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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Taurellus.
keit des Weltgeschehens verkündet, dem Physiker aber die
Untersuchung desselben überweist, recht eigentlich der Philo-
soph der neuen Weltauffassung, für welche die erste Bedingung
des Bestehens die Trennung zwischen Theologie und Natur-
wissenschaft war. Indem Taurellus dieselbe verteidigte, be-
saß er eine Ahnung von dem Gesetze der Entwickelung,
welche die Wissenschaften einzuschlagen im Begriffe waren.

In der Physik selbst wendet sich Taurellus in lebhafter
Polemik gegen die Aristoteliker, besonders gegen Caesalpinus
(1519--1603) und Fr. Piccolomini (1520--1604) und vertritt eine
von der Autorität unabhängigere Forschung, ohne jedoch selbst zu
Ergebnissen zu gelangen, deren Erwähnung hier notwendig wäre.1

Selbst von allen Seiten angefeindet und schließlich wenig
beachtet, hat Taurellus zwar die Befreiung der Naturwissen-
schaft als angemessen und mit dem metaphysischen Interesse
vereinbar erkannt; wie dieselbe indessen auszuführen sei, war ein
Rätsel, dessen Lösung der Naturforschung selbst vorbehalten
blieb. Bevor das Verständnis für diese Lösung, wie sie der
Genius eines Kepler und Galilei in Angriff genommen, durch-
zudringen vermochte, bevor man zur Erkenntnis der mecha-
nischen
Ursachen fortschreiten konnte, bedurfte es mannig-
facher Versuche, das Denken an eine Auffassung des Natur-
geschehens zu gewöhnen, bei welcher nicht der zielbewußte,
lenkende Geist eines in den Dingen steckenden Werkmeisters
eine Rolle spielte. Im speziellen handelte es sich darum, die

1 Nicolai Taurelli # h. e. physicarum et metaph. discussionum
de coelo
lib. II. Adv. Franc. Piccolomineum aliosque Peripateticos. Ambergae
1603. Als Beispiel für die Richtung, in welcher von seinen Schülern über
physikalische Fragen disputiert wurde, teile ich folgende zwei Thesen aus
dem Jahre 1585 mit, welche sich auf die Atomistik beziehen: Ingolstetter.
De mutationibus rerum naturalium theses physicae, quas sexto Id. Martii, Praeside
Nicolao Taurello, Physices et Med. prof., Ioannes Ingolstetter Noribergensis
exercitii gratia disputando tueri conabitur. Altorf 1585. Th. XIII. Generationis
autem atque corruptionis modus congregatione et secretione atomorum partiumve
minimarum nequaquam definiendus est. Licet enim atomos admiserimus:
earum tamen copulatio rerum speciem non mutat. Th. XXV. Contactus primum
quidem corporibus, dein etiam qualitatibus competit: quae cum inter se varie
commisceantur, aliquam obtinent contactus rationem. Contactus enim quidam
est mixtio: cum sc. rerum diversarum exiguae partes (ne dicam minimas) se
invicem contingunt.

Taurellus.
keit des Weltgeschehens verkündet, dem Physiker aber die
Untersuchung desselben überweist, recht eigentlich der Philo-
soph der neuen Weltauffassung, für welche die erste Bedingung
des Bestehens die Trennung zwischen Theologie und Natur-
wissenschaft war. Indem Taurellus dieselbe verteidigte, be-
saß er eine Ahnung von dem Gesetze der Entwickelung,
welche die Wissenschaften einzuschlagen im Begriffe waren.

In der Physik selbst wendet sich Taurellus in lebhafter
Polemik gegen die Aristoteliker, besonders gegen Caesalpinus
(1519—1603) und Fr. Piccolomini (1520—1604) und vertritt eine
von der Autorität unabhängigere Forschung, ohne jedoch selbst zu
Ergebnissen zu gelangen, deren Erwähnung hier notwendig wäre.1

Selbst von allen Seiten angefeindet und schließlich wenig
beachtet, hat Taurellus zwar die Befreiung der Naturwissen-
schaft als angemessen und mit dem metaphysischen Interesse
vereinbar erkannt; wie dieselbe indessen auszuführen sei, war ein
Rätsel, dessen Lösung der Naturforschung selbst vorbehalten
blieb. Bevor das Verständnis für diese Lösung, wie sie der
Genius eines Kepler und Galilei in Angriff genommen, durch-
zudringen vermochte, bevor man zur Erkenntnis der mecha-
nischen
Ursachen fortschreiten konnte, bedurfte es mannig-
facher Versuche, das Denken an eine Auffassung des Natur-
geschehens zu gewöhnen, bei welcher nicht der zielbewußte,
lenkende Geist eines in den Dingen steckenden Werkmeisters
eine Rolle spielte. Im speziellen handelte es sich darum, die

