Ungern, sehr ungern, meine Emilia, begleite ich die Madam Hills ins Bad. Es ist wahr, meine Gesundheit zerfällt, und ich erkenne, daß ich die Hülfe brau- che, die mir die Wassereur verspricht: denn mein stillschweigender Gram denagt die Kräfte meines Körpers, und der jastige Eifer, den ich diese Zeit über in mein moralisches Leben legte, hat auch vieles zu der Schwächlichkeit beygetragen, über welche Sie, liebe Freundinn, so jammer- ten, als ich die letzten zehn glücklichen Tage bey Jhnen zubrachte. Jhr Mann hat gestern meinen Widerwillen überwäl- tigt, aber allein damit, daß Er die erste Woche bey uns bleiben wird; bis dahin, hofft Er, werde mein Haß gegen große und fremde Gesellschaft gemindert seyn. Er behauptet auch: daß mein Herz diesen Winter über alle Kräfte meines Geistes in Dienstbarkeit gehalten und ermüdet hätte,
und
Madam Leidens an Emilien.
Ungern, ſehr ungern, meine Emilia, begleite ich die Madam Hills ins Bad. Es iſt wahr, meine Geſundheit zerfaͤllt, und ich erkenne, daß ich die Huͤlfe brau- che, die mir die Waſſereur verſpricht: denn mein ſtillſchweigender Gram denagt die Kraͤfte meines Koͤrpers, und der jaſtige Eifer, den ich dieſe Zeit uͤber in mein moraliſches Leben legte, hat auch vieles zu der Schwaͤchlichkeit beygetragen, uͤber welche Sie, liebe Freundinn, ſo jammer- ten, als ich die letzten zehn gluͤcklichen Tage bey Jhnen zubrachte. Jhr Mann hat geſtern meinen Widerwillen uͤberwaͤl- tigt, aber allein damit, daß Er die erſte Woche bey uns bleiben wird; bis dahin, hofft Er, werde mein Haß gegen große und fremde Geſellſchaft gemindert ſeyn. Er behauptet auch: daß mein Herz dieſen Winter uͤber alle Kraͤfte meines Geiſtes in Dienſtbarkeit gehalten und ermuͤdet haͤtte,
und
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0154"n="148"/><fwplace="top"type="header"><lb/></fw><divn="2"><head><hirendition="#fr"><hirendition="#g">Madam Leidens</hi></hi><lb/>
an<lb/><hirendition="#fr">Emilien.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">U</hi>ngern, ſehr ungern, meine Emilia,<lb/>
begleite ich die Madam Hills ins Bad.<lb/>
Es iſt wahr, meine Geſundheit zerfaͤllt,<lb/>
und ich erkenne, daß ich die Huͤlfe brau-<lb/>
che, die mir die Waſſereur verſpricht: denn<lb/>
mein ſtillſchweigender Gram denagt die<lb/>
Kraͤfte meines Koͤrpers, und der jaſtige<lb/>
Eifer, den ich dieſe Zeit uͤber in mein<lb/>
moraliſches Leben legte, hat auch vieles<lb/>
zu der Schwaͤchlichkeit beygetragen, uͤber<lb/>
welche Sie, liebe Freundinn, ſo jammer-<lb/>
ten, als ich die letzten zehn gluͤcklichen<lb/>
Tage bey Jhnen zubrachte. Jhr Mann<lb/>
hat geſtern meinen Widerwillen uͤberwaͤl-<lb/>
tigt, aber allein damit, daß Er die erſte<lb/>
Woche bey uns bleiben wird; bis dahin,<lb/>
hofft Er, werde mein Haß gegen große<lb/>
und fremde Geſellſchaft gemindert ſeyn.<lb/>
Er behauptet auch: daß mein Herz dieſen<lb/>
Winter uͤber alle Kraͤfte meines Geiſtes in<lb/>
Dienſtbarkeit gehalten und ermuͤdet haͤtte,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[148/0154]
Madam Leidens
an
Emilien.
Ungern, ſehr ungern, meine Emilia,
begleite ich die Madam Hills ins Bad.
Es iſt wahr, meine Geſundheit zerfaͤllt,
und ich erkenne, daß ich die Huͤlfe brau-
che, die mir die Waſſereur verſpricht: denn
mein ſtillſchweigender Gram denagt die
Kraͤfte meines Koͤrpers, und der jaſtige
Eifer, den ich dieſe Zeit uͤber in mein
moraliſches Leben legte, hat auch vieles
zu der Schwaͤchlichkeit beygetragen, uͤber
welche Sie, liebe Freundinn, ſo jammer-
ten, als ich die letzten zehn gluͤcklichen
Tage bey Jhnen zubrachte. Jhr Mann
hat geſtern meinen Widerwillen uͤberwaͤl-
tigt, aber allein damit, daß Er die erſte
Woche bey uns bleiben wird; bis dahin,
hofft Er, werde mein Haß gegen große
und fremde Geſellſchaft gemindert ſeyn.
Er behauptet auch: daß mein Herz dieſen
Winter uͤber alle Kraͤfte meines Geiſtes in
Dienſtbarkeit gehalten und ermuͤdet haͤtte,
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/154>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.