Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Chemiker. Ärzte.
die Erweiterung des empirischen Wissens, da sie sich, wie
bereits angedeutet, auf eigentliche Theorien der Materie nicht
einläßt. Abu Bekr al Razi (Rhases), Ibn Sina (Avicenna),
Abul-Casim al Zahrawi (Albucasis)
sind die am häufigsten
genannten Namen von Chemikern.

In das Gebiet der Chemie gehört zwar die Frage nach
der Existenz der Bestandteile in den Verbindungen, aber die-
selbe ist so rein theoretischer Natur, daß sie hauptsächlich von
den Philosophen abgehandelt wird, da ihre Lösung von der
Bedeutung des Begriffs der "Form" abhängt und von der
aristotelischen Physik ihren Ursprung nimmt. Der großen
Wichtigkeit wegen, welche dieselbe für die Geschichte der
Atomistik hat, ist sie in besonderem Kapitel zu besprechen.

Zunächst haben wir noch einen Blick auf die Geschichte
der Medizin bei den Arabern zu werfen.

5. Die Medizin.

Die Medizin hat einen analogen Entwickelungsgang wie
die übrigen Wissenschaften bei den Arabern durchgemacht,
welche neben einem theoretischen Teile eine die Araber be-
sonders interessierende praktische Bedeutung haben. In letz-
terer Hinsicht mit Eifer ergriffen, ausgebaut und den neuen
Verhältnissen angepaßt, empfing die Heilkunde bei den Arabern
doch ihre wissenschaftliche Form von den Griechen, und gerade
der hier in Betracht kommende theoretische Teil derselben
schließt sich an die auch in der arabischen Philosophie herr-
schende peripatetische Richtung an. Es genügt, aus der un-
gemein großen Anzahl der uns überlieferten Namen arabischer
Ärzte1 einen einzigen Mann hervorzuheben, den berühmtesten
unter allen, Ibn Sina (Avicenna), der uns schon als Anhänger
des Aristoteles bekannt ist.2 Wie Aristoteles in der Philo-
sophie, so blieb Avicenna während des ganzen Mittelalters
Alleinherrscher in der Medizin, und sein großes systematisches
Werk Al-Kanaun fi't-Tib (Canon medicinae) wurde in der That
die Richtschnur, nach welcher die Ärzte Jahrhunderte hindurch
sich bildeten.

1 S. Wüstenfeld u. Leclerc.
2 Vgl. S. 170.

Chemiker. Ärzte.
die Erweiterung des empirischen Wissens, da sie sich, wie
bereits angedeutet, auf eigentliche Theorien der Materie nicht
einläßt. Abu Bekr al Razi (Rhases), Ibn Sina (Avicenna),
Abul-Casim al Zahrawi (Albucasis)
sind die am häufigsten
genannten Namen von Chemikern.

In das Gebiet der Chemie gehört zwar die Frage nach
der Existenz der Bestandteile in den Verbindungen, aber die-
selbe ist so rein theoretischer Natur, daß sie hauptsächlich von
den Philosophen abgehandelt wird, da ihre Lösung von der
Bedeutung des Begriffs der „Form‟ abhängt und von der
aristotelischen Physik ihren Ursprung nimmt. Der großen
Wichtigkeit wegen, welche dieselbe für die Geschichte der
Atomistik hat, ist sie in besonderem Kapitel zu besprechen.

Zunächst haben wir noch einen Blick auf die Geschichte
der Medizin bei den Arabern zu werfen.

5. Die Medizin.

Die Medizin hat einen analogen Entwickelungsgang wie
die übrigen Wissenschaften bei den Arabern durchgemacht,
welche neben einem theoretischen Teile eine die Araber be-
sonders interessierende praktische Bedeutung haben. In letz-
terer Hinsicht mit Eifer ergriffen, ausgebaut und den neuen
Verhältnissen angepaßt, empfing die Heilkunde bei den Arabern
doch ihre wissenschaftliche Form von den Griechen, und gerade
der hier in Betracht kommende theoretische Teil derselben
schließt sich an die auch in der arabischen Philosophie herr-
schende peripatetische Richtung an. Es genügt, aus der un-
gemein großen Anzahl der uns überlieferten Namen arabischer
Ärzte1 einen einzigen Mann hervorzuheben, den berühmtesten
unter allen, Ibn Sina (Avicenna), der uns schon als Anhänger
des Aristoteles bekannt ist.2 Wie Aristoteles in der Philo-
sophie, so blieb Avicenna während des ganzen Mittelalters
Alleinherrscher in der Medizin, und sein großes systematisches
Werk Al-Kanûn fi’t-Tib (Canon medicinae) wurde in der That
die Richtschnur, nach welcher die Ärzte Jahrhunderte hindurch
sich bildeten.

