Herzen gelassen hat, denn er ist seitdem mit aufgehender Sonne in unserm Park, und beraubt mich der Morgenluft, weil ich ihn vermeiden will, da er eine An- foderung von Ersatz an mich zu machen scheint. Niemals, nein, niemals mehr werde ich den Witz um Hülfe bitten, mich aus einer Verwirrung zu reißen. Die Lady Summers hatte mit mir über die an- gehende Liebe des Lords gescherzt; ich wi- dersprach ihr lange in gleichem Ton, und behauptete, es wäre nichts als Selbstliebe, weil ich ihm so gerne zuhörte. Sie be- strafte mich ganz ernsthaft über diese An- klage: "Lord Rich verehret Jhre edle Wißbegierde, er sucht sie durch Mit- theilung seiner Kenntnisse zu befriedigen, und seine Belohnung soll in dieser beissen- den Beschuldigung bestehen?" -- Jch war gerührt, weil ich nicht einmal das Ansehen einer Ungerechtigkeit dulden kann, und nun selbst eine ausübte; aber meine Lady fuhr ganz gütig fort, mir viele Be- weise seiner zärtlichen Hochachtung zu wie- derholen, die ich als wahre Kennzeichen
der
M 3
Herzen gelaſſen hat, denn er iſt ſeitdem mit aufgehender Sonne in unſerm Park, und beraubt mich der Morgenluft, weil ich ihn vermeiden will, da er eine An- foderung von Erſatz an mich zu machen ſcheint. Niemals, nein, niemals mehr werde ich den Witz um Huͤlfe bitten, mich aus einer Verwirrung zu reißen. Die Lady Summers hatte mit mir uͤber die an- gehende Liebe des Lords geſcherzt; ich wi- derſprach ihr lange in gleichem Ton, und behauptete, es waͤre nichts als Selbſtliebe, weil ich ihm ſo gerne zuhoͤrte. Sie be- ſtrafte mich ganz ernſthaft uͤber dieſe An- klage: „Lord Rich verehret Jhre edle Wißbegierde, er ſucht ſie durch Mit- theilung ſeiner Kenntniſſe zu befriedigen, und ſeine Belohnung ſoll in dieſer beiſſen- den Beſchuldigung beſtehen?“ — Jch war geruͤhrt, weil ich nicht einmal das Anſehen einer Ungerechtigkeit dulden kann, und nun ſelbſt eine ausuͤbte; aber meine Lady fuhr ganz guͤtig fort, mir viele Be- weiſe ſeiner zaͤrtlichen Hochachtung zu wie- derholen, die ich als wahre Kennzeichen
der
M 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0187"n="181"/>
Herzen gelaſſen hat, denn er iſt ſeitdem<lb/>
mit aufgehender Sonne in unſerm Park,<lb/>
und beraubt mich der Morgenluft, weil<lb/>
ich ihn vermeiden will, da er eine An-<lb/>
foderung von Erſatz an mich zu machen<lb/>ſcheint. Niemals, nein, niemals mehr<lb/>
werde ich den Witz um Huͤlfe bitten, mich<lb/>
aus einer Verwirrung zu reißen. Die<lb/>
Lady Summers hatte mit mir uͤber die an-<lb/>
gehende Liebe des Lords geſcherzt; ich wi-<lb/>
derſprach ihr lange in gleichem Ton, und<lb/>
behauptete, es waͤre nichts als Selbſtliebe,<lb/>
weil ich ihm ſo gerne zuhoͤrte. Sie be-<lb/>ſtrafte mich ganz ernſthaft uͤber dieſe An-<lb/>
klage: „Lord Rich verehret Jhre edle<lb/>
Wißbegierde, er ſucht ſie durch Mit-<lb/>
theilung ſeiner Kenntniſſe zu befriedigen,<lb/>
und ſeine Belohnung ſoll in dieſer beiſſen-<lb/>
den Beſchuldigung beſtehen?“— Jch<lb/>
war geruͤhrt, weil ich nicht einmal das<lb/>
Anſehen einer Ungerechtigkeit dulden kann,<lb/>
und nun ſelbſt eine ausuͤbte; aber meine<lb/>
Lady fuhr ganz guͤtig fort, mir viele Be-<lb/>
weiſe ſeiner zaͤrtlichen Hochachtung zu wie-<lb/>
derholen, die ich als wahre Kennzeichen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[181/0187]
Herzen gelaſſen hat, denn er iſt ſeitdem
mit aufgehender Sonne in unſerm Park,
und beraubt mich der Morgenluft, weil
ich ihn vermeiden will, da er eine An-
foderung von Erſatz an mich zu machen
ſcheint. Niemals, nein, niemals mehr
werde ich den Witz um Huͤlfe bitten, mich
aus einer Verwirrung zu reißen. Die
Lady Summers hatte mit mir uͤber die an-
gehende Liebe des Lords geſcherzt; ich wi-
derſprach ihr lange in gleichem Ton, und
behauptete, es waͤre nichts als Selbſtliebe,
weil ich ihm ſo gerne zuhoͤrte. Sie be-
ſtrafte mich ganz ernſthaft uͤber dieſe An-
klage: „Lord Rich verehret Jhre edle
Wißbegierde, er ſucht ſie durch Mit-
theilung ſeiner Kenntniſſe zu befriedigen,
und ſeine Belohnung ſoll in dieſer beiſſen-
den Beſchuldigung beſtehen?“ — Jch
war geruͤhrt, weil ich nicht einmal das
Anſehen einer Ungerechtigkeit dulden kann,
und nun ſelbſt eine ausuͤbte; aber meine
Lady fuhr ganz guͤtig fort, mir viele Be-
weiſe ſeiner zaͤrtlichen Hochachtung zu wie-
derholen, die ich als wahre Kennzeichen
der
M 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/187>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.