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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Lubin: Korpuskeln verschiedener Ordnung. Bewegung.
(corpusculum primum) betrachtet werden muß. Denn wenn
der Punkt auch kein Körper ist, so muß er doch etwas von
der Natur des Körpers an sich haben, sowie die Einheit, ob-
wohl sie keine Zahl ist, doch die Natur der Zahl besitzt. Die
Korpuskeln zweiter und höherer Ordnung mögen nun, da sie ja,
wenn auch nicht sinnliche, so doch denkbare Teile besitzen,
sich zu Körpern zusammenordnen, so daß ein Kontinuum zu-
stande kommt, welches schließlich aus Atomen besteht. Es ist
indes zu bemerken, daß ein Korpuskel wohl tausend und
mehr Atome enthalten kann, bevor es für die Sinne und die
Schärfe des Auges wahrnehmbar wird; denn es gibt kleine
Tierchen, wie den Acorus,1 welche kaum von dem schärfsten
Auge wahrgenommen werden und doch, da sie Bewegung und
Leben zeigen, gegliederte Organe und Teile der Organe be-
sitzen müssen, die ihrerseits wieder aus vielen Atomen bestehen.

Zur Widerlegung der von Aristoteles aus der Natur der
Bewegung gegen die Atomistik erhobenen Einwände (s. S. 105)
betont Lubin, daß eine derartige Analogie zwischen den sinn-
lichen Größen, Raum und Zeit, und der von der Weltseele
oder von Gott stammenden Bewegung, wie sie Aristoteles be-
hauptet habe, nicht zulässig sei. Es kann nämlich in einem
Zeitmomente nicht nur ein einzelner Raumpunkt vom bewegten
Körper zurückgelegt werden, sondern eine sehr große und ver-
schiedene Anzahl von solchen, ja viele Millionen von Raum-
punkten vermag die Bewegung in einem einzigen Zeitpunkte
zu durchlaufen. Damit erledigen sich die aristotelischen Ein-
würfe; auch daß bei einer Diskontinuität des Raumes der be-
wegte Körper gleichzeitig in Ruhe sei, darf man nicht ent-
gegnen, da ja der Punkt keine Teile besitzt, also auch kein Teil
vorhanden sei, in welchem der Körper zu Ruhe komme.

Von größerem Interesse ist die im 15. Kapitel gegebene
Zusammenstellung der Widerlegung solcher Einwände, welche
die Anhänger der Kontinuitätstheorie aus mathematischen
Gründen erheben wollten. Wenn die Mathematiker sagen, daß

1 Nach seiner Beschreibung meint Lubin hier die Krätzmilbe des Men-
schen (Sarcoptes scabiei), deren Größe etwa 0,3 Millim. beträgt. Aristoteles
nennt als kleinstes ihm bekanntes Tierchen ein im Holz und Wachs vorkom-
mendes # (Hist. animal. 5, 32, p. 557 b, 8), von welchem hier der Name
entlehnt ist. Vgl. die Stelle aus Lucrez bei Bruno, S. 369 Anm. 3.

Lubin: Korpuskeln verschiedener Ordnung. Bewegung.
(corpusculum primum) betrachtet werden muß. Denn wenn
der Punkt auch kein Körper ist, so muß er doch etwas von
der Natur des Körpers an sich haben, sowie die Einheit, ob-
wohl sie keine Zahl ist, doch die Natur der Zahl besitzt. Die
Korpuskeln zweiter und höherer Ordnung mögen nun, da sie ja,
wenn auch nicht sinnliche, so doch denkbare Teile besitzen,
sich zu Körpern zusammenordnen, so daß ein Kontinuum zu-
stande kommt, welches schließlich aus Atomen besteht. Es ist
indes zu bemerken, daß ein Korpuskel wohl tausend und
mehr Atome enthalten kann, bevor es für die Sinne und die
Schärfe des Auges wahrnehmbar wird; denn es gibt kleine
Tierchen, wie den Acorus,1 welche kaum von dem schärfsten
Auge wahrgenommen werden und doch, da sie Bewegung und
Leben zeigen, gegliederte Organe und Teile der Organe be-
sitzen müssen, die ihrerseits wieder aus vielen Atomen bestehen.

