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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Mutakallimun: Momentane Dauer.
und Gott schafft sie sofort wieder aufs neue. Sobald Gott
mit dieser Schöpfung der Zustände aufhört, verschwindet auch
die Existenz der Substanz. In dieser Behauptung von der
fortwährenden schöpferischen Thätigkeit Gottes schließt sich
das Endziel ihrer Beweise, die Loslösung der Natur von jedem
gesetzmäßigen Zusammenhange und die absolute Willkür
Gottes in voller Konsequenz mit ihrer atomistischen Fassung
der Zeit zusammen. In den Quellen1 wird als Grund für die
Annahme von der momentanen Dauer der Substanz (abgesehen
von dem Zweck, wozu sie dieselbe machen, nämlich um jedes
Naturgesetz aufzuheben) angegeben, daß sie es als eine im
Begriffe des Accidens, der zufälligen Eigenschaft liegende Sache
ansehen, nur einen Moment zu existieren, geschaffen zu werden
und zu verschwinden. Es würde, wenn man eine gewisse
Zeitdauer des Accidens zuließe, ein Grund für sein Verschwin-
den angegeben werden müssen und Gott dann entweder das
Nichtsein schaffen oder ein Kausalzusammenhang entstehen,
was von den Mutakallimun nicht zugegeben werden kann.
In der That wäre wohl auch die Diskontinuität der Zeit nicht
anders zu verstehen als unter Voraussetzung dieser punk-
tuellen Substanzialität. Denn wenn die Zeit nur aus einzelnen
Momenten besteht, so müssen doch diese einzelnen Momente
voneinander getrennt gedacht werden, wie die Raumatome
durch das Leere. Was aber kann hier das Trennende sein?
Ist das Zeitatom charakterisiert durch die Existenz der Sub-
stanz mit ihren Zuständen, so wird man folgerecht annehmen
müssen, daß die Intervalle zwischen den Zeitmomenten durch
die Nichtexistenz gebildet werden, gleichviel, ob hier die Pri-
vation genügt oder, wie die Mutakallimun annahmen, ein be-
sonderer Schöpfungsakt für das Nichts von Seiten Gottes nötig
ist. Die Kontinuität der Welt, die Dauer des Universums ist
nur ermöglicht durch eine unausgesetzte Erneuerung der
Schöpfung; es gibt eigentlich nicht eine Welt, sondern eine
unbestimmbare Anzahl zeitlich aufeinanderfolgender Welten,
die uns als eine einzige erscheinen; und es steht durchaus in

1 More p. 389, 390. -- Schmölders, Essai etc. p. 173. -- Averroes,
Destructio destructionis, Disput. metaphys. II. p. 72 b. 73. Disput. phys. IV. p.
352. Vgl. auch Ritter, Über unsre Kenntnis der arab. Philosophie etc. S. 32.

Mutakallimun: Momentane Dauer.
und Gott schafft sie sofort wieder aufs neue. Sobald Gott
mit dieser Schöpfung der Zustände aufhört, verschwindet auch
die Existenz der Substanz. In dieser Behauptung von der
fortwährenden schöpferischen Thätigkeit Gottes schließt sich
das Endziel ihrer Beweise, die Loslösung der Natur von jedem
gesetzmäßigen Zusammenhange und die absolute Willkür
Gottes in voller Konsequenz mit ihrer atomistischen Fassung
der Zeit zusammen. In den Quellen1 wird als Grund für die
Annahme von der momentanen Dauer der Substanz (abgesehen
von dem Zweck, wozu sie dieselbe machen, nämlich um jedes
Naturgesetz aufzuheben) angegeben, daß sie es als eine im
Begriffe des Accidens, der zufälligen Eigenschaft liegende Sache
ansehen, nur einen Moment zu existieren, geschaffen zu werden
und zu verschwinden. Es würde, wenn man eine gewisse
Zeitdauer des Accidens zuließe, ein Grund für sein Verschwin-
den angegeben werden müssen und Gott dann entweder das
Nichtsein schaffen oder ein Kausalzusammenhang entstehen,
was von den Mutakallimun nicht zugegeben werden kann.
In der That wäre wohl auch die Diskontinuität der Zeit nicht
anders zu verstehen als unter Voraussetzung dieser punk-
tuellen Substanzialität. Denn wenn die Zeit nur aus einzelnen
Momenten besteht, so müssen doch diese einzelnen Momente
voneinander getrennt gedacht werden, wie die Raumatome
durch das Leere. Was aber kann hier das Trennende sein?
Ist das Zeitatom charakterisiert durch die Existenz der Sub-
stanz mit ihren Zuständen, so wird man folgerecht annehmen
müssen, daß die Intervalle zwischen den Zeitmomenten durch
die Nichtexistenz gebildet werden, gleichviel, ob hier die Pri-
vation genügt oder, wie die Mutakallimun annahmen, ein be-
sonderer Schöpfungsakt für das Nichts von Seiten Gottes nötig
ist. Die Kontinuität der Welt, die Dauer des Universums ist
nur ermöglicht durch eine unausgesetzte Erneuerung der
Schöpfung; es gibt eigentlich nicht eine Welt, sondern eine
unbestimmbare Anzahl zeitlich aufeinanderfolgender Welten,
die uns als eine einzige erscheinen; und es steht durchaus in

