Natur ohne bewußte Gestaltung (sensu et figura) entstanden sei. Er wiederholt, daß ohne bewußte Überlegung und Leitung nicht etwas Zweckmäßiges und Vernunftbegabtes ent- stehen könne. Der Mensch aber kann nichts Himmlisches machen; wer dies erschuf, der mußte den Menschen an Über- legung, Klugheit und Macht übertreffen -- dies konnte nur Gott sein.
Wenn das Zusammenströmen der Atome oder die des Geistes entbehrende Natur das, was wir sehen, bewirkte, warum konnte sie den Himmel machen, eine Stadt oder ein Haus aber nicht? Mußten doch die Atome auch zu diesem Erfolge sich zusammen- finden, sintemal sie angeblich keine Lage unversucht lassen! Von der Natur, die keinen Geist hat, ist es nicht zu verwun- dern, daß sie dies zu machen vergaß; aber warum es die Atome nicht thaten, bleibt unerklärt.
Was ist also das Ergebnis? Gott allein kann alle jene Herr- lichkeiten, dazu den Menschen mit seinem erfinderischen Geiste geschaffen haben. In der That leugnet selbst von den alten Philosophen niemand die göttliche Vorsehung mit Ausnahme jener zwei oder drei eitelen Verleumder. Daher ist auch ihre Meinung falsch, die Religion sei von den Weisen als Ab- schreckungsmittel eingesetzt worden, damit die Menschen sich der Sünde enthalten. Es gibt eine Vorsehung Gottes; die Welt wird von Vernunft geleitet, also ist Gott der Stifter und Leiter der Welt. So ist die Religion wahrhaft begründet: Dem Schöpfer der Dinge, dem gemeinsamen Vater gebührt die Ehre der Anbetung. Soweit Lactantius.
Während Dionysius von vornherein darauf verzichtet, die aus einer gänzlich anderen Weltanschauung hervorgegangenen Lehren der Atomisten physikalisch zu widerlegen, sondern seine ganze Polemik gegen den Ausschluß des Zweckbegriffs bei der Entstehung und Erhaltung der Welt richtet, versucht Lactantius aus einzelnen naturwissenschaftlichen Fragen der Atomenlehre Unzulänglichkeit und Widersprüche nachzuweisen. Je heftiger und gröber seine Sprache ist, um so schwächer sind jedoch seine Einwendungen. Es fehlt ihm vollständig an dem Ver- ständnis derjenigen Begriffe, welche der Atomistik zu Grunde liegen. Er erkennt nicht in den Atomen die Repräsentanten der absoluten Realität des Raumerfüllenden, sondern behandelt
Lactantius: Gott ist Schöpfer.
Natur ohne bewußte Gestaltung (sensu et figura) entstanden sei. Er wiederholt, daß ohne bewußte Überlegung und Leitung nicht etwas Zweckmäßiges und Vernunftbegabtes ent- stehen könne. Der Mensch aber kann nichts Himmlisches machen; wer dies erschuf, der mußte den Menschen an Über- legung, Klugheit und Macht übertreffen — dies konnte nur Gott sein.
Wenn das Zusammenströmen der Atome oder die des Geistes entbehrende Natur das, was wir sehen, bewirkte, warum konnte sie den Himmel machen, eine Stadt oder ein Haus aber nicht? Mußten doch die Atome auch zu diesem Erfolge sich zusammen- finden, sintemal sie angeblich keine Lage unversucht lassen! Von der Natur, die keinen Geist hat, ist es nicht zu verwun- dern, daß sie dies zu machen vergaß; aber warum es die Atome nicht thaten, bleibt unerklärt.
Was ist also das Ergebnis? Gott allein kann alle jene Herr- lichkeiten, dazu den Menschen mit seinem erfinderischen Geiste geschaffen haben. In der That leugnet selbst von den alten Philosophen niemand die göttliche Vorsehung mit Ausnahme jener zwei oder drei eitelen Verleumder. Daher ist auch ihre Meinung falsch, die Religion sei von den Weisen als Ab- schreckungsmittel eingesetzt worden, damit die Menschen sich der Sünde enthalten. Es gibt eine Vorsehung Gottes; die Welt wird von Vernunft geleitet, also ist Gott der Stifter und Leiter der Welt. So ist die Religion wahrhaft begründet: Dem Schöpfer der Dinge, dem gemeinsamen Vater gebührt die Ehre der Anbetung. Soweit Lactantius.
Während Dionysius von vornherein darauf verzichtet, die aus einer gänzlich anderen Weltanschauung hervorgegangenen Lehren der Atomisten physikalisch zu widerlegen, sondern seine ganze Polemik gegen den Ausschluß des Zweckbegriffs bei der Entstehung und Erhaltung der Welt richtet, versucht Lactantius aus einzelnen naturwissenschaftlichen Fragen der Atomenlehre Unzulänglichkeit und Widersprüche nachzuweisen. Je heftiger und gröber seine Sprache ist, um so schwächer sind jedoch seine Einwendungen. Es fehlt ihm vollständig an dem Ver- ständnis derjenigen Begriffe, welche der Atomistik zu Grunde liegen. Er erkennt nicht in den Atomen die Repräsentanten der absoluten Realität des Raumerfüllenden, sondern behandelt
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Lactantius: Gott ist Schöpfer.
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Leitung nicht etwas Zweckmäßiges und Vernunftbegabtes ent-
stehen könne. Der Mensch aber kann nichts Himmlisches
machen; wer dies erschuf, der mußte den Menschen an Über-
legung, Klugheit und Macht übertreffen — dies konnte nur
Gott sein.
Wenn das Zusammenströmen der Atome oder die des Geistes
entbehrende Natur das, was wir sehen, bewirkte, warum konnte
sie den Himmel machen, eine Stadt oder ein Haus aber nicht?
Mußten doch die Atome auch zu diesem Erfolge sich zusammen-
finden, sintemal sie angeblich keine Lage unversucht lassen!
Von der Natur, die keinen Geist hat, ist es nicht zu verwun-
dern, daß sie dies zu machen vergaß; aber warum es die
Atome nicht thaten, bleibt unerklärt.
Was ist also das Ergebnis? Gott allein kann alle jene Herr-
lichkeiten, dazu den Menschen mit seinem erfinderischen Geiste
geschaffen haben. In der That leugnet selbst von den alten
Philosophen niemand die göttliche Vorsehung mit Ausnahme
jener zwei oder drei eitelen Verleumder. Daher ist auch ihre
Meinung falsch, die Religion sei von den Weisen als Ab-
schreckungsmittel eingesetzt worden, damit die Menschen sich
der Sünde enthalten. Es gibt eine Vorsehung Gottes; die
Welt wird von Vernunft geleitet, also ist Gott der Stifter und
Leiter der Welt. So ist die Religion wahrhaft begründet:
Dem Schöpfer der Dinge, dem gemeinsamen Vater gebührt die
Ehre der Anbetung. Soweit Lactantius.
Während Dionysius von vornherein darauf verzichtet, die
aus einer gänzlich anderen Weltanschauung hervorgegangenen
Lehren der Atomisten physikalisch zu widerlegen, sondern seine
ganze Polemik gegen den Ausschluß des Zweckbegriffs bei der
Entstehung und Erhaltung der Welt richtet, versucht Lactantius
aus einzelnen naturwissenschaftlichen Fragen der Atomenlehre
Unzulänglichkeit und Widersprüche nachzuweisen. Je heftiger
und gröber seine Sprache ist, um so schwächer sind jedoch
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/42>, abgerufen am 21.11.2024.
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