Dieser Gedanke wurde nachher die Grundlage zu dem übrigen Theil ihres Schicksals. Denn eines dieser Mädchen, welches von einer der reichsten Frauen in der Gegend aus der Taufe gehoben wor- den, gieng zu ihrer Pathe, um ihr etwas von der erlernten Arbeit zu weisen. Diese Frau fragte nach der Lehrmeisterinn, und drang hernach in meinen Schwager, daß er die Madam Leidens zu ihr bringen möchte, um eine wohlthätige Schule in ihrem Hause zu errichten, und als Ge- sellschafterinn bey ihr zu leben. Meine Dame wollte es Anfangs nicht eingehen, indem sie fürchtete, zuviel bekannt zu werden; aber mein Schwager stellte ihr so eifrig vor, daß sie eine Gelegenheit ver- säume, viel Gutes zu thun, daß er sie end- lich überredte, zumal da sie dadurch das Haus ihrer Emilia zu erleichtern glaubte, wo sie befürchtete, Beschwerden zu ma- chen, ohngeachtet sie Kostgeld bezahlte.
Sie kleidete sich bloß in streifige Lein- wand, zu Leibkleidern gemacht mit großen weißen Schürzen, und Halstüchern, weil
ihr
Dieſer Gedanke wurde nachher die Grundlage zu dem uͤbrigen Theil ihres Schickſals. Denn eines dieſer Maͤdchen, welches von einer der reichſten Frauen in der Gegend aus der Taufe gehoben wor- den, gieng zu ihrer Pathe, um ihr etwas von der erlernten Arbeit zu weiſen. Dieſe Frau fragte nach der Lehrmeiſterinn, und drang hernach in meinen Schwager, daß er die Madam Leidens zu ihr bringen moͤchte, um eine wohlthaͤtige Schule in ihrem Hauſe zu errichten, und als Ge- ſellſchafterinn bey ihr zu leben. Meine Dame wollte es Anfangs nicht eingehen, indem ſie fuͤrchtete, zuviel bekannt zu werden; aber mein Schwager ſtellte ihr ſo eifrig vor, daß ſie eine Gelegenheit ver- ſaͤume, viel Gutes zu thun, daß er ſie end- lich uͤberredte, zumal da ſie dadurch das Haus ihrer Emilia zu erleichtern glaubte, wo ſie befuͤrchtete, Beſchwerden zu ma- chen, ohngeachtet ſie Koſtgeld bezahlte.
Sie kleidete ſich bloß in ſtreifige Lein- wand, zu Leibkleidern gemacht mit großen weißen Schuͤrzen, und Halstuͤchern, weil
ihr
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Dieſer Gedanke wurde nachher die
Grundlage zu dem uͤbrigen Theil ihres
Schickſals. Denn eines dieſer Maͤdchen,
welches von einer der reichſten Frauen in
der Gegend aus der Taufe gehoben wor-
den, gieng zu ihrer Pathe, um ihr etwas
von der erlernten Arbeit zu weiſen. Dieſe
Frau fragte nach der Lehrmeiſterinn, und
drang hernach in meinen Schwager, daß
er die Madam Leidens zu ihr bringen
moͤchte, um eine wohlthaͤtige Schule in
ihrem Hauſe zu errichten, und als Ge-
ſellſchafterinn bey ihr zu leben. Meine
Dame wollte es Anfangs nicht eingehen,
indem ſie fuͤrchtete, zuviel bekannt zu
werden; aber mein Schwager ſtellte ihr
ſo eifrig vor, daß ſie eine Gelegenheit ver-
ſaͤume, viel Gutes zu thun, daß er ſie end-
lich uͤberredte, zumal da ſie dadurch das
Haus ihrer Emilia zu erleichtern glaubte,
wo ſie befuͤrchtete, Beſchwerden zu ma-
chen, ohngeachtet ſie Koſtgeld bezahlte.
Sie kleidete ſich bloß in ſtreifige Lein-
wand, zu Leibkleidern gemacht mit großen
weißen Schuͤrzen, und Halstuͤchern, weil
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/72>, abgerufen am 21.11.2024.
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