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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Bacon: Die Bewegungen.
Willkürlichen enthalten. Es bleibt nur noch übrig, seiner
Untersuchung über die Bewegung zu gedenken. Die Induktion
nach äußerlichen Merkmalen, durch welche Bacon sich dem
Begriffe der Bewegung zu nähern sucht, führt ihn auf 19 Arten
derselben, die wir jedoch der Kürze wegen hier nicht auf-
zählen wollen.1 Er gibt den verschiedensten Verhaltungsweisen
und Eigenschaften der Körper die Namen besonderer Bewe-
gungen; es finden sich darunter Vorgänge, für die auch wir
nur eine technische Bezeichnung haben, ohne die zu Grunde
liegende Bewegung näher zu kennen, außerdem aber eine Reihe
willkürlicher Unterscheidungen. Der von Bacon eingeschlagene
Weg, durch Aufzählung der sinnlich wahrnehmbaren Verände-
rungen dem Begriffe der Bewegung näher zu kommen, mußte
fehlschlagen, weil er nur auf dem Denkmittel der Substan-
zialität beruht und bloß eine Gruppierung nach Arten anstrebt,
die noch dazu auf eine Sonderung nach ebenso äußerlich und
willkürlich als unglücklich gewählten Merkmalen sich gründet.
Er erkannte nicht den gemeinsamen Charakter aller Bewegungs-
erscheinungen, welcher in Richtung, Geschwindigkeit, Beschleu-
nigung und der Gesetzlichkeit ihrer Abänderungen liegt. Und
die Ursache hiervon ist wieder das Fehlen der Einsicht, daß
nur die Mathematik eine Bewegungslehre liefern kann, indem
sie die Bewegung als Größe darstellen lehrt. Nichts zeigt so
deutlich die Ohnmacht der Begriffsordnung unter dem Denk-
mittel der Substanzialität gegenüber der Fruchtbarkeit des
Funktionalbegriffs, als der Vergleich des gut gemeinten, aber
verunglückten Versuchs Bacons über die Bewegung mit der
"neuen Wissenschaft" des Mathematikers Galilei.2 Während
Bacon vergebens nach Anhaltspunkten im Gewirr der sinn-
lichen Veränderung sucht, schafft Galilei die Fundamente zur

1 Nach dem Novum Org. (II, 48) sind ihre Namen folgende: Motus Anti-
typiae Materiae, m. nexus, m. libertatis, m. hyles, m. continuationis, m. indi-
gentiae, m. congregationis majoris, m. congregationis minoris, m. magneticus,
m. fugae, m. assimilationis sive multiplicationis sui sive generationis simplicis,
m. excitationis, m. impressionis, m. configurationis sive situs, m. pertransitionis
sive secundum meatus, m. regius sive politicus, m. rationis spontaneus, m. tre-
pidationis, m. decubitus sive exhorrentiae motus. Vgl. auch De augm. scient.
1. III c. 4. T. I p. 187, 188.
2 Über Bacon und Galilei, vgl. auch Libri, IV p. 159--166.
Laßwitz. 28

Bacon: Die Bewegungen.
Willkürlichen enthalten. Es bleibt nur noch übrig, seiner
Untersuchung über die Bewegung zu gedenken. Die Induktion
nach äußerlichen Merkmalen, durch welche Bacon sich dem
Begriffe der Bewegung zu nähern sucht, führt ihn auf 19 Arten
derselben, die wir jedoch der Kürze wegen hier nicht auf-
zählen wollen.1 Er gibt den verschiedensten Verhaltungsweisen
und Eigenschaften der Körper die Namen besonderer Bewe-
gungen; es finden sich darunter Vorgänge, für die auch wir
nur eine technische Bezeichnung haben, ohne die zu Grunde
liegende Bewegung näher zu kennen, außerdem aber eine Reihe
willkürlicher Unterscheidungen. Der von Bacon eingeschlagene
Weg, durch Aufzählung der sinnlich wahrnehmbaren Verände-
rungen dem Begriffe der Bewegung näher zu kommen, mußte
fehlschlagen, weil er nur auf dem Denkmittel der Substan-
zialität beruht und bloß eine Gruppierung nach Arten anstrebt,
die noch dazu auf eine Sonderung nach ebenso äußerlich und
willkürlich als unglücklich gewählten Merkmalen sich gründet.
Er erkannte nicht den gemeinsamen Charakter aller Bewegungs-
erscheinungen, welcher in Richtung, Geschwindigkeit, Beschleu-
nigung und der Gesetzlichkeit ihrer Abänderungen liegt. Und
die Ursache hiervon ist wieder das Fehlen der Einsicht, daß
nur die Mathematik eine Bewegungslehre liefern kann, indem
sie die Bewegung als Größe darstellen lehrt. Nichts zeigt so
deutlich die Ohnmacht der Begriffsordnung unter dem Denk-
mittel der Substanzialität gegenüber der Fruchtbarkeit des
Funktionalbegriffs, als der Vergleich des gut gemeinten, aber
verunglückten Versuchs Bacons über die Bewegung mit der
„neuen Wissenschaft‟ des Mathematikers Galilei.2 Während
Bacon vergebens nach Anhaltspunkten im Gewirr der sinn-
lichen Veränderung sucht, schafft Galilei die Fundamente zur

