Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

indessen, o meine Freundinn, rette mein
Andenken von der Schmach des Lasters!
Sage: daß ich der Tugend getreu, aber
unglücklich, in den Armen des bittersten
Kummers, meine Seele voll kindlichen
Vertrauens auf Gott, und voll Liebe
gegen meine Mitgeschöpfe ihrem Schöpfer
zurückgegeben, daß ich zärtlich meine
Freunde gesegnet, und aufrichtig meinen
Feinden vergeben habe. Pflanzen Sie,
meine Liebe, in Jhrem Garten eine Cy-
presse, um die ein einsamer Rosenstock
sich winde, an einem nahen Felsstein.
Weyhen Sie diesen Platz meinem Anden-
ken; gehen Sie manchmal hin; vielleicht
wird es mir erlaubt seyn, um Sie zu
schweben, und die zärtliche Thräne zu
sehen, mit der Sie die abfallende Blüthe
der Rose betrachten werden. Sie haben
auch mich blühen und welken gesehen;
nur das letzte Neigen meines Hauptes
und den letzten Seufzer meiner Brust
entzog das Schicksal Jhrem Blick. --
Es ist gut, meine Emilia; du würdest
zu viel leiden, wenn du mich sehen könn-

test.
Q 3

indeſſen, o meine Freundinn, rette mein
Andenken von der Schmach des Laſters!
Sage: daß ich der Tugend getreu, aber
ungluͤcklich, in den Armen des bitterſten
Kummers, meine Seele voll kindlichen
Vertrauens auf Gott, und voll Liebe
gegen meine Mitgeſchoͤpfe ihrem Schoͤpfer
zuruͤckgegeben, daß ich zaͤrtlich meine
Freunde geſegnet, und aufrichtig meinen
Feinden vergeben habe. Pflanzen Sie,
meine Liebe, in Jhrem Garten eine Cy-
preſſe, um die ein einſamer Roſenſtock
ſich winde, an einem nahen Felsſtein.
Weyhen Sie dieſen Platz meinem Anden-
ken; gehen Sie manchmal hin; vielleicht
wird es mir erlaubt ſeyn, um Sie zu
ſchweben, und die zaͤrtliche Thraͤne zu
ſehen, mit der Sie die abfallende Bluͤthe
der Roſe betrachten werden. Sie haben
auch mich bluͤhen und welken geſehen;
nur das letzte Neigen meines Hauptes
und den letzten Seufzer meiner Bruſt
entzog das Schickſal Jhrem Blick. —
Es iſt gut, meine Emilia; du wuͤrdeſt
zu viel leiden, wenn du mich ſehen koͤnn-

teſt.
Q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0251" n="245"/>
inde&#x017F;&#x017F;en, o meine Freundinn, rette mein<lb/>
Andenken von der Schmach des La&#x017F;ters!<lb/>
Sage: daß ich der Tugend getreu, aber<lb/>
unglu&#x0364;cklich, in den Armen des bitter&#x017F;ten<lb/>
Kummers, meine Seele voll kindlichen<lb/>
Vertrauens auf Gott, und voll Liebe<lb/>
gegen meine Mitge&#x017F;cho&#x0364;pfe ihrem Scho&#x0364;pfer<lb/>
zuru&#x0364;ckgegeben, daß ich za&#x0364;rtlich meine<lb/>
Freunde ge&#x017F;egnet, und aufrichtig meinen<lb/>
Feinden vergeben habe. Pflanzen Sie,<lb/>
meine Liebe, in Jhrem Garten eine Cy-<lb/>
pre&#x017F;&#x017F;e, um die ein ein&#x017F;amer Ro&#x017F;en&#x017F;tock<lb/>
&#x017F;ich winde, an einem nahen Fels&#x017F;tein.<lb/>
Weyhen Sie die&#x017F;en Platz meinem Anden-<lb/>
ken; gehen Sie manchmal hin; vielleicht<lb/>
wird es mir erlaubt &#x017F;eyn, um Sie zu<lb/>
&#x017F;chweben, und die za&#x0364;rtliche Thra&#x0364;ne zu<lb/>
&#x017F;ehen, mit der Sie die abfallende Blu&#x0364;the<lb/>
der Ro&#x017F;e betrachten werden. Sie haben<lb/><hi rendition="#fr">auch mich</hi> blu&#x0364;hen und welken ge&#x017F;ehen;<lb/>
nur das letzte Neigen meines Hauptes<lb/>
und den letzten Seufzer meiner Bru&#x017F;t<lb/>
entzog das Schick&#x017F;al Jhrem Blick. &#x2014;<lb/>
Es i&#x017F;t gut, meine Emilia; du wu&#x0364;rde&#x017F;t<lb/>
zu viel leiden, wenn du mich &#x017F;ehen ko&#x0364;nn-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 3</fw><fw place="bottom" type="catch">te&#x017F;t.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0251] indeſſen, o meine Freundinn, rette mein Andenken von der Schmach des Laſters! Sage: daß ich der Tugend getreu, aber ungluͤcklich, in den Armen des bitterſten Kummers, meine Seele voll kindlichen Vertrauens auf Gott, und voll Liebe gegen meine Mitgeſchoͤpfe ihrem Schoͤpfer zuruͤckgegeben, daß ich zaͤrtlich meine Freunde geſegnet, und aufrichtig meinen Feinden vergeben habe. Pflanzen Sie, meine Liebe, in Jhrem Garten eine Cy- preſſe, um die ein einſamer Roſenſtock ſich winde, an einem nahen Felsſtein. Weyhen Sie dieſen Platz meinem Anden- ken; gehen Sie manchmal hin; vielleicht wird es mir erlaubt ſeyn, um Sie zu ſchweben, und die zaͤrtliche Thraͤne zu ſehen, mit der Sie die abfallende Bluͤthe der Roſe betrachten werden. Sie haben auch mich bluͤhen und welken geſehen; nur das letzte Neigen meines Hauptes und den letzten Seufzer meiner Bruſt entzog das Schickſal Jhrem Blick. — Es iſt gut, meine Emilia; du wuͤrdeſt zu viel leiden, wenn du mich ſehen koͤnn- teſt. Q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/251
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/251>, abgerufen am 22.11.2024.