Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

alles dessen zu den höchlich Zufriedenen gehört, rief aus: "was,
das will uns Lassalle einreden? Wer trinkt die Chocolade bei
Stehely?"

Es ist wahr, meine Herren. Der Kommerzienrath und
seine Standesgenossen trinken die Chocolade bei Stehely.

Verweilen wir also einen Moment bei der Chocolade.

Nach Humboldt und Bonpland's großem Werke "Reise in
die Aequinoctialgegenden" T. III. p. 206 betrug damals -- 1818
-- die Einfuhr der Cacaobohnen für ganz Europa 23 Millionen
Pfund in einem Werthe von 7,360,000 Thlr. -- Davon kommt
der bei weitem größte Theil auf Spanien und Jtalien, wo die
Chocolade allgemein übliches Getränk ist. Jn den deutschen
Zollverein wurden im Jahr 1847 1,143,500 Pfund Cacao-
bohnen eingeführt.

Jn Preußen allein wurden, wie Dr. Mitscherlich in seiner
Monographie "Der Cacao und die Chocolade" p. 43 mittheilt,
im Jahre 1831 an 500,000 Pfund eingeführt. Der Einfuhrzoll
beträgt 61/2 Thlr. per Centner. Dies giebt also 32,500 Thlr.
Steuer
für die Gesammteinfuhr an Chocolade!

Sie sehen, meine Herren, wenn es ein Verdienst um den
pro 1855 108 Millionen betragenden Staatshaushaltsetat sein
soll, daß der Kommerzienrath mit seinen Standesgenossen allein
alle Chocolade bei Stehely trinkt, so ist es jedenfalls ein mit
unbewaffneten Augen nicht wahrnehmbares Verdienst!

Betrachten wir einige andere Gegenstände, welche zum aus-
schließlichen Consum der höheren Klassen gehören.

Austern und Seefische brachten im ganzen Zollverein
-- nicht in Preußen, sondern im ganzen Zollverein,
meine Herren -- wie Geheimrath Dieterici in den Mittheilungen
des statistischen Büreaus Bd. III. p. 110 publicirt, den Zoll-
ertrag von 13,000 Thalern ein!

Aber betrachten wir den gleichsam officiellen Hauptluxus-
consumtionsartikel der wohlhabenden Klassen, den Champagner!

Der Zollverein führt keine besonderen Listen über die Ein-
fuhr von Champagner. Nur das Hauptsteueramt in Berlin
zeichnet die in Berlin eingehenden Flaschen Champagner be-
sonders auf. Nun ist zu berücksichtigen, daß nach Berlin nicht
bloß der Champagner eingeführt wird, der hier getrunken wird,
sondern daß über Berlin auch fast die ganze Provinz und end-
lich auch Schlesien den größten Theil seines Champagners bezieht.

5 *

alles deſſen zu den höchlich Zufriedenen gehört, rief aus: „was,
das will uns Laſſalle einreden? Wer trinkt die Chocolade bei
Stehely?“

Es iſt wahr, meine Herren. Der Kommerzienrath und
ſeine Standesgenoſſen trinken die Chocolade bei Stehely.

Verweilen wir alſo einen Moment bei der Chocolade.

Nach Humboldt und Bonpland’s großem Werke „Reiſe in
die Aequinoctialgegenden“ T. III. p. 206 betrug damals — 1818
— die Einfuhr der Cacaobohnen für ganz Europa 23 Millionen
Pfund in einem Werthe von 7,360,000 Thlr. — Davon kommt
der bei weitem größte Theil auf Spanien und Jtalien, wo die
Chocolade allgemein übliches Getränk iſt. Jn den deutſchen
Zollverein wurden im Jahr 1847 1,143,500 Pfund Cacao-
bohnen eingeführt.

Jn Preußen allein wurden, wie Dr. Mitſcherlich in ſeiner
Monographie „Der Cacao und die Chocolade“ p. 43 mittheilt,
im Jahre 1831 an 500,000 Pfund eingeführt. Der Einfuhrzoll
beträgt 6½ Thlr. per Centner. Dies giebt alſo 32,500 Thlr.
Steuer
für die Geſammteinfuhr an Chocolade!

