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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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Sie wissen, daß das neue Steuergesetz vom 1. Mai 1851
alle Einwohner der Monarchie, welche über tausend Thaler
Einkommen haben, der classificirten Einkommensteuer unter-
worfen hat.

Wieviel Personen glauben Sie nun wohl, sind in ganz
Preußen der classificirten Einkommensteuer unterworfen? Wieviel
Personen giebt es also in ganz Preußen, die ein Einkommen
von über 1000 Thaler haben?

Sie werden vielleicht staunen, meine Herren, aber die
Zahlen stehen officiell und authentisch fest. Sie sind in den
Mittheilungen des amtlichen statistischen Bureaus von dem
Chef desselben, dem vor Kurzem verstorbenen Geheimrath
Dieterici, Mitglied der Königl. Akademie der Wissenschaften,
nach den amtlichen Listen veröffentlicht worden, Bd. VII (Jahr-
gang 1854) p. 179 dieser Mittheilungen. 44,407 Personen *)
waren hiernach in ganz Preußen zur classificirten Einkommen-
steuer veranschlagt; in der ganzen Monarchie von über 17 Mil-
lionen Einwohnern hatten 44,407 Personen ein Einkommen
von über 1000 Thaler. Und von diesen 44,407 Personen standen
wieder 14,428, d. h. 32 Procent der ganzen Anzahl, auf der
untersten Steuerstufe, d. h. sie hatten ein Einkommen von
zwischen 1000 und 1200 Thlr., ein Einkommen, von dem ich
Jhnen selbst überlasse sich zu sagen, inwiefern es, da doch
davon in der Regel eine ganze Familie unterhalten werden muß,
auch nur bereits einen bescheidenen Grad von Wohlhabenheit
bezeichnet.

Man wird vielleicht geneigt sein, einzuwerfen, daß vor der
Steuer jeder gern sein Einkommen verberge und die Zahl der-
jenigen, welche über 1000 Thaler Einkommen haben, in der
Wirklichkeit daher größer sein müsse, als sie nach den amtlichen
Steuerlisten erscheine. Aber dieser Einwurf hat für unsern
Zweck kein Gewicht. Zunächst hat der Staat ein großes Jnter-
esse daran, nicht zu gering einzuschätzen, da es sich um seine

*) Man vergl. nun mit dieser officiellen Steuerliste und den nachfol-
genden genaueren Erörterungen bis p. 66 (vergl. noch p. 84 u. 85) die in
meinem "Antwortschreiben" p. 29 aus Bd. III u. IV des Dieterici'schen Stast.
Bureaus mitgetheilte Berechnung, nach welcher zwischen 89 und 96 Procent
in gedrückter, dürftiger Lage. Man wird daraus ersehen, auf welcher Unkunde
der Bevölkerung der Unglaube beruht, welchem diese Dieterici'sche Berechnung
im Publikum und bei verschiedenen Blättern begegnet ist.

Sie wiſſen, daß das neue Steuergeſetz vom 1. Mai 1851
alle Einwohner der Monarchie, welche über tauſend Thaler
Einkommen haben, der claſſificirten Einkommenſteuer unter-
worfen hat.

Wieviel Perſonen glauben Sie nun wohl, ſind in ganz
Preußen der claſſificirten Einkommenſteuer unterworfen? Wieviel
Perſonen giebt es alſo in ganz Preußen, die ein Einkommen
von über 1000 Thaler haben?

Sie werden vielleicht ſtaunen, meine Herren, aber die
Zahlen ſtehen officiell und authentiſch feſt. Sie ſind in den
Mittheilungen des amtlichen ſtatiſtiſchen Bureaus von dem
Chef deſſelben, dem vor Kurzem verſtorbenen Geheimrath
Dieterici, Mitglied der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften,
nach den amtlichen Liſten veröffentlicht worden, Bd. VII (Jahr-
gang 1854) p. 179 dieſer Mittheilungen. 44,407 Perſonen *)
waren hiernach in ganz Preußen zur claſſificirten Einkommen-
ſteuer veranſchlagt; in der ganzen Monarchie von über 17 Mil-
lionen Einwohnern hatten 44,407 Perſonen ein Einkommen
von über 1000 Thaler. Und von dieſen 44,407 Perſonen ſtanden
wieder 14,428, d. h. 32 Procent der ganzen Anzahl, auf der
unterſten Steuerſtufe, d. h. ſie hatten ein Einkommen von
zwiſchen 1000 und 1200 Thlr., ein Einkommen, von dem ich
Jhnen ſelbſt überlaſſe ſich zu ſagen, inwiefern es, da doch
davon in der Regel eine ganze Familie unterhalten werden muß,
auch nur bereits einen beſcheidenen Grad von Wohlhabenheit
bezeichnet.

