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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Elementenlehre: Bodin.
Eine andre Auffassung über die Luft findet sich bei
dem als Verteidiger der Toleranz bekannten Jean Bodin
(1530--1596 oder 1597), welcher noch weiterhin als Vertreter
atomistischer Ansichten zu nennen sein wird. Bodin lehrt,
daß die Luft nicht warm und feucht, sondern im Gegenteil
trocken nnd sehr kalt, das kälteste der Elemente sei, indem er
sich dabei ausdrücklich auf Galen und die Stoiker beruft. Die
Vierzahl der Elemente behält er bei; aber da jedem Elemente
eine Eigenschaft im höchsten Grade zukäme, der Erde die
Trockenheit, dem Feuer die Hitze, dem Wasser die Feuchtig-
keit, so bleibe nur übrig, daß die Luft das kälteste Element
sei.1 Dies wird auch durch Erfahrungsgründe zu stützen ver-
sucht. Von diesen vier Eigenschaften haben zwei, nämlich
Wärme und Feuchtigkeit, die Eigentümlichkeit, daß sie den-
jenigen Elementen, welchen sie im höchsten Grade zukommen,
zugleich wesentlich sind; Feuer und Wasser würden auf-
hören zu existieren, wenn sie ihre Wärme und Feuchtigkeit
verlören. Der Luft dagegen schadet der Verlust der Kälte
nichts, und die Erde wird sogar durch Verlust der Trocken-
heit fruchtbarer. Von der Wärme unterscheidet sich die
Feuchtigkeit noch besonders dadurch, daß sie nicht bloß wie
diese eine Eigenschaft der Körper ist, sondern eine körper-
liche Substanz,
welche das Gewicht der Körper vermehrt
und ihre räumliche Ausdehnung vergrößert; sie ist nichts Ab-
straktes, sondern etwas Konkretes.2

Durch diese Unterscheidung führt Bodin einen andren
Begriff unter dem Namen humidum ein, als die aristotelische
Definition von # besagt. Nach Aristoteles3 heißt "flüssig"
dasjenige, was durch eine ihm selbst eigene Grenze nicht ab-
gegrenzt werden kann, während es durch andres leicht be-
grenzbar ist. Der Gegensatz dazu ist das Trockene; letzteres
aber hat allerdings noch einen zweiten Gegensatz, das Nasse
(#), das Aristoteles als dasjenige definiert, "was eine
fremde Flüssigkeit an seiner Oberfläche hat."4 Diese zweite
Eigenschaft, oder vielmehr die Fähigkeit, sie hervorzubringen,

1 Joan. Bodinus, Universae naturae theatrum. Hanoviae 1605. Die Vor-
rede ist vom 25. Febr. 1596 datiert. Lib. 2. p. 155--157.
2 A. a. O. p. 182.
3 De gen. II, 2. p. 329b.
4 A. a. O. p. 330a.

Elementenlehre: Bodin.
Eine andre Auffassung über die Luft findet sich bei
dem als Verteidiger der Toleranz bekannten Jean Bodin
(1530—1596 oder 1597), welcher noch weiterhin als Vertreter
atomistischer Ansichten zu nennen sein wird. Bodin lehrt,
daß die Luft nicht warm und feucht, sondern im Gegenteil
trocken nnd sehr kalt, das kälteste der Elemente sei, indem er
sich dabei ausdrücklich auf Galen und die Stoiker beruft. Die
Vierzahl der Elemente behält er bei; aber da jedem Elemente
eine Eigenschaft im höchsten Grade zukäme, der Erde die
Trockenheit, dem Feuer die Hitze, dem Wasser die Feuchtig-
keit, so bleibe nur übrig, daß die Luft das kälteste Element
sei.1 Dies wird auch durch Erfahrungsgründe zu stützen ver-
sucht. Von diesen vier Eigenschaften haben zwei, nämlich
Wärme und Feuchtigkeit, die Eigentümlichkeit, daß sie den-
jenigen Elementen, welchen sie im höchsten Grade zukommen,
zugleich wesentlich sind; Feuer und Wasser würden auf-
hören zu existieren, wenn sie ihre Wärme und Feuchtigkeit
verlören. Der Luft dagegen schadet der Verlust der Kälte
nichts, und die Erde wird sogar durch Verlust der Trocken-
heit fruchtbarer. Von der Wärme unterscheidet sich die
Feuchtigkeit noch besonders dadurch, daß sie nicht bloß wie
diese eine Eigenschaft der Körper ist, sondern eine körper-
liche Substanz,
welche das Gewicht der Körper vermehrt
und ihre räumliche Ausdehnung vergrößert; sie ist nichts Ab-
straktes, sondern etwas Konkretes.2

