warum mache
ich ſo viele Umſchweife, um Jhnen am
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/172>, abgerufen am 17.02.2025.
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