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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Lieber Sohn, werde nicht zu eifrig, es
wäre würklich nicht gut, wenn unsre
Töchter so leicht geneigt wären, außer
Stand zu heyrathen.

"Das ist nicht zu befürchten. Es
giebt selten eine Sophie, die einen Mann
nur wegen seiner Klugheit und Großmuth
liebt."

Fräulein Charlotte entfernte sich.

Hast du aber nicht selbst einmal deine
dir so lieben Engländer angeführt, welche
die Heyrath außer Stand den Töchtern
viel weniger vergeben als den Söhnen,
weil die Tochter ihren Namen aufgeben,
und den von ihrem Manne tragen muß,
folglich sich erniedriget?

"Diß bleibt alles wahr, aber in Eng-
laud würde mein Freund tausendmal von
diesem Grundsatz ausgenommen werden,
und das Mädchen, das ihn liebte, würde
den Ruhm eines edeldenkenden Frauen-
zimmers erhalten."

Jch sehe wohl, mein Sohn, daß diese
Verbindung eine schon beschlossene Sache
ist. Aber hast du auch überlegt, daß

man
C

Lieber Sohn, werde nicht zu eifrig, es
waͤre wuͤrklich nicht gut, wenn unſre
Toͤchter ſo leicht geneigt waͤren, außer
Stand zu heyrathen.

„Das iſt nicht zu befuͤrchten. Es
giebt ſelten eine Sophie, die einen Mann
nur wegen ſeiner Klugheit und Großmuth
liebt.“

Fraͤulein Charlotte entfernte ſich.

Haſt du aber nicht ſelbſt einmal deine
dir ſo lieben Englaͤnder angefuͤhrt, welche
die Heyrath außer Stand den Toͤchtern
viel weniger vergeben als den Soͤhnen,
weil die Tochter ihren Namen aufgeben,
und den von ihrem Manne tragen muß,
folglich ſich erniedriget?

„Diß bleibt alles wahr, aber in Eng-
laud wuͤrde mein Freund tauſendmal von
dieſem Grundſatz ausgenommen werden,
und das Maͤdchen, das ihn liebte, wuͤrde
den Ruhm eines edeldenkenden Frauen-
zimmers erhalten.“

Jch ſehe wohl, mein Sohn, daß dieſe
Verbindung eine ſchon beſchloſſene Sache
iſt. Aber haſt du auch uͤberlegt, daß

man
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[33/0059] Lieber Sohn, werde nicht zu eifrig, es waͤre wuͤrklich nicht gut, wenn unſre Toͤchter ſo leicht geneigt waͤren, außer Stand zu heyrathen. „Das iſt nicht zu befuͤrchten. Es giebt ſelten eine Sophie, die einen Mann nur wegen ſeiner Klugheit und Großmuth liebt.“ Fraͤulein Charlotte entfernte ſich. Haſt du aber nicht ſelbſt einmal deine dir ſo lieben Englaͤnder angefuͤhrt, welche die Heyrath außer Stand den Toͤchtern viel weniger vergeben als den Soͤhnen, weil die Tochter ihren Namen aufgeben, und den von ihrem Manne tragen muß, folglich ſich erniedriget? „Diß bleibt alles wahr, aber in Eng- laud wuͤrde mein Freund tauſendmal von dieſem Grundſatz ausgenommen werden, und das Maͤdchen, das ihn liebte, wuͤrde den Ruhm eines edeldenkenden Frauen- zimmers erhalten.“ Jch ſehe wohl, mein Sohn, daß dieſe Verbindung eine ſchon beſchloſſene Sache iſt. Aber haſt du auch uͤberlegt, daß man C

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/59>, abgerufen am 21.11.2024.