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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Herzen gelassen hat, denn er ist seitdem
mit aufgehender Sonne in unserm Park,
und beraubt mich der Morgenluft, weil
ich ihn vermeiden will, da er eine An-
foderung von Ersatz an mich zu machen
scheint. Niemals, nein, niemals mehr
werde ich den Witz um Hülfe bitten, mich
aus einer Verwirrung zu reißen. Die
Lady Summers hatte mit mir über die an-
gehende Liebe des Lords gescherzt; ich wi-
dersprach ihr lange in gleichem Ton, und
behauptete, es wäre nichts als Selbstliebe,
weil ich ihm so gerne zuhörte. Sie be-
strafte mich ganz ernsthaft über diese An-
klage: "Lord Rich verehret Jhre edle
Wißbegierde, er sucht sie durch Mit-
theilung seiner Kenntnisse zu befriedigen,
und seine Belohnung soll in dieser beissen-
den Beschuldigung bestehen?" -- Jch
war gerührt, weil ich nicht einmal das
Ansehen einer Ungerechtigkeit dulden kann,
und nun selbst eine ausübte; aber meine
Lady fuhr ganz gütig fort, mir viele Be-
weise seiner zärtlichen Hochachtung zu wie-
derholen, die ich als wahre Kennzeichen

der
M 3

Herzen gelaſſen hat, denn er iſt ſeitdem
mit aufgehender Sonne in unſerm Park,
und beraubt mich der Morgenluft, weil
ich ihn vermeiden will, da er eine An-
foderung von Erſatz an mich zu machen
ſcheint. Niemals, nein, niemals mehr
werde ich den Witz um Huͤlfe bitten, mich
aus einer Verwirrung zu reißen. Die
Lady Summers hatte mit mir uͤber die an-
gehende Liebe des Lords geſcherzt; ich wi-
derſprach ihr lange in gleichem Ton, und
behauptete, es waͤre nichts als Selbſtliebe,
weil ich ihm ſo gerne zuhoͤrte. Sie be-
ſtrafte mich ganz ernſthaft uͤber dieſe An-
klage: „Lord Rich verehret Jhre edle
Wißbegierde, er ſucht ſie durch Mit-
theilung ſeiner Kenntniſſe zu befriedigen,
und ſeine Belohnung ſoll in dieſer beiſſen-
den Beſchuldigung beſtehen?“ — Jch
war geruͤhrt, weil ich nicht einmal das
Anſehen einer Ungerechtigkeit dulden kann,
und nun ſelbſt eine ausuͤbte; aber meine
Lady fuhr ganz guͤtig fort, mir viele Be-
weiſe ſeiner zaͤrtlichen Hochachtung zu wie-
derholen, die ich als wahre Kennzeichen

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M 3
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[181/0187] Herzen gelaſſen hat, denn er iſt ſeitdem mit aufgehender Sonne in unſerm Park, und beraubt mich der Morgenluft, weil ich ihn vermeiden will, da er eine An- foderung von Erſatz an mich zu machen ſcheint. Niemals, nein, niemals mehr werde ich den Witz um Huͤlfe bitten, mich aus einer Verwirrung zu reißen. Die Lady Summers hatte mit mir uͤber die an- gehende Liebe des Lords geſcherzt; ich wi- derſprach ihr lange in gleichem Ton, und behauptete, es waͤre nichts als Selbſtliebe, weil ich ihm ſo gerne zuhoͤrte. Sie be- ſtrafte mich ganz ernſthaft uͤber dieſe An- klage: „Lord Rich verehret Jhre edle Wißbegierde, er ſucht ſie durch Mit- theilung ſeiner Kenntniſſe zu befriedigen, und ſeine Belohnung ſoll in dieſer beiſſen- den Beſchuldigung beſtehen?“ — Jch war geruͤhrt, weil ich nicht einmal das Anſehen einer Ungerechtigkeit dulden kann, und nun ſelbſt eine ausuͤbte; aber meine Lady fuhr ganz guͤtig fort, mir viele Be- weiſe ſeiner zaͤrtlichen Hochachtung zu wie- derholen, die ich als wahre Kennzeichen der M 3

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/187>, abgerufen am 21.11.2024.