indessen, o meine Freundinn, rette mein Andenken von der Schmach des Lasters! Sage: daß ich der Tugend getreu, aber unglücklich, in den Armen des bittersten Kummers, meine Seele voll kindlichen Vertrauens auf Gott, und voll Liebe gegen meine Mitgeschöpfe ihrem Schöpfer zurückgegeben, daß ich zärtlich meine Freunde gesegnet, und aufrichtig meinen Feinden vergeben habe. Pflanzen Sie, meine Liebe, in Jhrem Garten eine Cy- presse, um die ein einsamer Rosenstock sich winde, an einem nahen Felsstein. Weyhen Sie diesen Platz meinem Anden- ken; gehen Sie manchmal hin; vielleicht wird es mir erlaubt seyn, um Sie zu schweben, und die zärtliche Thräne zu sehen, mit der Sie die abfallende Blüthe der Rose betrachten werden. Sie haben auch mich blühen und welken gesehen; nur das letzte Neigen meines Hauptes und den letzten Seufzer meiner Brust entzog das Schicksal Jhrem Blick. -- Es ist gut, meine Emilia; du würdest zu viel leiden, wenn du mich sehen könn-
test.
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indeſſen, o meine Freundinn, rette mein Andenken von der Schmach des Laſters! Sage: daß ich der Tugend getreu, aber ungluͤcklich, in den Armen des bitterſten Kummers, meine Seele voll kindlichen Vertrauens auf Gott, und voll Liebe gegen meine Mitgeſchoͤpfe ihrem Schoͤpfer zuruͤckgegeben, daß ich zaͤrtlich meine Freunde geſegnet, und aufrichtig meinen Feinden vergeben habe. Pflanzen Sie, meine Liebe, in Jhrem Garten eine Cy- preſſe, um die ein einſamer Roſenſtock ſich winde, an einem nahen Felsſtein. Weyhen Sie dieſen Platz meinem Anden- ken; gehen Sie manchmal hin; vielleicht wird es mir erlaubt ſeyn, um Sie zu ſchweben, und die zaͤrtliche Thraͤne zu ſehen, mit der Sie die abfallende Bluͤthe der Roſe betrachten werden. Sie haben auch mich bluͤhen und welken geſehen; nur das letzte Neigen meines Hauptes und den letzten Seufzer meiner Bruſt entzog das Schickſal Jhrem Blick. — Es iſt gut, meine Emilia; du wuͤrdeſt zu viel leiden, wenn du mich ſehen koͤnn-
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indeſſen, o meine Freundinn, rette mein
Andenken von der Schmach des Laſters!
Sage: daß ich der Tugend getreu, aber
ungluͤcklich, in den Armen des bitterſten
Kummers, meine Seele voll kindlichen
Vertrauens auf Gott, und voll Liebe
gegen meine Mitgeſchoͤpfe ihrem Schoͤpfer
zuruͤckgegeben, daß ich zaͤrtlich meine
Freunde geſegnet, und aufrichtig meinen
Feinden vergeben habe. Pflanzen Sie,
meine Liebe, in Jhrem Garten eine Cy-
preſſe, um die ein einſamer Roſenſtock
ſich winde, an einem nahen Felsſtein.
Weyhen Sie dieſen Platz meinem Anden-
ken; gehen Sie manchmal hin; vielleicht
wird es mir erlaubt ſeyn, um Sie zu
ſchweben, und die zaͤrtliche Thraͤne zu
ſehen, mit der Sie die abfallende Bluͤthe
der Roſe betrachten werden. Sie haben
auch mich bluͤhen und welken geſehen;
nur das letzte Neigen meines Hauptes
und den letzten Seufzer meiner Bruſt
entzog das Schickſal Jhrem Blick. —
Es iſt gut, meine Emilia; du wuͤrdeſt
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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