1 Nicolai Taurelli # h. e. physicarum et metaph. discussionum
de coelo
lib. II. Adv. Franc. Piccolomineum aliosque Peripateticos. Ambergae
1603. Als Beispiel für die Richtung, in welcher von seinen Schülern über
physikalische Fragen disputiert wurde, teile ich folgende zwei Thesen aus
dem Jahre 1585 mit, welche sich auf die Atomistik beziehen: Ingolstetter.
De mutationibus rerum naturalium theses physicae, quas sexto Id. Martii, Praeside
Nicolao Taurello, Physices et Med. prof., Ioannes Ingolstetter Noribergensis
exercitii gratia disputando tueri conabitur. Altorf 1585. Th. XIII. Generationis
autem atque corruptionis modus congregatione et secretione atomorum partiumve
minimarum nequaquam definiendus est. Licet enim atomos admiserimus:
earum tamen copulatio rerum speciem non mutat. Th. XXV. Contactus primum
quidem corporibus, dein etiam qualitatibus competit: quae cum inter se varie
commisceantur, aliquam obtinent contactus rationem. Contactus enim quidam
est mixtio: cum sc. rerum diversarum exiguae partes (ne dicam minimas) se
invicem contingunt.
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[357/0375] Taurellus. keit des Weltgeschehens verkündet, dem Physiker aber die Untersuchung desselben überweist, recht eigentlich der Philo- soph der neuen Weltauffassung, für welche die erste Bedingung des Bestehens die Trennung zwischen Theologie und Natur- wissenschaft war. Indem Taurellus dieselbe verteidigte, be- saß er eine Ahnung von dem Gesetze der Entwickelung, welche die Wissenschaften einzuschlagen im Begriffe waren. In der Physik selbst wendet sich Taurellus in lebhafter Polemik gegen die Aristoteliker, besonders gegen Caesalpinus (1519—1603) und Fr. Piccolomini (1520—1604) und vertritt eine von der Autorität unabhängigere Forschung, ohne jedoch selbst zu Ergebnissen zu gelangen, deren Erwähnung hier notwendig wäre. 1 Selbst von allen Seiten angefeindet und schließlich wenig beachtet, hat Taurellus zwar die Befreiung der Naturwissen- schaft als angemessen und mit dem metaphysischen Interesse vereinbar erkannt; wie dieselbe indessen auszuführen sei, war ein Rätsel, dessen Lösung der Naturforschung selbst vorbehalten blieb. Bevor das Verständnis für diese Lösung, wie sie der Genius eines Kepler und Galilei in Angriff genommen, durch- zudringen vermochte, bevor man zur Erkenntnis der mecha- nischen Ursachen fortschreiten konnte, bedurfte es mannig- facher Versuche, das Denken an eine Auffassung des Natur- geschehens zu gewöhnen, bei welcher nicht der zielbewußte, lenkende Geist eines in den Dingen steckenden Werkmeisters eine Rolle spielte. Im speziellen handelte es sich darum, die 1 Nicolai Taurelli # h. e. physicarum et metaph. discussionum de coelo lib. II. Adv. Franc. Piccolomineum aliosque Peripateticos. Ambergae 1603. Als Beispiel für die Richtung, in welcher von seinen Schülern über physikalische Fragen disputiert wurde, teile ich folgende zwei Thesen aus dem Jahre 1585 mit, welche sich auf die Atomistik beziehen: Ingolstetter. De mutationibus rerum naturalium theses physicae, quas sexto Id. Martii, Praeside Nicolao Taurello, Physices et Med. prof., Ioannes Ingolstetter Noribergensis exercitii gratia disputando tueri conabitur. Altorf 1585. Th. XIII. Generationis autem atque corruptionis modus congregatione et secretione atomorum partiumve minimarum nequaquam definiendus est. Licet enim atomos admiserimus: earum tamen copulatio rerum speciem non mutat. Th. XXV. Contactus primum quidem corporibus, dein etiam qualitatibus competit: quae cum inter se varie commisceantur, aliquam obtinent contactus rationem. Contactus enim quidam est mixtio: cum sc. rerum diversarum exiguae partes (ne dicam minimas) se invicem contingunt.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/375>, abgerufen am 22.11.2024.