Sie ſehen, meine Herren, wenn es ein Verdienſt um den
pro 1855 108 Millionen betragenden Staatshaushaltsetat ſein
ſoll, daß der Kommerzienrath mit ſeinen Standesgenoſſen allein
alle Chocolade bei Stehely trinkt, ſo iſt es jedenfalls ein mit
unbewaffneten Augen nicht wahrnehmbares Verdienſt!

Betrachten wir einige andere Gegenſtände, welche zum aus-
ſchließlichen Conſum der höheren Klaſſen gehören.

Auſtern und Seefiſche brachten im ganzen Zollverein
— nicht in Preußen, ſondern im ganzen Zollverein,
meine Herren — wie Geheimrath Dieterici in den Mittheilungen
des ſtatiſtiſchen Büreaus Bd. III. p. 110 publicirt, den Zoll-
ertrag von 13,000 Thalern ein!

Aber betrachten wir den gleichſam officiellen Hauptluxus-
conſumtionsartikel der wohlhabenden Klaſſen, den Champagner!

Der Zollverein führt keine beſonderen Liſten über die Ein-
fuhr von Champagner. Nur das Hauptſteueramt in Berlin
zeichnet die in Berlin eingehenden Flaſchen Champagner be-
ſonders auf. Nun iſt zu berückſichtigen, daß nach Berlin nicht
bloß der Champagner eingeführt wird, der hier getrunken wird,
ſondern daß über Berlin auch faſt die ganze Provinz und end-
lich auch Schleſien den größten Theil ſeines Champagners bezieht.