Zur Widerlegung der von Aristoteles aus der Natur der
Bewegung gegen die Atomistik erhobenen Einwände (s. S. 105)
betont Lubin, daß eine derartige Analogie zwischen den sinn-
lichen Größen, Raum und Zeit, und der von der Weltseele
oder von Gott stammenden Bewegung, wie sie Aristoteles be-
hauptet habe, nicht zulässig sei. Es kann nämlich in einem
Zeitmomente nicht nur ein einzelner Raumpunkt vom bewegten
Körper zurückgelegt werden, sondern eine sehr große und ver-
schiedene Anzahl von solchen, ja viele Millionen von Raum-
punkten vermag die Bewegung in einem einzigen Zeitpunkte
zu durchlaufen. Damit erledigen sich die aristotelischen Ein-
würfe; auch daß bei einer Diskontinuität des Raumes der be-
wegte Körper gleichzeitig in Ruhe sei, darf man nicht ent-
gegnen, da ja der Punkt keine Teile besitzt, also auch kein Teil
vorhanden sei, in welchem der Körper zu Ruhe komme.

Von größerem Interesse ist die im 15. Kapitel gegebene
Zusammenstellung der Widerlegung solcher Einwände, welche
die Anhänger der Kontinuitätstheorie aus mathematischen
Gründen erheben wollten. Wenn die Mathematiker sagen, daß

1 Nach seiner Beschreibung meint Lubin hier die Krätzmilbe des Men-
schen (Sarcoptes scabiëi), deren Größe etwa 0,3 Millim. beträgt. Aristoteles
nennt als kleinstes ihm bekanntes Tierchen ein im Holz und Wachs vorkom-
mendes # (Hist. animal. 5, 32, p. 557 b, 8), von welchem hier der Name
entlehnt ist. Vgl. die Stelle aus Lucrez bei Bruno, S. 369 Anm. 3.
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[407/0425] Lubin: Korpuskeln verschiedener Ordnung. Bewegung. (corpusculum primum) betrachtet werden muß. Denn wenn der Punkt auch kein Körper ist, so muß er doch etwas von der Natur des Körpers an sich haben, sowie die Einheit, ob- wohl sie keine Zahl ist, doch die Natur der Zahl besitzt. Die Korpuskeln zweiter und höherer Ordnung mögen nun, da sie ja, wenn auch nicht sinnliche, so doch denkbare Teile besitzen, sich zu Körpern zusammenordnen, so daß ein Kontinuum zu- stande kommt, welches schließlich aus Atomen besteht. Es ist indes zu bemerken, daß ein Korpuskel wohl tausend und mehr Atome enthalten kann, bevor es für die Sinne und die Schärfe des Auges wahrnehmbar wird; denn es gibt kleine Tierchen, wie den Acorus, 1 welche kaum von dem schärfsten Auge wahrgenommen werden und doch, da sie Bewegung und Leben zeigen, gegliederte Organe und Teile der Organe be- sitzen müssen, die ihrerseits wieder aus vielen Atomen bestehen. Zur Widerlegung der von Aristoteles aus der Natur der Bewegung gegen die Atomistik erhobenen Einwände (s. S. 105) betont Lubin, daß eine derartige Analogie zwischen den sinn- lichen Größen, Raum und Zeit, und der von der Weltseele oder von Gott stammenden Bewegung, wie sie Aristoteles be- hauptet habe, nicht zulässig sei. Es kann nämlich in einem Zeitmomente nicht nur ein einzelner Raumpunkt vom bewegten Körper zurückgelegt werden, sondern eine sehr große und ver- schiedene Anzahl von solchen, ja viele Millionen von Raum- punkten vermag die Bewegung in einem einzigen Zeitpunkte zu durchlaufen. Damit erledigen sich die aristotelischen Ein- würfe; auch daß bei einer Diskontinuität des Raumes der be- wegte Körper gleichzeitig in Ruhe sei, darf man nicht ent- gegnen, da ja der Punkt keine Teile besitzt, also auch kein Teil vorhanden sei, in welchem der Körper zu Ruhe komme. Von größerem Interesse ist die im 15. Kapitel gegebene Zusammenstellung der Widerlegung solcher Einwände, welche die Anhänger der Kontinuitätstheorie aus mathematischen Gründen erheben wollten. Wenn die Mathematiker sagen, daß 1 Nach seiner Beschreibung meint Lubin hier die Krätzmilbe des Men- schen (Sarcoptes scabiëi), deren Größe etwa 0,3 Millim. beträgt. Aristoteles nennt als kleinstes ihm bekanntes Tierchen ein im Holz und Wachs vorkom- mendes # (Hist. animal. 5, 32, p. 557 b, 8), von welchem hier der Name entlehnt ist. Vgl. die Stelle aus Lucrez bei Bruno, S. 369 Anm. 3.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/425>, abgerufen am 22.11.2024.