Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Unverwandelbarkeit der Elemente: D'Espagnet.
und feuchten (humida) Körpern unterscheiden; die erstere
Eigenschaft kommt der Luft, die zweite dagegen dem Wasser
zu (c. 75), vom welchem sich ein großer Teil oben in der Luft
aufhält (c. 72). Die Luft ist also nicht feucht, sondern
nur flüssig. Die Region in der Nähe des Mondes ist nicht feurig,
sondern luftartig (c. 80), Luft und Himmel sind ein und
dasselbe,
die gesamte Luft ist der Himmel (c. 77). Die
Elemente sind nicht, wie Aristoteles lehrt, einander entgegen-
gesetzt, sondern seitdem die ersten welterzeugenden Gegen-
sätze von Licht und Finsternis sich bekämpft haben, sind die
Eigenschaften in ihrem Gegensatze gemildert und ausgesöhnt
und wirken aufeinander durch die Liebe, welche der Genius
der Natur ist (c. 94, 96, 102). Die Wirksamkeit der Natur
vergleicht d'Espagnet auch mit der Töpferkunst, die vier ele-
mentarischen Grundeigenschaften sind die Töpferscheiben, durch
deren Umdrehung die Dinge bearbeitet werden (c. 109); es ist
dies eine Vorstellung, welche besonders in seinem alchymistischen
Werke wiederkehrt.1 Wie d'Espagnet den Himmel ebenfalls
aus einem Elemente, wenn auch spiritueller Natur, nämlich der
Luft bestehen läßt, so nimmt er auch keinen Anstand zu er-
klären, daß die Erde ebenso konstant und unveränderlich ist,
wie der Himmel (c. 126).

Keins der Elemente läßt sich in das andre verwandeln.
Insbesondere sind Wasser und Luft (diese ist coelestisch)
durchaus voneinander verschieden, und nie geht das eine in
das andre über (c. 127). Durch Verdünnung wird das Wasser
zu Dampf, steigt in die Höhe und wird vielmehr in die Luft
erhoben als in sie verwandelt, der entstandene Dampf aber
wird verdichtet und fällt wieder, zu Wasser aufgelöst, herab
(c. 128). Die Natur selbst wird belebt durch einen von den
höheren Naturen in die niederen herabströmenden Lebensgeist
(spiritus vivificus), welcher das lebenerregende Ferment (fer-
mentum) ist (c. 149).

Wir begegnen ferner bei d'Espagnet dem Versuche, die
Grundsubstanzen der Chemiker der Elementenlehre streng ein-

1 Arcanum Hermeticae Philosophiae Opus. Mir liegt die lat. Ausgabe
Genev. 1653, 8, und eine deutsche Übersetzung, Leipzig 1685, 8, vor. Die erste
Ausgabe erschien Paris 1638.

Unverwandelbarkeit der Elemente: D’Espagnet.
und feuchten (humida) Körpern unterscheiden; die erstere
Eigenschaft kommt der Luft, die zweite dagegen dem Wasser
zu (c. 75), vom welchem sich ein großer Teil oben in der Luft
aufhält (c. 72). Die Luft ist also nicht feucht, sondern
nur flüssig. Die Region in der Nähe des Mondes ist nicht feurig,
sondern luftartig (c. 80), Luft und Himmel sind ein und
dasselbe,
die gesamte Luft ist der Himmel (c. 77). Die
Elemente sind nicht, wie Aristoteles lehrt, einander entgegen-
gesetzt, sondern seitdem die ersten welterzeugenden Gegen-
sätze von Licht und Finsternis sich bekämpft haben, sind die
Eigenschaften in ihrem Gegensatze gemildert und ausgesöhnt
und wirken aufeinander durch die Liebe, welche der Genius
der Natur ist (c. 94, 96, 102). Die Wirksamkeit der Natur
vergleicht d’Espagnet auch mit der Töpferkunst, die vier ele-
mentarischen Grundeigenschaften sind die Töpferscheiben, durch
deren Umdrehung die Dinge bearbeitet werden (c. 109); es ist
dies eine Vorstellung, welche besonders in seinem alchymistischen
Werke wiederkehrt.1 Wie d’Espagnet den Himmel ebenfalls
aus einem Elemente, wenn auch spiritueller Natur, nämlich der
Luft bestehen läßt, so nimmt er auch keinen Anstand zu er-
klären, daß die Erde ebenso konstant und unveränderlich ist,
wie der Himmel (c. 126).

