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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Alhazen.
3. Die Physik.

Die astronomischen Leistungen der Araber dürfen hier
übergangen werden. Dagegen könnte man vermuten, in der
Optik ein Feld anzutreffen, das auch zu theoretischen Fort-
schritten in der Erkenntnis des Wesens der Körper Veran-
lassung geben dürfte. Dazu war jedoch aristotelischer Einfluß
bei den Arabern schon zu mächtig geworden. Ihr bedeutendster
Schriftsteller im Fache der Optik ist Abu Ali al Hasan ibn
al Hasan ibn Alhaitam
(+ 1038), im Abendlande Alhazen ge-
nannt, dessen Optik, 1269 von Witelo übersetzt, daselbst lange
Geltung besaß und von Risner 1572 durch den Druck ver-
öffentlicht wurde.1 Der Fortschritt seiner Optik besteht
Ptolemäos gegenüber in der Einsicht, daß das Sehen durch
Strahlen geschieht, welche nicht vom Auge ausgehen, sondern
in dasselbe eindringen (wie auch Aristoteles im Gegensatze
zu Platon lehrte), sowie in dem Nachweis, daß Einfalls- und
Brechungswinkel nicht proportional sind; Euklid gegenüber
darin, daß nicht nur einer, sondern unzählige Strahlen von
jedem Punkte des Objekts ausgehen. Auch leugnet Alhazen
die momentane Fortpflanzung des Lichtes. Der ganze Cha-
rakter seiner Optik ist jedoch der geometrische der späteren
griechischen Physik und allein vom mathematischen Interesse
beherrscht. Daher findet sich in derselben keine Spur einer
Theorie des Lichtes, welche auf die Theorie der Materie
zurückwiese. Man könnte derartiges am ehesten bei der Erklärung
der Durchsichtigkeit erwarten, weil diese Frage bei Aristoteles
ein Gegenstand des Streites mit den Atomisten war, welche
die Durchsichtigkeit der Körper mit Hilfe der Poren erklärten.
Aber Alhazen gibt als Grund der Durchsichtigkeit nur an,
daß die Form des Lichtes und der Farbe durch den durch-
sichtigen Körper hindurchgeht, durch den undurchsichtigen aber
nicht, und zwar deshalb, weil der durchsichtige Körper die
Form des Lichtes und der Farbe aufnimmt und sie den Teilen

1 Alhazeni Opticae Thesaurus. Basil. 1572. Fol. -- Vgl. Cantor, I S. 677.
Poggendorff, Gesch. d. Phys. S. 73. Rosenberger, I S. 78 f. -- Über das
Psychologische s. Siebeck, Zur Psychologie der Scholastik. Arch. f. Gesch. d.
Phil.
1889. II p. 415 ff.
Alhazen.
3. Die Physik.

Die astronomischen Leistungen der Araber dürfen hier
übergangen werden. Dagegen könnte man vermuten, in der
Optik ein Feld anzutreffen, das auch zu theoretischen Fort-
schritten in der Erkenntnis des Wesens der Körper Veran-
lassung geben dürfte. Dazu war jedoch aristotelischer Einfluß
bei den Arabern schon zu mächtig geworden. Ihr bedeutendster
Schriftsteller im Fache der Optik ist Abu Ali al Hasan ibn
al Hasan ibn Alhaitam
(† 1038), im Abendlande Alhazen ge-
nannt, dessen Optik, 1269 von Witelo übersetzt, daselbst lange
Geltung besaß und von Risner 1572 durch den Druck ver-
öffentlicht wurde.1 Der Fortschritt seiner Optik besteht
Ptolemäos gegenüber in der Einsicht, daß das Sehen durch
Strahlen geschieht, welche nicht vom Auge ausgehen, sondern
in dasselbe eindringen (wie auch Aristoteles im Gegensatze
zu Platon lehrte), sowie in dem Nachweis, daß Einfalls- und
Brechungswinkel nicht proportional sind; Euklid gegenüber
darin, daß nicht nur einer, sondern unzählige Strahlen von
jedem Punkte des Objekts ausgehen. Auch leugnet Alhazen
die momentane Fortpflanzung des Lichtes. Der ganze Cha-
rakter seiner Optik ist jedoch der geometrische der späteren
griechischen Physik und allein vom mathematischen Interesse
beherrscht. Daher findet sich in derselben keine Spur einer
Theorie des Lichtes, welche auf die Theorie der Materie
zurückwiese. Man könnte derartiges am ehesten bei der Erklärung
der Durchsichtigkeit erwarten, weil diese Frage bei Aristoteles
ein Gegenstand des Streites mit den Atomisten war, welche
die Durchsichtigkeit der Körper mit Hilfe der Poren erklärten.
Aber Alhazen gibt als Grund der Durchsichtigkeit nur an,
daß die Form des Lichtes und der Farbe durch den durch-
sichtigen Körper hindurchgeht, durch den undurchsichtigen aber
nicht, und zwar deshalb, weil der durchsichtige Körper die
Form des Lichtes und der Farbe aufnimmt und sie den Teilen

