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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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zu seyn, weil ich ihnen sehr von der gro-
ßen Verantwortung sagte, die uns wegen
dem Gebrauch unsrer Vorzüge und unsrer
Gewalt über andere aufgelegt sey. Jhre
Begriffe von Glück, und ihre Wünsche
waren ohnehin begrenzt, und die kleinen
Prophezeyhungen, die ich, jeder nach ih-
rer Gemüthsart machen kann, vergnü-
gen sie ungemein; sie glauben, ich wisse
ihre Gedanken zu lesen. Jch zahle dem
Wirth ein Kostgeld für sie, und kaufe al-
les, was sie zu ihren Lehrarbeiten nöthig
haben. Jch halte ihnen Schreibe- und
Rechnungsstunden, und suche auch, ih-
nen einen Geschmack im Putz einer Dame
zu geben, besonders lehre ich sie alle Gat-
tung von Charakter zu kennen, und mit
guter Art zu ertragen. Die Wirthinn und
ihre Nichten sehen mich als ihren Engel
an, und würden alle Augenblicke vor mir
knien, und mir danken, wenn ich es dul-
den wollte. Süße glückliche Stunden,
die ich mit diesen Kindern hinbringe! Wie
oft erinnere ich mich an den Ausspruch
eines neuern Weisen, welcher sagte: "bist

"du


zu ſeyn, weil ich ihnen ſehr von der gro-
ßen Verantwortung ſagte, die uns wegen
dem Gebrauch unſrer Vorzuͤge und unſrer
Gewalt uͤber andere aufgelegt ſey. Jhre
Begriffe von Gluͤck, und ihre Wuͤnſche
waren ohnehin begrenzt, und die kleinen
Prophezeyhungen, die ich, jeder nach ih-
rer Gemuͤthsart machen kann, vergnuͤ-
gen ſie ungemein; ſie glauben, ich wiſſe
ihre Gedanken zu leſen. Jch zahle dem
Wirth ein Koſtgeld fuͤr ſie, und kaufe al-
les, was ſie zu ihren Lehrarbeiten noͤthig
haben. Jch halte ihnen Schreibe- und
Rechnungsſtunden, und ſuche auch, ih-
nen einen Geſchmack im Putz einer Dame
zu geben, beſonders lehre ich ſie alle Gat-
tung von Charakter zu kennen, und mit
guter Art zu ertragen. Die Wirthinn und
ihre Nichten ſehen mich als ihren Engel
an, und wuͤrden alle Augenblicke vor mir
knien, und mir danken, wenn ich es dul-
den wollte. Suͤße gluͤckliche Stunden,
die ich mit dieſen Kindern hinbringe! Wie
oft erinnere ich mich an den Ausſpruch
eines neuern Weiſen, welcher ſagte: „biſt

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[29/0035] zu ſeyn, weil ich ihnen ſehr von der gro- ßen Verantwortung ſagte, die uns wegen dem Gebrauch unſrer Vorzuͤge und unſrer Gewalt uͤber andere aufgelegt ſey. Jhre Begriffe von Gluͤck, und ihre Wuͤnſche waren ohnehin begrenzt, und die kleinen Prophezeyhungen, die ich, jeder nach ih- rer Gemuͤthsart machen kann, vergnuͤ- gen ſie ungemein; ſie glauben, ich wiſſe ihre Gedanken zu leſen. Jch zahle dem Wirth ein Koſtgeld fuͤr ſie, und kaufe al- les, was ſie zu ihren Lehrarbeiten noͤthig haben. Jch halte ihnen Schreibe- und Rechnungsſtunden, und ſuche auch, ih- nen einen Geſchmack im Putz einer Dame zu geben, beſonders lehre ich ſie alle Gat- tung von Charakter zu kennen, und mit guter Art zu ertragen. Die Wirthinn und ihre Nichten ſehen mich als ihren Engel an, und wuͤrden alle Augenblicke vor mir knien, und mir danken, wenn ich es dul- den wollte. Suͤße gluͤckliche Stunden, die ich mit dieſen Kindern hinbringe! Wie oft erinnere ich mich an den Ausſpruch eines neuern Weiſen, welcher ſagte: „biſt „du

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/35>, abgerufen am 21.11.2024.