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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Paracelsus.
Welt als belebt,1 alle Körper und Elemente sind mit Geistern
angefüllt. Von innen heraus entwickeln sich die Naturwesen,
in sich tragen sie ihre Besamung. Alle Neubildung wird ein-
geleitet durch die Fäulung; Zersetzung ist die notwendige
Bedingung zur Entwickelung.2

Gegenüber den Schriften des Basilius zeigt sich Paracelsus
durchaus als der genialere und originellere Denker. Aber in
der Geschichte der Körperlehre könnte es scheinen, als ent-
halte die Substanzlehre des Basilius erst die Vorstufe zu der-
jenigen des Paracelsus. Paracelsus gibt nämlich nicht nur
eine viel bestimmtere Darlegung über die Art und Weise, in
welcher die Grundsubstanzen die einzelnen Eigenschaften der
Körper bedingen, sondern vor allem leitet er die chemischen
Grundsubstanzen nicht mehr aus den aristotelischen Elementen
ab, während dies bei Basilius noch der Fall ist. Dies ist der
entscheidende Fortschritt. Man darf jedoch daraus nicht
schließen, daß Paracelsus historisch der spätere sei. Vielmehr
muß man in Basilius eine Abschwächung der paracelsischen
Reformation erblicken; die elementarische Zusammensetzung
der Grundsubstanzen erschien wahrscheinlich dem unter dem
Einflusse gelehrterer Bildung stehenden Herausgeber als eine
Verbesserung der Ansichten des Paracelsus zu Gunsten der
Versöhnung mit Aristoteles.

6. Paracelsus.

Der Arzt Philippus Theophrastus von Hohenheim, Aureolus
von sich selbst, Bombastus nach seinem Großvater genannt,
latinisiert Paracelsus (1473--1541), tritt mit Energie der Auto-
rität des Galenus und der Araber in der Medizin entgegen.
Nicht aus ihren Schriften, sondern aus der Natur, die nur
durch eigene Erfahrung erforscht werden kann, soll der Arzt
lernen; nur die Natur ist ohne Falsch. Auch Aristoteles gilt
ihm nichts; er ist nur der Schwamm, der am Baum der Philo-
sophie gewachsen ist, und vieles Gute, das Platon, den er

1 A. a. O. S. 311.
2 A. a. O. S. 57. -- T. II, c. 5, S. 31 findet sich der Ausdruck Atomi
als Bezeichnung ganz feiner Teilchen.

Paracelsus.
Welt als belebt,1 alle Körper und Elemente sind mit Geistern
angefüllt. Von innen heraus entwickeln sich die Naturwesen,
in sich tragen sie ihre Besamung. Alle Neubildung wird ein-
geleitet durch die Fäulung; Zersetzung ist die notwendige
Bedingung zur Entwickelung.2

Gegenüber den Schriften des Basilius zeigt sich Paracelsus
durchaus als der genialere und originellere Denker. Aber in
der Geschichte der Körperlehre könnte es scheinen, als ent-
halte die Substanzlehre des Basilius erst die Vorstufe zu der-
jenigen des Paracelsus. Paracelsus gibt nämlich nicht nur
eine viel bestimmtere Darlegung über die Art und Weise, in
welcher die Grundsubstanzen die einzelnen Eigenschaften der
Körper bedingen, sondern vor allem leitet er die chemischen
Grundsubstanzen nicht mehr aus den aristotelischen Elementen
ab, während dies bei Basilius noch der Fall ist. Dies ist der
entscheidende Fortschritt. Man darf jedoch daraus nicht
schließen, daß Paracelsus historisch der spätere sei. Vielmehr
muß man in Basilius eine Abschwächung der paracelsischen
Reformation erblicken; die elementarische Zusammensetzung
der Grundsubstanzen erschien wahrscheinlich dem unter dem
Einflusse gelehrterer Bildung stehenden Herausgeber als eine
Verbesserung der Ansichten des Paracelsus zu Gunsten der
Versöhnung mit Aristoteles.

6. Paracelsus.

Der Arzt Philippus Theophrastus von Hohenheim, Aureolus
von sich selbst, Bombastus nach seinem Großvater genannt,
latinisiert Paracelsus (1473—1541), tritt mit Energie der Auto-
rität des Galenus und der Araber in der Medizin entgegen.
Nicht aus ihren Schriften, sondern aus der Natur, die nur
durch eigene Erfahrung erforscht werden kann, soll der Arzt
lernen; nur die Natur ist ohne Falsch. Auch Aristoteles gilt
ihm nichts; er ist nur der Schwamm, der am Baum der Philo-
sophie gewachsen ist, und vieles Gute, das Platon, den er

1 A. a. O. S. 311.
2 A. a. O. S. 57. — T. II, c. 5, S. 31 findet sich der Ausdruck Atomi
als Bezeichnung ganz feiner Teilchen.
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[298/0316] Paracelsus. Welt als belebt, 1 alle Körper und Elemente sind mit Geistern angefüllt. Von innen heraus entwickeln sich die Naturwesen, in sich tragen sie ihre Besamung. Alle Neubildung wird ein- geleitet durch die Fäulung; Zersetzung ist die notwendige Bedingung zur Entwickelung. 2 Gegenüber den Schriften des Basilius zeigt sich Paracelsus durchaus als der genialere und originellere Denker. Aber in der Geschichte der Körperlehre könnte es scheinen, als ent- halte die Substanzlehre des Basilius erst die Vorstufe zu der- jenigen des Paracelsus. Paracelsus gibt nämlich nicht nur eine viel bestimmtere Darlegung über die Art und Weise, in welcher die Grundsubstanzen die einzelnen Eigenschaften der Körper bedingen, sondern vor allem leitet er die chemischen Grundsubstanzen nicht mehr aus den aristotelischen Elementen ab, während dies bei Basilius noch der Fall ist. Dies ist der entscheidende Fortschritt. Man darf jedoch daraus nicht schließen, daß Paracelsus historisch der spätere sei. Vielmehr muß man in Basilius eine Abschwächung der paracelsischen Reformation erblicken; die elementarische Zusammensetzung der Grundsubstanzen erschien wahrscheinlich dem unter dem Einflusse gelehrterer Bildung stehenden Herausgeber als eine Verbesserung der Ansichten des Paracelsus zu Gunsten der Versöhnung mit Aristoteles. 6. Paracelsus. Der Arzt Philippus Theophrastus von Hohenheim, Aureolus von sich selbst, Bombastus nach seinem Großvater genannt, latinisiert Paracelsus (1473—1541), tritt mit Energie der Auto- rität des Galenus und der Araber in der Medizin entgegen. Nicht aus ihren Schriften, sondern aus der Natur, die nur durch eigene Erfahrung erforscht werden kann, soll der Arzt lernen; nur die Natur ist ohne Falsch. Auch Aristoteles gilt ihm nichts; er ist nur der Schwamm, der am Baum der Philo- sophie gewachsen ist, und vieles Gute, das Platon, den er 1 A. a. O. S. 311. 2 A. a. O. S. 57. — T. II, c. 5, S. 31 findet sich der Ausdruck Atomi als Bezeichnung ganz feiner Teilchen.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/316>, abgerufen am 21.11.2024.