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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Schicksal hat mich durch die Hand der
Bosheit in den Staub geworfen; die
Menschenfreundlichkeit nahm mich auf;
an diese allein habe ich Ansprüche; meine
Leichtgläubigkeit hat mich aller übrigen
beraubet, und ich will kein fremdes, kein
unverdientes Gut an mich ziehen.



Madam Leidens
an
Emilia.

O meine Freundinn! ein neues uner-
wartetes Uebel drängt sich mir zu; Jch
zweifle, ob alle meine Standhaftigkeit hin-
reichen wird, es zu ertragen, da ich ohne-
hin gezwungen bin, zu meiner gehäßig-
sten Feindinn, der Verstellung, meine
Zuflucht zu nehmen. Aber weil in mei-
nen itzigen Umständen mehr Aufrichtigkeit
mir nichts nützen, und andern schaden
würde, so will ich den fressenden Kummer
in meine Brust verschließen, und selbst
für das Vergnügen des Urhebers meiner

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M 5

Schickſal hat mich durch die Hand der
Bosheit in den Staub geworfen; die
Menſchenfreundlichkeit nahm mich auf;
an dieſe allein habe ich Anſpruͤche; meine
Leichtglaͤubigkeit hat mich aller uͤbrigen
beraubet, und ich will kein fremdes, kein
unverdientes Gut an mich ziehen.



Madam Leidens
an
Emilia.

O meine Freundinn! ein neues uner-
wartetes Uebel draͤngt ſich mir zu; Jch
zweifle, ob alle meine Standhaftigkeit hin-
reichen wird, es zu ertragen, da ich ohne-
hin gezwungen bin, zu meiner gehaͤßig-
ſten Feindinn, der Verſtellung, meine
Zuflucht zu nehmen. Aber weil in mei-
nen itzigen Umſtaͤnden mehr Aufrichtigkeit
mir nichts nuͤtzen, und andern ſchaden
wuͤrde, ſo will ich den freſſenden Kummer
in meine Bruſt verſchließen, und ſelbſt
fuͤr das Vergnuͤgen des Urhebers meiner

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[185/0191] Schickſal hat mich durch die Hand der Bosheit in den Staub geworfen; die Menſchenfreundlichkeit nahm mich auf; an dieſe allein habe ich Anſpruͤche; meine Leichtglaͤubigkeit hat mich aller uͤbrigen beraubet, und ich will kein fremdes, kein unverdientes Gut an mich ziehen. Madam Leidens an Emilia. O meine Freundinn! ein neues uner- wartetes Uebel draͤngt ſich mir zu; Jch zweifle, ob alle meine Standhaftigkeit hin- reichen wird, es zu ertragen, da ich ohne- hin gezwungen bin, zu meiner gehaͤßig- ſten Feindinn, der Verſtellung, meine Zuflucht zu nehmen. Aber weil in mei- nen itzigen Umſtaͤnden mehr Aufrichtigkeit mir nichts nuͤtzen, und andern ſchaden wuͤrde, ſo will ich den freſſenden Kummer in meine Bruſt verſchließen, und ſelbſt fuͤr das Vergnuͤgen des Urhebers meiner Lei- M 5

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/191>, abgerufen am 21.11.2024.