der Stimme lieber hört, als den muntern Laut der meinigen, seine todten Blicke sucht, und mein redendes Auge flieht? Sollte so viel Wasser in ihre Empfindun- gen gegossen seyn? Das wollen wir beym Bal sehen, der angestellt ist, denn da muß eine Lücke ihres Charakters zum Vor- schein kommen, wenigstens sind alle mög- liche Anstalten gemacht worden, um die tiefschlafendsten Sinnen in eine muntere Geschäfftigkeit zu bringen. Deinen Freund wird das Erwachen der ihrigen nicht entgehen, und dann will ich schon Sorge tragen, sie nicht einschlummern zu lassen.
Fräulein von Sternheim an Emilia.
Jch komme von der angenehmsten Reise zurück, die ich jemals mit meiner Tante gemacht habe. Wir waren zehn Tage bey dem Grafen von T *** auf seinem
Schlosse,
O 5
der Stimme lieber hoͤrt, als den muntern Laut der meinigen, ſeine todten Blicke ſucht, und mein redendes Auge flieht? Sollte ſo viel Waſſer in ihre Empfindun- gen gegoſſen ſeyn? Das wollen wir beym Bal ſehen, der angeſtellt iſt, denn da muß eine Luͤcke ihres Charakters zum Vor- ſchein kommen, wenigſtens ſind alle moͤg- liche Anſtalten gemacht worden, um die tiefſchlafendſten Sinnen in eine muntere Geſchaͤfftigkeit zu bringen. Deinen Freund wird das Erwachen der ihrigen nicht entgehen, und dann will ich ſchon Sorge tragen, ſie nicht einſchlummern zu laſſen.
Fraͤulein von Sternheim an Emilia.
Jch komme von der angenehmſten Reiſe zuruͤck, die ich jemals mit meiner Tante gemacht habe. Wir waren zehn Tage bey dem Grafen von T *** auf ſeinem
Schloſſe,
O 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0243"n="217"/>
der Stimme lieber hoͤrt, als den muntern<lb/>
Laut der meinigen, ſeine todten Blicke<lb/>ſucht, und mein redendes Auge flieht?<lb/>
Sollte ſo viel Waſſer in ihre Empfindun-<lb/>
gen gegoſſen ſeyn? Das wollen wir beym<lb/>
Bal ſehen, der angeſtellt iſt, denn da<lb/>
muß eine Luͤcke ihres Charakters zum Vor-<lb/>ſchein kommen, wenigſtens ſind alle moͤg-<lb/>
liche Anſtalten gemacht worden, um die<lb/>
tiefſchlafendſten Sinnen in eine muntere<lb/>
Geſchaͤfftigkeit zu bringen. Deinen<lb/>
Freund wird das Erwachen der ihrigen<lb/>
nicht entgehen, und dann will ich ſchon<lb/>
Sorge tragen, ſie nicht einſchlummern<lb/>
zu laſſen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Fraͤulein von Sternheim</hi><lb/>
an<lb/><hirendition="#fr"><hirendition="#g">Emilia.</hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch komme von der angenehmſten Reiſe<lb/>
zuruͤck, die ich jemals mit meiner Tante<lb/>
gemacht habe. Wir waren zehn Tage<lb/>
bey dem Grafen von T *** auf ſeinem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Schloſſe,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[217/0243]
der Stimme lieber hoͤrt, als den muntern
Laut der meinigen, ſeine todten Blicke
ſucht, und mein redendes Auge flieht?
Sollte ſo viel Waſſer in ihre Empfindun-
gen gegoſſen ſeyn? Das wollen wir beym
Bal ſehen, der angeſtellt iſt, denn da
muß eine Luͤcke ihres Charakters zum Vor-
ſchein kommen, wenigſtens ſind alle moͤg-
liche Anſtalten gemacht worden, um die
tiefſchlafendſten Sinnen in eine muntere
Geſchaͤfftigkeit zu bringen. Deinen
Freund wird das Erwachen der ihrigen
nicht entgehen, und dann will ich ſchon
Sorge tragen, ſie nicht einſchlummern
zu laſſen.
Fraͤulein von Sternheim
an
Emilia.
Jch komme von der angenehmſten Reiſe
zuruͤck, die ich jemals mit meiner Tante
gemacht habe. Wir waren zehn Tage
bey dem Grafen von T *** auf ſeinem
Schloſſe,
O 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/243>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.