1 Alhazeni Opticae Thesaurus. Basil. 1572. Fol. — Vgl. Cantor, I S. 677.
Poggendorff, Gesch. d. Phys. S. 73. Rosenberger, I S. 78 f. — Über das
Psychologische s. Siebeck, Zur Psychologie der Scholastik. Arch. f. Gesch. d.
Phil.
1889. II p. 415 ff.
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[222/0240] Alhazen. 3. Die Physik. Die astronomischen Leistungen der Araber dürfen hier übergangen werden. Dagegen könnte man vermuten, in der Optik ein Feld anzutreffen, das auch zu theoretischen Fort- schritten in der Erkenntnis des Wesens der Körper Veran- lassung geben dürfte. Dazu war jedoch aristotelischer Einfluß bei den Arabern schon zu mächtig geworden. Ihr bedeutendster Schriftsteller im Fache der Optik ist Abu Ali al Hasan ibn al Hasan ibn Alhaitam († 1038), im Abendlande Alhazen ge- nannt, dessen Optik, 1269 von Witelo übersetzt, daselbst lange Geltung besaß und von Risner 1572 durch den Druck ver- öffentlicht wurde. 1 Der Fortschritt seiner Optik besteht Ptolemäos gegenüber in der Einsicht, daß das Sehen durch Strahlen geschieht, welche nicht vom Auge ausgehen, sondern in dasselbe eindringen (wie auch Aristoteles im Gegensatze zu Platon lehrte), sowie in dem Nachweis, daß Einfalls- und Brechungswinkel nicht proportional sind; Euklid gegenüber darin, daß nicht nur einer, sondern unzählige Strahlen von jedem Punkte des Objekts ausgehen. Auch leugnet Alhazen die momentane Fortpflanzung des Lichtes. Der ganze Cha- rakter seiner Optik ist jedoch der geometrische der späteren griechischen Physik und allein vom mathematischen Interesse beherrscht. Daher findet sich in derselben keine Spur einer Theorie des Lichtes, welche auf die Theorie der Materie zurückwiese. Man könnte derartiges am ehesten bei der Erklärung der Durchsichtigkeit erwarten, weil diese Frage bei Aristoteles ein Gegenstand des Streites mit den Atomisten war, welche die Durchsichtigkeit der Körper mit Hilfe der Poren erklärten. Aber Alhazen gibt als Grund der Durchsichtigkeit nur an, daß die Form des Lichtes und der Farbe durch den durch- sichtigen Körper hindurchgeht, durch den undurchsichtigen aber nicht, und zwar deshalb, weil der durchsichtige Körper die Form des Lichtes und der Farbe aufnimmt und sie den Teilen 1 Alhazeni Opticae Thesaurus. Basil. 1572. Fol. — Vgl. Cantor, I S. 677. Poggendorff, Gesch. d. Phys. S. 73. Rosenberger, I S. 78 f. — Über das Psychologische s. Siebeck, Zur Psychologie der Scholastik. Arch. f. Gesch. d. Phil. 1889. II p. 415 ff.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/240>, abgerufen am 25.11.2024.