Keins der Elemente läßt sich in das andre verwandeln.
Insbesondere sind Wasser und Luft (diese ist coelestisch)
durchaus voneinander verschieden, und nie geht das eine in
das andre über (c. 127). Durch Verdünnung wird das Wasser
zu Dampf, steigt in die Höhe und wird vielmehr in die Luft
erhoben als in sie verwandelt, der entstandene Dampf aber
wird verdichtet und fällt wieder, zu Wasser aufgelöst, herab
(c. 128). Die Natur selbst wird belebt durch einen von den
höheren Naturen in die niederen herabströmenden Lebensgeist
(spiritus vivificus), welcher das lebenerregende Ferment (fer-
mentum) ist (c. 149).

Wir begegnen ferner bei d’Espagnet dem Versuche, die
Grundsubstanzen der Chemiker der Elementenlehre streng ein-

1 Arcanum Hermeticae Philosophiae Opus. Mir liegt die lat. Ausgabe
Genev. 1653, 8, und eine deutsche Übersetzung, Leipzig 1685, 8, vor. Die erste
Ausgabe erschien Paris 1638.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0354" n="336"/><fw place="top" type="header">Unverwandelbarkeit der Elemente: <hi rendition="#k">D&#x2019;Espagnet</hi>.</fw><lb/>
und feuchten (humida) Körpern unterscheiden; die erstere<lb/>
Eigenschaft kommt der <hi rendition="#g">Luft,</hi> die zweite dagegen dem Wasser<lb/>
zu (c. 75), vom welchem sich ein großer Teil oben in der Luft<lb/>
aufhält (c. 72). Die Luft ist also <hi rendition="#g">nicht feucht,</hi> sondern<lb/>
nur flüssig. Die Region in der Nähe des Mondes ist nicht feurig,<lb/>
sondern luftartig (c. 80), <hi rendition="#g">Luft und Himmel sind ein und<lb/>
dasselbe,</hi> die gesamte Luft ist der Himmel (c. 77). Die<lb/>
Elemente sind nicht, wie <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> lehrt, einander entgegen-<lb/>
gesetzt, sondern seitdem die ersten welterzeugenden Gegen-<lb/>
sätze von Licht und Finsternis sich bekämpft haben, sind die<lb/>
Eigenschaften in ihrem Gegensatze gemildert und ausgesöhnt<lb/>
und wirken aufeinander durch die Liebe, welche der Genius<lb/>
der Natur ist (c. 94, 96, 102). Die Wirksamkeit der Natur<lb/>
vergleicht <hi rendition="#k">d&#x2019;Espagnet</hi> auch mit der Töpferkunst, die vier ele-<lb/>
mentarischen Grundeigenschaften sind die Töpferscheiben, durch<lb/>
deren Umdrehung die Dinge bearbeitet werden (c. 109); es ist<lb/>
dies eine Vorstellung, welche besonders in seinem alchymistischen<lb/>
Werke wiederkehrt.<note place="foot" n="1"><hi rendition="#i">Arcanum Hermeticae Philosophiae Opus.</hi> Mir liegt die lat. Ausgabe<lb/>
Genev. 1653, 8, und eine deutsche Übersetzung, Leipzig 1685, 8, vor. Die erste<lb/>
Ausgabe erschien Paris 1638.</note> Wie <hi rendition="#k">d&#x2019;Espagnet</hi> den Himmel ebenfalls<lb/>
aus einem Elemente, wenn auch spiritueller Natur, nämlich der<lb/>
Luft bestehen läßt, so nimmt er auch keinen Anstand zu er-<lb/>
klären, daß die Erde ebenso konstant und unveränderlich ist,<lb/>
wie der Himmel (c. 126).</p><lb/>
            <p>Keins der Elemente läßt sich in das andre verwandeln.<lb/>
Insbesondere sind <hi rendition="#g">Wasser</hi> und <hi rendition="#g">Luft</hi> (diese ist coelestisch)<lb/>