5 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="67"/>
alles de&#x017F;&#x017F;en zu den höchlich Zufriedenen gehört, rief aus: &#x201E;was,<lb/>
das will uns La&#x017F;&#x017F;alle einreden? Wer trinkt die Chocolade bei<lb/>
Stehely?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t wahr, meine Herren. Der Kommerzienrath und<lb/>
&#x017F;eine Standesgeno&#x017F;&#x017F;en trinken die Chocolade bei Stehely.</p><lb/>
        <p>Verweilen wir al&#x017F;o einen Moment bei der Chocolade.</p><lb/>
        <p>Nach Humboldt und Bonpland&#x2019;s großem Werke &#x201E;Rei&#x017F;e in<lb/>
die Aequinoctialgegenden&#x201C; <hi rendition="#aq">T. III. p.</hi> 206 betrug damals &#x2014; 1818<lb/>
&#x2014; die Einfuhr der Cacaobohnen für ganz Europa 23 Millionen<lb/>
Pfund in einem Werthe von 7,360,000 Thlr. &#x2014; Davon kommt<lb/>
der bei weitem größte Theil auf Spanien und Jtalien, wo die<lb/>
Chocolade allgemein übliches Getränk i&#x017F;t. Jn den deut&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#g">Zollverein</hi> wurden im Jahr 1847 1,143,500 Pfund Cacao-<lb/>
bohnen eingeführt.</p><lb/>
        <p>Jn Preußen allein wurden, wie <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Mit&#x017F;cherlich in &#x017F;einer<lb/>
Monographie &#x201E;Der Cacao und die Chocolade&#x201C; <hi rendition="#aq">p.</hi> 43 mittheilt,<lb/>
im Jahre 1831 an 500,000 Pfund eingeführt. Der Einfuhrzoll<lb/>
beträgt 6½ Thlr. per Centner. Dies giebt al&#x017F;o 32,500 <hi rendition="#g">Thlr.<lb/>
Steuer</hi> für die Ge&#x017F;ammteinfuhr an Chocolade!</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;ehen, meine Herren, wenn es ein Verdien&#x017F;t um den<lb/>
pro 1855 108 Millionen betragenden Staatshaushaltsetat &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;oll, daß der Kommerzienrath mit &#x017F;einen Standesgeno&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">allein</hi><lb/>
alle Chocolade bei Stehely trinkt, &#x017F;o i&#x017F;t es jedenfalls ein mit<lb/>
unbewaffneten Augen nicht wahrnehmbares Verdien&#x017F;t!</p><lb/>
        <p>Betrachten wir einige andere Gegen&#x017F;tände, welche zum aus-<lb/>
&#x017F;chließlichen Con&#x017F;um der höheren Kla&#x017F;&#x017F;en gehören.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Au&#x017F;tern und Seefi&#x017F;che</hi> brachten im ganzen Zollverein<lb/>
&#x2014; nicht in <hi rendition="#g">Preußen,</hi> &#x017F;ondern im <hi rendition="#g">ganzen Zollverein,</hi><lb/>
meine Herren &#x2014; wie Geheimrath Dieterici in den Mittheilungen<lb/>
des &#x017F;tati&#x017F;ti&#x017F;chen Büreaus Bd. <hi rendition="#aq">III. p.</hi> 110 publicirt, den Zoll-<lb/>
ertrag von 13,000 <hi rendition="#g">Thalern</hi> ein!</p><lb/>
        <p>Aber betrachten wir den gleich&#x017F;am officiellen Hauptluxus-<lb/>
con&#x017F;umtionsartikel der wohlhabenden Kla&#x017F;&#x017F;en, den Champagner!</p><lb/>
        <p>Der Zollverein führt keine be&#x017F;onderen Li&#x017F;ten über die Ein-<lb/>
fuhr von Champagner. Nur das Haupt&#x017F;teueramt in Berlin<lb/>
zeichnet die in Berlin eingehenden Fla&#x017F;chen Champagner be-<lb/>
&#x017F;onders auf. Nun i&#x017F;t zu berück&#x017F;ichtigen, daß nach Berlin nicht<lb/>
bloß der Champagner eingeführt wird, der <hi rendition="#g">hier</hi> getrunken wird,<lb/>
&#x017F;ondern daß über Berlin auch fa&#x017F;t die ganze Provinz und end-<lb/>
lich auch Schle&#x017F;ien den größten Theil &#x017F;eines Champagners bezieht.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">5 *</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0073] alles deſſen zu den höchlich Zufriedenen gehört, rief aus: „was, das will uns Laſſalle einreden? Wer trinkt die Chocolade bei Stehely?“ Es iſt wahr, meine Herren. Der Kommerzienrath und ſeine Standesgenoſſen trinken die Chocolade bei Stehely. Verweilen wir alſo einen Moment bei der Chocolade. Nach Humboldt und Bonpland’s großem Werke „Reiſe in die Aequinoctialgegenden“ T. III. p. 206 betrug damals — 1818 — die Einfuhr der Cacaobohnen für ganz Europa 23 Millionen Pfund in einem Werthe von 7,360,000 Thlr. — Davon kommt der bei weitem größte Theil auf Spanien und Jtalien, wo die Chocolade allgemein übliches Getränk iſt. Jn den deutſchen Zollverein wurden im Jahr 1847 1,143,500 Pfund Cacao- bohnen eingeführt. Jn Preußen allein wurden, wie Dr. Mitſcherlich in ſeiner Monographie „Der Cacao und die Chocolade“ p. 43 mittheilt, im Jahre 1831 an 500,000 Pfund eingeführt. Der Einfuhrzoll beträgt 6½ Thlr. per Centner. Dies giebt alſo 32,500 Thlr. Steuer für die Geſammteinfuhr an Chocolade! Sie ſehen, meine Herren, wenn es ein Verdienſt um den pro 1855 108 Millionen betragenden Staatshaushaltsetat ſein ſoll, daß der Kommerzienrath mit ſeinen Standesgenoſſen allein alle Chocolade bei Stehely trinkt, ſo iſt es jedenfalls ein mit unbewaffneten Augen nicht wahrnehmbares Verdienſt! Betrachten wir einige andere Gegenſtände, welche zum aus- ſchließlichen Conſum der höheren Klaſſen gehören. Auſtern und Seefiſche brachten im ganzen Zollverein — nicht in Preußen, ſondern im ganzen Zollverein, meine Herren — wie Geheimrath Dieterici in den Mittheilungen des ſtatiſtiſchen Büreaus Bd. III. p. 110 publicirt, den Zoll- ertrag von 13,000 Thalern ein! Aber betrachten wir den gleichſam officiellen Hauptluxus- conſumtionsartikel der wohlhabenden Klaſſen, den Champagner! Der Zollverein führt keine beſonderen Liſten über die Ein- fuhr von Champagner. Nur das Hauptſteueramt in Berlin zeichnet die in Berlin eingehenden Flaſchen Champagner be- ſonders auf. Nun iſt zu berückſichtigen, daß nach Berlin nicht bloß der Champagner eingeführt wird, der hier getrunken wird, ſondern daß über Berlin auch faſt die ganze Provinz und end- lich auch Schleſien den größten Theil ſeines Champagners bezieht. 5 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/73
Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/73>, abgerufen am 13.05.2024.