Durch diese Unterscheidung führt Bodin einen andren
Begriff unter dem Namen humidum ein, als die aristotelische
Definition von # besagt. Nach Aristoteles3 heißt „flüssig‟
dasjenige, was durch eine ihm selbst eigene Grenze nicht ab-
gegrenzt werden kann, während es durch andres leicht be-
grenzbar ist. Der Gegensatz dazu ist das Trockene; letzteres
aber hat allerdings noch einen zweiten Gegensatz, das Nasse
(#), das Aristoteles als dasjenige definiert, „was eine
fremde Flüssigkeit an seiner Oberfläche hat.‟4 Diese zweite
Eigenschaft, oder vielmehr die Fähigkeit, sie hervorzubringen,

1 Joan. Bodinus, Universae naturae theatrum. Hanoviae 1605. Die Vor-
rede ist vom 25. Febr. 1596 datiert. Lib. 2. p. 155—157.
2 A. a. O. p. 182.
3 De gen. II, 2. p. 329b.
4 A. a. O. p. 330a.
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[326/0344] Elementenlehre: Bodin. Eine andre Auffassung über die Luft findet sich bei dem als Verteidiger der Toleranz bekannten Jean Bodin (1530—1596 oder 1597), welcher noch weiterhin als Vertreter atomistischer Ansichten zu nennen sein wird. Bodin lehrt, daß die Luft nicht warm und feucht, sondern im Gegenteil trocken nnd sehr kalt, das kälteste der Elemente sei, indem er sich dabei ausdrücklich auf Galen und die Stoiker beruft. Die Vierzahl der Elemente behält er bei; aber da jedem Elemente eine Eigenschaft im höchsten Grade zukäme, der Erde die Trockenheit, dem Feuer die Hitze, dem Wasser die Feuchtig- keit, so bleibe nur übrig, daß die Luft das kälteste Element sei. 1 Dies wird auch durch Erfahrungsgründe zu stützen ver- sucht. Von diesen vier Eigenschaften haben zwei, nämlich Wärme und Feuchtigkeit, die Eigentümlichkeit, daß sie den- jenigen Elementen, welchen sie im höchsten Grade zukommen, zugleich wesentlich sind; Feuer und Wasser würden auf- hören zu existieren, wenn sie ihre Wärme und Feuchtigkeit verlören. Der Luft dagegen schadet der Verlust der Kälte nichts, und die Erde wird sogar durch Verlust der Trocken- heit fruchtbarer. Von der Wärme unterscheidet sich die Feuchtigkeit noch besonders dadurch, daß sie nicht bloß wie diese eine Eigenschaft der Körper ist, sondern eine körper- liche Substanz, welche das Gewicht der Körper vermehrt und ihre räumliche Ausdehnung vergrößert; sie ist nichts Ab- straktes, sondern etwas Konkretes. 2 Durch diese Unterscheidung führt Bodin einen andren Begriff unter dem Namen humidum ein, als die aristotelische Definition von # besagt. Nach Aristoteles 3 heißt „flüssig‟ dasjenige, was durch eine ihm selbst eigene Grenze nicht ab- gegrenzt werden kann, während es durch andres leicht be- grenzbar ist. Der Gegensatz dazu ist das Trockene; letzteres aber hat allerdings noch einen zweiten Gegensatz, das Nasse (#), das Aristoteles als dasjenige definiert, „was eine fremde Flüssigkeit an seiner Oberfläche hat.‟ 4 Diese zweite Eigenschaft, oder vielmehr die Fähigkeit, sie hervorzubringen, 1 Joan. Bodinus, Universae naturae theatrum. Hanoviae 1605. Die Vor- rede ist vom 25. Febr. 1596 datiert. Lib. 2. p. 155—157. 2 A. a. O. p. 182. 3 De gen. II, 2. p. 329b. 4 A. a. O. p. 330a.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/344>, abgerufen am 22.11.2024.