durchaus voneinander verschieden, und nie geht das eine in<lb/>
das andre über (c. 127). Durch Verdünnung wird das Wasser<lb/>
zu Dampf, steigt in die Höhe und wird vielmehr in die Luft<lb/>
erhoben als in sie verwandelt, der entstandene Dampf aber<lb/>
wird verdichtet und fällt wieder, zu Wasser aufgelöst, herab<lb/>
(c. 128). Die Natur selbst wird belebt durch einen von den<lb/>
höheren Naturen in die niederen herabströmenden Lebensgeist<lb/>
(spiritus vivificus), welcher das lebenerregende Ferment (fer-<lb/>
mentum) ist (c. 149).</p><lb/>
            <p>Wir begegnen ferner bei <hi rendition="#k">d&#x2019;Espagnet</hi> dem Versuche, die<lb/>
Grundsubstanzen der Chemiker der Elementenlehre streng ein-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0354] Unverwandelbarkeit der Elemente: D’Espagnet. und feuchten (humida) Körpern unterscheiden; die erstere Eigenschaft kommt der Luft, die zweite dagegen dem Wasser zu (c. 75), vom welchem sich ein großer Teil oben in der Luft aufhält (c. 72). Die Luft ist also nicht feucht, sondern nur flüssig. Die Region in der Nähe des Mondes ist nicht feurig, sondern luftartig (c. 80), Luft und Himmel sind ein und dasselbe, die gesamte Luft ist der Himmel (c. 77). Die Elemente sind nicht, wie Aristoteles lehrt, einander entgegen- gesetzt, sondern seitdem die ersten welterzeugenden Gegen- sätze von Licht und Finsternis sich bekämpft haben, sind die Eigenschaften in ihrem Gegensatze gemildert und ausgesöhnt und wirken aufeinander durch die Liebe, welche der Genius der Natur ist (c. 94, 96, 102). Die Wirksamkeit der Natur vergleicht d’Espagnet auch mit der Töpferkunst, die vier ele- mentarischen Grundeigenschaften sind die Töpferscheiben, durch deren Umdrehung die Dinge bearbeitet werden (c. 109); es ist dies eine Vorstellung, welche besonders in seinem alchymistischen Werke wiederkehrt. 1 Wie d’Espagnet den Himmel ebenfalls aus einem Elemente, wenn auch spiritueller Natur, nämlich der Luft bestehen läßt, so nimmt er auch keinen Anstand zu er- klären, daß die Erde ebenso konstant und unveränderlich ist, wie der Himmel (c. 126). Keins der Elemente läßt sich in das andre verwandeln. Insbesondere sind Wasser und Luft (diese ist coelestisch) durchaus voneinander verschieden, und nie geht das eine in das andre über (c. 127). Durch Verdünnung wird das Wasser zu Dampf, steigt in die Höhe und wird vielmehr in die Luft erhoben als in sie verwandelt, der entstandene Dampf aber wird verdichtet und fällt wieder, zu Wasser aufgelöst, herab (c. 128). Die Natur selbst wird belebt durch einen von den höheren Naturen in die niederen herabströmenden Lebensgeist (spiritus vivificus), welcher das lebenerregende Ferment (fer- mentum) ist (c. 149). Wir begegnen ferner bei d’Espagnet dem Versuche, die Grundsubstanzen der Chemiker der Elementenlehre streng ein- 1 Arcanum Hermeticae Philosophiae Opus. Mir liegt die lat. Ausgabe Genev. 1653, 8, und eine deutsche Übersetzung, Leipzig 1685, 8, vor. Die erste Ausgabe erschien Paris 1638.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/354
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/354>, abgerufen am 01.06.2024.