1 S. Wüstenfeld u. Leclerc.
2 Vgl. S. 170.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0246" n="228"/><fw place="top" type="header">Chemiker. Ärzte.</fw><lb/>
die Erweiterung des empirischen Wissens, da sie sich, wie<lb/>
bereits angedeutet, auf eigentliche Theorien der Materie nicht<lb/>
einläßt. <hi rendition="#k">Abu Bekr al Razi (Rhases), Ibn Sina (Avicenna),<lb/>
Abul-Casim al Zahrawi (Albucasis)</hi> sind die am häufigsten<lb/>
genannten Namen von Chemikern.</p><lb/>
            <p>In das Gebiet der Chemie gehört zwar die Frage nach<lb/>
der Existenz der Bestandteile in den Verbindungen, aber die-<lb/>
selbe ist so rein theoretischer Natur, daß sie hauptsächlich von<lb/>
den Philosophen abgehandelt wird, da ihre Lösung von der<lb/>
Bedeutung des Begriffs der &#x201E;Form&#x201F; abhängt und von der<lb/>
aristotelischen Physik ihren Ursprung nimmt. Der großen<lb/>
Wichtigkeit wegen, welche dieselbe für die Geschichte der<lb/>
Atomistik hat, ist sie in besonderem Kapitel zu besprechen.</p><lb/>
            <p>Zunächst haben wir noch einen Blick auf die Geschichte<lb/>
der Medizin bei den Arabern zu werfen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">5. Die Medizin.</hi> </head><lb/>
            <p>Die Medizin hat einen analogen Entwickelungsgang wie<lb/>
die übrigen Wissenschaften bei den Arabern durchgemacht,<lb/>
welche neben einem theoretischen Teile eine die Araber be-<lb/>
sonders interessierende praktische Bedeutung haben. In letz-<lb/>
terer Hinsicht mit Eifer ergriffen, ausgebaut und den neuen<lb/>
Verhältnissen angepaßt, empfing die Heilkunde bei den Arabern<lb/>
doch ihre wissenschaftliche Form von den Griechen, und gerade<lb/>
der hier in Betracht kommende theoretische Teil derselben<lb/>
schließt sich an die auch in der arabischen Philosophie herr-<lb/>
schende peripatetische Richtung an. Es genügt, aus der un-<lb/>
gemein großen Anzahl der uns überlieferten Namen arabischer<lb/>
Ärzte<note place="foot" n="1">S. <hi rendition="#k">Wüstenfeld</hi> u. <hi rendition="#k">Leclerc</hi>.</note> einen einzigen Mann hervorzuheben, den berühmtesten<lb/>
unter allen, <hi rendition="#k">Ibn Sina (Avicenna)</hi>, der uns schon als Anhänger<lb/>
des <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> bekannt ist.<note place="foot" n="2">Vgl. S. 170.</note> Wie <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> in der Philo-<lb/>
sophie, so blieb <hi rendition="#k">Avicenna</hi> während des ganzen Mittelalters<lb/>
Alleinherrscher in der Medizin, und sein großes systematisches<lb/>
Werk <hi rendition="#i">Al-Kanûn fi&#x2019;t-Tib (Canon medicinae)</hi> wurde in der That<lb/>
die Richtschnur, nach welcher die Ärzte Jahrhunderte hindurch<lb/>
sich bildeten.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0246] Chemiker. Ärzte. die Erweiterung des empirischen Wissens, da sie sich, wie bereits angedeutet, auf eigentliche Theorien der Materie nicht einläßt. Abu Bekr al Razi (Rhases), Ibn Sina (Avicenna), Abul-Casim al Zahrawi (Albucasis) sind die am häufigsten genannten Namen von Chemikern. In das Gebiet der Chemie gehört zwar die Frage nach der Existenz der Bestandteile in den Verbindungen, aber die- selbe ist so rein theoretischer Natur, daß sie hauptsächlich von den Philosophen abgehandelt wird, da ihre Lösung von der Bedeutung des Begriffs der „Form‟ abhängt und von der aristotelischen Physik ihren Ursprung nimmt. Der großen Wichtigkeit wegen, welche dieselbe für die Geschichte der Atomistik hat, ist sie in besonderem Kapitel zu besprechen. Zunächst haben wir noch einen Blick auf die Geschichte der Medizin bei den Arabern zu werfen. 5. Die Medizin. Die Medizin hat einen analogen Entwickelungsgang wie die übrigen Wissenschaften bei den Arabern durchgemacht, welche neben einem theoretischen Teile eine die Araber be- sonders interessierende praktische Bedeutung haben. In letz- terer Hinsicht mit Eifer ergriffen, ausgebaut und den neuen Verhältnissen angepaßt, empfing die Heilkunde bei den Arabern doch ihre wissenschaftliche Form von den Griechen, und gerade der hier in Betracht kommende theoretische Teil derselben schließt sich an die auch in der arabischen Philosophie herr- schende peripatetische Richtung an. Es genügt, aus der un- gemein großen Anzahl der uns überlieferten Namen arabischer Ärzte 1 einen einzigen Mann hervorzuheben, den berühmtesten unter allen, Ibn Sina (Avicenna), der uns schon als Anhänger des Aristoteles bekannt ist. 2 Wie Aristoteles in der Philo- sophie, so blieb Avicenna während des ganzen Mittelalters Alleinherrscher in der Medizin, und sein großes systematisches Werk Al-Kanûn fi’t-Tib (Canon medicinae) wurde in der That die Richtschnur, nach welcher die Ärzte Jahrhunderte hindurch sich bildeten. 1 S. Wüstenfeld u. Leclerc. 2 Vgl. S. 170.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/246
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/246>, abgerufen am 25.11.2024.