Man wird vielleicht geneigt ſein, einzuwerfen, daß vor der
Steuer jeder gern ſein Einkommen verberge und die Zahl der-
jenigen, welche über 1000 Thaler Einkommen haben, in der
Wirklichkeit daher größer ſein müſſe, als ſie nach den amtlichen
Steuerliſten erſcheine. Aber dieſer Einwurf hat für unſern
Zweck kein Gewicht. Zunächſt hat der Staat ein großes Jnter-
eſſe daran, nicht zu gering einzuſchätzen, da es ſich um ſeine

*) Man vergl. nun mit dieſer officiellen Steuerliſte und den nachfol-
genden genaueren Erörterungen bis p. 66 (vergl. noch p. 84 u. 85) die in
meinem „Antwortſchreiben“ p. 29 aus Bd. III u. IV des Dieterici’ſchen Staſt.
Bureaus mitgetheilte Berechnung, nach welcher zwiſchen 89 und 96 Procent
in gedrückter, dürftiger Lage. Man wird daraus erſehen, auf welcher Unkunde
der Bevölkerung der Unglaube beruht, welchem dieſe Dieterici’ſche Berechnung
im Publikum und bei verſchiedenen Blättern begegnet iſt.
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[55/0061] Sie wiſſen, daß das neue Steuergeſetz vom 1. Mai 1851 alle Einwohner der Monarchie, welche über tauſend Thaler Einkommen haben, der claſſificirten Einkommenſteuer unter- worfen hat. Wieviel Perſonen glauben Sie nun wohl, ſind in ganz Preußen der claſſificirten Einkommenſteuer unterworfen? Wieviel Perſonen giebt es alſo in ganz Preußen, die ein Einkommen von über 1000 Thaler haben? Sie werden vielleicht ſtaunen, meine Herren, aber die Zahlen ſtehen officiell und authentiſch feſt. Sie ſind in den Mittheilungen des amtlichen ſtatiſtiſchen Bureaus von dem Chef deſſelben, dem vor Kurzem verſtorbenen Geheimrath Dieterici, Mitglied der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften, nach den amtlichen Liſten veröffentlicht worden, Bd. VII (Jahr- gang 1854) p. 179 dieſer Mittheilungen. 44,407 Perſonen *) waren hiernach in ganz Preußen zur claſſificirten Einkommen- ſteuer veranſchlagt; in der ganzen Monarchie von über 17 Mil- lionen Einwohnern hatten 44,407 Perſonen ein Einkommen von über 1000 Thaler. Und von dieſen 44,407 Perſonen ſtanden wieder 14,428, d. h. 32 Procent der ganzen Anzahl, auf der unterſten Steuerſtufe, d. h. ſie hatten ein Einkommen von zwiſchen 1000 und 1200 Thlr., ein Einkommen, von dem ich Jhnen ſelbſt überlaſſe ſich zu ſagen, inwiefern es, da doch davon in der Regel eine ganze Familie unterhalten werden muß, auch nur bereits einen beſcheidenen Grad von Wohlhabenheit bezeichnet. Man wird vielleicht geneigt ſein, einzuwerfen, daß vor der Steuer jeder gern ſein Einkommen verberge und die Zahl der- jenigen, welche über 1000 Thaler Einkommen haben, in der Wirklichkeit daher größer ſein müſſe, als ſie nach den amtlichen Steuerliſten erſcheine. Aber dieſer Einwurf hat für unſern Zweck kein Gewicht. Zunächſt hat der Staat ein großes Jnter- eſſe daran, nicht zu gering einzuſchätzen, da es ſich um ſeine *) Man vergl. nun mit dieſer officiellen Steuerliſte und den nachfol- genden genaueren Erörterungen bis p. 66 (vergl. noch p. 84 u. 85) die in meinem „Antwortſchreiben“ p. 29 aus Bd. III u. IV des Dieterici’ſchen Staſt. Bureaus mitgetheilte Berechnung, nach welcher zwiſchen 89 und 96 Procent in gedrückter, dürftiger Lage. Man wird daraus erſehen, auf welcher Unkunde der Bevölkerung der Unglaube beruht, welchem dieſe Dieterici’ſche Berechnung im Publikum und bei verſchiedenen Blättern begegnet iſt.

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/61>, abgerufen am 13.05.2024.