Jch danke Jhnen, meine wahre Freun- din, daß Sie mich an den Theil meiner Erziehung zurückgewiesen, der mich an- führte, mich an den Platz der Personen zu stellen, wovon ich urtheilen wollte; aber nicht allein, um zu sehen, was ich in ihren Umständen würde gethan haben, sondern auch mir die so nöthige menschen- freundliche Behutsamkeit zu geben, "nicht "alles was meinen Grundsätzen, meinen "Neigungen zuwider ist, als böse oder "niedrig anzusehen." Sie haben mich daran erinnert, weil Jhnen meine Unzu- friedenheit mit den Hofleuten zu unbillig und zu lebhaft und beynahe ungerecht schien. Jch habe Jhnen gefolgt, und da- durch die zwote Quelle meiner Verbesse- rung gefunden, indem ich meine Abnei- gung vor dem Hofe durch die Vorstellung gemäßigt, daß gleichwie in der materiel- len Welt alle mögliche Arten von Dingen
ihren
Fraͤulein von Sternheim an Emilien.
Jch danke Jhnen, meine wahre Freun- din, daß Sie mich an den Theil meiner Erziehung zuruͤckgewieſen, der mich an- fuͤhrte, mich an den Platz der Perſonen zu ſtellen, wovon ich urtheilen wollte; aber nicht allein, um zu ſehen, was ich in ihren Umſtaͤnden wuͤrde gethan haben, ſondern auch mir die ſo noͤthige menſchen- freundliche Behutſamkeit zu geben, „nicht „alles was meinen Grundſaͤtzen, meinen „Neigungen zuwider iſt, als boͤſe oder „niedrig anzuſehen.“ Sie haben mich daran erinnert, weil Jhnen meine Unzu- friedenheit mit den Hofleuten zu unbillig und zu lebhaft und beynahe ungerecht ſchien. Jch habe Jhnen gefolgt, und da- durch die zwote Quelle meiner Verbeſſe- rung gefunden, indem ich meine Abnei- gung vor dem Hofe durch die Vorſtellung gemaͤßigt, daß gleichwie in der materiel- len Welt alle moͤgliche Arten von Dingen
ihren
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Fraͤulein von Sternheim
an
Emilien.
Jch danke Jhnen, meine wahre Freun-
din, daß Sie mich an den Theil meiner
Erziehung zuruͤckgewieſen, der mich an-
fuͤhrte, mich an den Platz der Perſonen
zu ſtellen, wovon ich urtheilen wollte;
aber nicht allein, um zu ſehen, was ich
in ihren Umſtaͤnden wuͤrde gethan haben,
ſondern auch mir die ſo noͤthige menſchen-
freundliche Behutſamkeit zu geben, „nicht
„alles was meinen Grundſaͤtzen, meinen
„Neigungen zuwider iſt, als boͤſe oder
„niedrig anzuſehen.“ Sie haben mich
daran erinnert, weil Jhnen meine Unzu-
friedenheit mit den Hofleuten zu unbillig
und zu lebhaft und beynahe ungerecht
ſchien. Jch habe Jhnen gefolgt, und da-
durch die zwote Quelle meiner Verbeſſe-
rung gefunden, indem ich meine Abnei-
gung vor dem Hofe durch die Vorſtellung
gemaͤßigt, daß gleichwie in der materiel-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/216>, abgerufen am 21.11.2024.
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