[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771."des Grafen Löbau, allein von seinem "Liebling begleitet u. s. w. --" Mein Oheim erreichte seinen Zweck; die Sorge meiner Liebe verlor sich mit meiner Hoch- achtung, und mit der Hoffnung, die ich immer blindlings behalten hatte. Aber gleichgültig war ich noch nicht; meine See- le war durch das Andenken ihres Geistes und ihrer Tugend gekränkt. Wie glück- lich, o Gott, wie glücklich hätte sie mich machen können, (rief ich) wenn sie ihrer Erziehung und ihrer ersten Anlage getreu geblieben wäre! Ohne Erinnerung und Bestrafung wollt' ich sie nicht lassen, und der Maskenball dünkte mich ganz bequem zu meinem Vorhaben. Jch machte eine doppelte Maske. Jn der ersten wollt' ich mich noch von allem überzeugen, was mir von der Vergessenheit ihres Werths und ihrer Pflichten gesagt worden war. Sie kam von allen Grazien begleitet in den Saal; sie trug den Schmuck, wel- chen der Hofjuwelier dem Lord gewiesen hatte. Sie war so niederträchtig gefäl- lig, A 2
„des Grafen Loͤbau, allein von ſeinem „Liebling begleitet u. ſ. w. —“ Mein Oheim erreichte ſeinen Zweck; die Sorge meiner Liebe verlor ſich mit meiner Hoch- achtung, und mit der Hoffnung, die ich immer blindlings behalten hatte. Aber gleichguͤltig war ich noch nicht; meine See- le war durch das Andenken ihres Geiſtes und ihrer Tugend gekraͤnkt. Wie gluͤck- lich, o Gott, wie gluͤcklich haͤtte ſie mich machen koͤnnen, (rief ich) wenn ſie ihrer Erziehung und ihrer erſten Anlage getreu geblieben waͤre! Ohne Erinnerung und Beſtrafung wollt’ ich ſie nicht laſſen, und der Maskenball duͤnkte mich ganz bequem zu meinem Vorhaben. Jch machte eine doppelte Maske. Jn der erſten wollt’ ich mich noch von allem uͤberzeugen, was mir von der Vergeſſenheit ihres Werths und ihrer Pflichten geſagt worden war. Sie kam von allen Grazien begleitet in den Saal; ſie trug den Schmuck, wel- chen der Hofjuwelier dem Lord gewieſen hatte. Sie war ſo niedertraͤchtig gefaͤl- lig, A 2
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„der Fuͤrſt kaͤme Abends in den Garten
„des Grafen Loͤbau, allein von ſeinem
„Liebling begleitet u. ſ. w. —“ Mein
Oheim erreichte ſeinen Zweck; die Sorge
meiner Liebe verlor ſich mit meiner Hoch-
achtung, und mit der Hoffnung, die ich
immer blindlings behalten hatte. Aber
gleichguͤltig war ich noch nicht; meine See-
le war durch das Andenken ihres Geiſtes
und ihrer Tugend gekraͤnkt. Wie gluͤck-
lich, o Gott, wie gluͤcklich haͤtte ſie mich
machen koͤnnen, (rief ich) wenn ſie ihrer
Erziehung und ihrer erſten Anlage getreu
geblieben waͤre! Ohne Erinnerung und
Beſtrafung wollt’ ich ſie nicht laſſen, und
der Maskenball duͤnkte mich ganz bequem
zu meinem Vorhaben. Jch machte eine
doppelte Maske. Jn der erſten wollt’ ich
mich noch von allem uͤberzeugen, was
mir von der Vergeſſenheit ihres Werths
und ihrer Pflichten geſagt worden war.
Sie kam von allen Grazien begleitet in
den Saal; ſie trug den Schmuck, wel-
chen der Hofjuwelier dem Lord gewieſen
hatte. Sie war ſo niedertraͤchtig gefaͤl-
lig,
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