1 Nach dem Novum Org. (II, 48) sind ihre Namen folgende: Motus Anti-
typiae Materiae, m. nexus, m. libertatis, m. hyles, m. continuationis, m. indi-
gentiae, m. congregationis majoris, m. congregationis minoris, m. magneticus,
m. fugae, m. assimilationis sive multiplicationis sui sive generationis simplicis,
m. excitationis, m. impressionis, m. configurationis sive situs, m. pertransitionis
sive secundum meatus, m. regius sive politicus, m. rationis spontaneus, m. tre-
pidationis, m. decubitus sive exhorrentiae motus. Vgl. auch De augm. scient.
1. III c. 4. T. I p. 187, 188.
2 Über Bacon und Galilei, vgl. auch Libri, IV p. 159—166.
Laßwitz. 28
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[433/0451] Bacon: Die Bewegungen. Willkürlichen enthalten. Es bleibt nur noch übrig, seiner Untersuchung über die Bewegung zu gedenken. Die Induktion nach äußerlichen Merkmalen, durch welche Bacon sich dem Begriffe der Bewegung zu nähern sucht, führt ihn auf 19 Arten derselben, die wir jedoch der Kürze wegen hier nicht auf- zählen wollen. 1 Er gibt den verschiedensten Verhaltungsweisen und Eigenschaften der Körper die Namen besonderer Bewe- gungen; es finden sich darunter Vorgänge, für die auch wir nur eine technische Bezeichnung haben, ohne die zu Grunde liegende Bewegung näher zu kennen, außerdem aber eine Reihe willkürlicher Unterscheidungen. Der von Bacon eingeschlagene Weg, durch Aufzählung der sinnlich wahrnehmbaren Verände- rungen dem Begriffe der Bewegung näher zu kommen, mußte fehlschlagen, weil er nur auf dem Denkmittel der Substan- zialität beruht und bloß eine Gruppierung nach Arten anstrebt, die noch dazu auf eine Sonderung nach ebenso äußerlich und willkürlich als unglücklich gewählten Merkmalen sich gründet. Er erkannte nicht den gemeinsamen Charakter aller Bewegungs- erscheinungen, welcher in Richtung, Geschwindigkeit, Beschleu- nigung und der Gesetzlichkeit ihrer Abänderungen liegt. Und die Ursache hiervon ist wieder das Fehlen der Einsicht, daß nur die Mathematik eine Bewegungslehre liefern kann, indem sie die Bewegung als Größe darstellen lehrt. Nichts zeigt so deutlich die Ohnmacht der Begriffsordnung unter dem Denk- mittel der Substanzialität gegenüber der Fruchtbarkeit des Funktionalbegriffs, als der Vergleich des gut gemeinten, aber verunglückten Versuchs Bacons über die Bewegung mit der „neuen Wissenschaft‟ des Mathematikers Galilei. 2 Während Bacon vergebens nach Anhaltspunkten im Gewirr der sinn- lichen Veränderung sucht, schafft Galilei die Fundamente zur 1 Nach dem Novum Org. (II, 48) sind ihre Namen folgende: Motus Anti- typiae Materiae, m. nexus, m. libertatis, m. hyles, m. continuationis, m. indi- gentiae, m. congregationis majoris, m. congregationis minoris, m. magneticus, m. fugae, m. assimilationis sive multiplicationis sui sive generationis simplicis, m. excitationis, m. impressionis, m. configurationis sive situs, m. pertransitionis sive secundum meatus, m. regius sive politicus, m. rationis spontaneus, m. tre- pidationis, m. decubitus sive exhorrentiae motus. Vgl. auch De augm. scient. 1. III c. 4. T. I p. 187, 188. 2 Über Bacon und Galilei, vgl. auch Libri, IV p. 159—166. Laßwitz. 28

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/451>, abgerufen am 22.11.2024.