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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Ibn Gabirol: Subsistenz der Begriffe.
Trägerin der Verschiedenheit, sie ist in jedem Dinge Ursache
seines Wesens und Namens.1 Diese allgemeine Materie besitzt
als solche keine Form; dagegen sind die Formen Grund der
Verschiedenheit der Dinge, die sichtbaren Formen bedingen
die Verschiedenheit in der Körperwelt, die unsichtbaren die
im Bereich des Geistes.2 Alle Begriffe werden von Ibn Gabirol
hypostasiert; jeder Begriff mit Ausnahme des der allgemeinsten
Materie haftet an einem (subsistiert in einem) andren, an ihm
selbst haften wieder andre Begriffe; allen Begriffen wird demnach
die Eigenschaft der Subsistenz als eine gemeinschaftliche beigelegt
und real gefaßt, und diese reale Subsistenz ist eben die allgemeine
Materie, an welcher alle Dinge haften. Außer dieser, welche
nur in sich selbst subsistiert, haben alle andern Begriffe eine
doppelte Beziehung; sie bestimmen ein Allgemeineres, an
welchem sie haften, und werden ihrerseits durch ein Spezielleres
bestimmt, das in ihnen subsistiert. Für das Allgemeinere, das
sie durch ihre Eigenart bestimmen, sind sie Form, für das
Speziellere, durch welches sie bestimmt werden, bilden sie die
Materie; und so ergibt sich eine Reihe der Begriffe, vom
höchsten und allgemeinsten bis zum niedrigsten fortschreitend,
in welcher jeder zugleich Materie und Form ist.3 Durch nach-
stehendes Schema wird darzustellen versucht, wie die Subsistenz-
reihe sich nach Ibn Gabirol für den physischen Einzelkörper
gestaltet.4

[Abbildung] Schema der Subsistenz der Begriffe für den physischen Einzelkörper
nach Ibn Gabirol.
1 Extraits de la source de vie de Sal. Ibn Gabirol, I, 6. Munk, Melanges
etc. p. 7.
2 A. a. O. I, 7. p. 8.
3 A. a. O. II, 1. p. 11.
4 A. a. O.
I, 9. II, 1. II, 3. II, 23.

Ibn Gabirol: Subsistenz der Begriffe.
Trägerin der Verschiedenheit, sie ist in jedem Dinge Ursache
seines Wesens und Namens.1 Diese allgemeine Materie besitzt
als solche keine Form; dagegen sind die Formen Grund der
Verschiedenheit der Dinge, die sichtbaren Formen bedingen
die Verschiedenheit in der Körperwelt, die unsichtbaren die
im Bereich des Geistes.2 Alle Begriffe werden von Ibn Gabirol
hypostasiert; jeder Begriff mit Ausnahme des der allgemeinsten
Materie haftet an einem (subsistiert in einem) andren, an ihm
selbst haften wieder andre Begriffe; allen Begriffen wird demnach
die Eigenschaft der Subsistenz als eine gemeinschaftliche beigelegt
und real gefaßt, und diese reale Subsistenz ist eben die allgemeine
Materie, an welcher alle Dinge haften. Außer dieser, welche
nur in sich selbst subsistiert, haben alle andern Begriffe eine
doppelte Beziehung; sie bestimmen ein Allgemeineres, an
welchem sie haften, und werden ihrerseits durch ein Spezielleres
bestimmt, das in ihnen subsistiert. Für das Allgemeinere, das
sie durch ihre Eigenart bestimmen, sind sie Form, für das
Speziellere, durch welches sie bestimmt werden, bilden sie die
Materie; und so ergibt sich eine Reihe der Begriffe, vom
höchsten und allgemeinsten bis zum niedrigsten fortschreitend,
in welcher jeder zugleich Materie und Form ist.3 Durch nach-
stehendes Schema wird darzustellen versucht, wie die Subsistenz-
reihe sich nach Ibn Gabirol für den physischen Einzelkörper
gestaltet.4

[Abbildung] Schema der Subsistenz der Begriffe für den physischen Einzelkörper
nach Ibn Gabirol.
1 Extraits de la source de vie de Sal. Ibn Gabirol, I, 6. Munk, Mélanges
etc. p. 7.
2 A. a. O. I, 7. p. 8.
3 A. a. O. II, 1. p. 11.
4 A. a. O.
I, 9. II, 1. II, 3. II, 23.
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[164/0182] Ibn Gabirol: Subsistenz der Begriffe. Trägerin der Verschiedenheit, sie ist in jedem Dinge Ursache seines Wesens und Namens. 1 Diese allgemeine Materie besitzt als solche keine Form; dagegen sind die Formen Grund der Verschiedenheit der Dinge, die sichtbaren Formen bedingen die Verschiedenheit in der Körperwelt, die unsichtbaren die im Bereich des Geistes. 2 Alle Begriffe werden von Ibn Gabirol hypostasiert; jeder Begriff mit Ausnahme des der allgemeinsten Materie haftet an einem (subsistiert in einem) andren, an ihm selbst haften wieder andre Begriffe; allen Begriffen wird demnach die Eigenschaft der Subsistenz als eine gemeinschaftliche beigelegt und real gefaßt, und diese reale Subsistenz ist eben die allgemeine Materie, an welcher alle Dinge haften. Außer dieser, welche nur in sich selbst subsistiert, haben alle andern Begriffe eine doppelte Beziehung; sie bestimmen ein Allgemeineres, an welchem sie haften, und werden ihrerseits durch ein Spezielleres bestimmt, das in ihnen subsistiert. Für das Allgemeinere, das sie durch ihre Eigenart bestimmen, sind sie Form, für das Speziellere, durch welches sie bestimmt werden, bilden sie die Materie; und so ergibt sich eine Reihe der Begriffe, vom höchsten und allgemeinsten bis zum niedrigsten fortschreitend, in welcher jeder zugleich Materie und Form ist. 3 Durch nach- stehendes Schema wird darzustellen versucht, wie die Subsistenz- reihe sich nach Ibn Gabirol für den physischen Einzelkörper gestaltet. 4 [Abbildung Schema der Subsistenz der Begriffe für den physischen Einzelkörper nach Ibn Gabirol.] 1 Extraits de la source de vie de Sal. Ibn Gabirol, I, 6. Munk, Mélanges etc. p. 7. 2 A. a. O. I, 7. p. 8. 3 A. a. O. II, 1. p. 11. 4 A. a. O. I, 9. II, 1. II, 3. II, 23.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/182>, abgerufen am 04.12.2024.