1 More p. 389, 390. — Schmölders, Essai etc. p. 173. — Averroes,
Destructio destructionis, Disput. metaphys. II. p. 72 b. 73. Disput. phys. IV. p.
352. Vgl. auch Ritter, Über unsre Kenntnis der arab. Philosophie etc. S. 32.
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[142/0160] Mutakallimun: Momentane Dauer. und Gott schafft sie sofort wieder aufs neue. Sobald Gott mit dieser Schöpfung der Zustände aufhört, verschwindet auch die Existenz der Substanz. In dieser Behauptung von der fortwährenden schöpferischen Thätigkeit Gottes schließt sich das Endziel ihrer Beweise, die Loslösung der Natur von jedem gesetzmäßigen Zusammenhange und die absolute Willkür Gottes in voller Konsequenz mit ihrer atomistischen Fassung der Zeit zusammen. In den Quellen 1 wird als Grund für die Annahme von der momentanen Dauer der Substanz (abgesehen von dem Zweck, wozu sie dieselbe machen, nämlich um jedes Naturgesetz aufzuheben) angegeben, daß sie es als eine im Begriffe des Accidens, der zufälligen Eigenschaft liegende Sache ansehen, nur einen Moment zu existieren, geschaffen zu werden und zu verschwinden. Es würde, wenn man eine gewisse Zeitdauer des Accidens zuließe, ein Grund für sein Verschwin- den angegeben werden müssen und Gott dann entweder das Nichtsein schaffen oder ein Kausalzusammenhang entstehen, was von den Mutakallimun nicht zugegeben werden kann. In der That wäre wohl auch die Diskontinuität der Zeit nicht anders zu verstehen als unter Voraussetzung dieser punk- tuellen Substanzialität. Denn wenn die Zeit nur aus einzelnen Momenten besteht, so müssen doch diese einzelnen Momente voneinander getrennt gedacht werden, wie die Raumatome durch das Leere. Was aber kann hier das Trennende sein? Ist das Zeitatom charakterisiert durch die Existenz der Sub- stanz mit ihren Zuständen, so wird man folgerecht annehmen müssen, daß die Intervalle zwischen den Zeitmomenten durch die Nichtexistenz gebildet werden, gleichviel, ob hier die Pri- vation genügt oder, wie die Mutakallimun annahmen, ein be- sonderer Schöpfungsakt für das Nichts von Seiten Gottes nötig ist. Die Kontinuität der Welt, die Dauer des Universums ist nur ermöglicht durch eine unausgesetzte Erneuerung der Schöpfung; es gibt eigentlich nicht eine Welt, sondern eine unbestimmbare Anzahl zeitlich aufeinanderfolgender Welten, die uns als eine einzige erscheinen; und es steht durchaus in 1 More p. 389, 390. — Schmölders, Essai etc. p. 173. — Averroes, Destructio destructionis, Disput. metaphys. II. p. 72 b. 73. Disput. phys. IV. p. 352. Vgl. auch Ritter, Über unsre Kenntnis der arab. Philosophie etc. S. 32.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/160>, abgerufen am 04.12.2024.