Farbe, die ihr mein Anblick und meine Un- terredung gab, machten sie unbeschreib- lich reizend.
Als sie einige Minuten da war, pochte ich an die Thüre, und rief sachte nach der Madam T *. Sie kam; ich sagte ihr, daß ich Secretair bey Milord G. wäre, der mich mit einem Geschenk für ihre Fa- milie zu dem Fräulein von Sternheim ge- schickt hätte, der ich es selbst übergeben solle, und mit ihr deswegen zu reden ha- be; die Frau hieß mich einen Augenblick warten, und lief hin, ihren Mann und ihre Kinder in ein ander Zimmer zu schaf- fen; sie winkte mir sodann. Jch Narr zitterte beynahe, als ich den ersten Schritt in die Thüre trat; aber die kleine Angst, die das Mädchen befiel, erinnerte mich noch zu rechter Zeit an die Oberherrschaft des männlichen Geistes, und eine über- bleibende Verwirrung mußte mir dazu die- nen, mein gezwungenes Eindringen zu beschönen. Ehe sie sich von ihrem Er- staunen mich zu sehen erholen konnte, war ich zu ihren Füßen; machte in un-
srer
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Farbe, die ihr mein Anblick und meine Un- terredung gab, machten ſie unbeſchreib- lich reizend.
Als ſie einige Minuten da war, pochte ich an die Thuͤre, und rief ſachte nach der Madam T *. Sie kam; ich ſagte ihr, daß ich Secretair bey Milord G. waͤre, der mich mit einem Geſchenk fuͤr ihre Fa- milie zu dem Fraͤulein von Sternheim ge- ſchickt haͤtte, der ich es ſelbſt uͤbergeben ſolle, und mit ihr deswegen zu reden ha- be; die Frau hieß mich einen Augenblick warten, und lief hin, ihren Mann und ihre Kinder in ein ander Zimmer zu ſchaf- fen; ſie winkte mir ſodann. Jch Narr zitterte beynahe, als ich den erſten Schritt in die Thuͤre trat; aber die kleine Angſt, die das Maͤdchen befiel, erinnerte mich noch zu rechter Zeit an die Oberherrſchaft des maͤnnlichen Geiſtes, und eine uͤber- bleibende Verwirrung mußte mir dazu die- nen, mein gezwungenes Eindringen zu beſchoͤnen. Ehe ſie ſich von ihrem Er- ſtaunen mich zu ſehen erholen konnte, war ich zu ihren Fuͤßen; machte in un-
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Farbe, die ihr mein Anblick und meine Un-
terredung gab, machten ſie unbeſchreib-
lich reizend.
Als ſie einige Minuten da war, pochte
ich an die Thuͤre, und rief ſachte nach der
Madam T *. Sie kam; ich ſagte ihr,
daß ich Secretair bey Milord G. waͤre,
der mich mit einem Geſchenk fuͤr ihre Fa-
milie zu dem Fraͤulein von Sternheim ge-
ſchickt haͤtte, der ich es ſelbſt uͤbergeben
ſolle, und mit ihr deswegen zu reden ha-
be; die Frau hieß mich einen Augenblick
warten, und lief hin, ihren Mann und
ihre Kinder in ein ander Zimmer zu ſchaf-
fen; ſie winkte mir ſodann. Jch Narr
zitterte beynahe, als ich den erſten Schritt
in die Thuͤre trat; aber die kleine Angſt,
die das Maͤdchen befiel, erinnerte mich
noch zu rechter Zeit an die Oberherrſchaft
des maͤnnlichen Geiſtes, und eine uͤber-
bleibende Verwirrung mußte mir dazu die-
nen, mein gezwungenes Eindringen zu
beſchoͤnen. Ehe ſie ſich von ihrem Er-
ſtaunen mich zu ſehen erholen konnte,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/337>, abgerufen am 18.12.2024.
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