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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Sennert: Verbindungen. Organismen.
secundum partes.1 Es ist dies ein lehrreiches Beispiel für die
Umwandlung der Ansichten, welche sich in dem zweiten Viertel
des siebzehnten Jahrhunderts bei den Physikern vollzog. Die
Unveränderlichkeit der Elementarteile, welche von jetzt an von
den Physikern immer allgemeiner angenommen wird, ist neben
der Mechanik Galileis die Grundlage aller Theorien der Physik
und ganz besonders der Chemie geworden. Und da eine Natur-
erklärung überhaupt nur durch das Zurückgehen auf konstante
und unveränderliche Elemente möglich ist, so darf man gerade
in diesem Gedanken den folgenreichsten Einfluß der antiken
Atomistik auf die moderne Naturwissenschaft sehen. Das
Denkmittel der Substanzialität gewinnt diejenige Anwendungs-
weise auf die Fixierung des Rauminhalts, ohne welche das
weitere Vordringen zu einer Fixierung des Bewegungscharak-
ters für die allgemeine Lösung des Körperproblems erfolglos
geblieben wäre. In Bezug auf die Ursache des Zusammen-
strömens und der Vereinigung der Atome zu den Körpern
führt Sennert nur das weiter aus, was er bereits in De chymi-
corum consensu
etc. gelehrt hatte. Im Gegensatz zu Demokrit hebt
er hervor, daß nicht der Zusammenfluß der Elemente an sich,
sondern der Einfluß ihrer Formen die Vereinigung hervorruft.
Je nachdem es in der Natur der Formen liegt, ziehen die
Elemente sich an. Die Mischungen hängen von der spezifischen
Form der Körper als erster Ursache, in gewisser Hinsicht je-
doch auch von der Übereinstimmung der Atome ab. Gott hat
die Formen so eingerichtet, daß sie die Elemente passend in
den Verbindungen ordnen.2

Endlich nimmt Sennert an, daß auch die lebenden Wesen,
sowohl Pflanzen als Tiere, aus Atomen bestehen. Bei ersteren
beruft er sich auf die Nähr- und Heilkraft der Pflanzen, bei
letzteren nimmt er Gelegenheit, die Kleinheit der Atome durch
Vergleich mit den kleinsten Tieren, Acari und Sirones, in der-
selben Weise zu veranschaulichen, wie wir dies bei Lubin ge-
sehen haben und in dieser Zeit noch wiederholt treffen.3
Sennert hält es sogar für möglich, daß in solchen Atomen
der lebenden Körper die Seele selbst bisweilen unversehrt und

1 Epit. l. III, c. 3. Op. p. 37.
2 Hypomn. III, c. 2. Op. I. p. 121.
3 Vgl. darüber S. 369, 407.

Sennert: Verbindungen. Organismen.
secundum partes.1 Es ist dies ein lehrreiches Beispiel für die
Umwandlung der Ansichten, welche sich in dem zweiten Viertel
des siebzehnten Jahrhunderts bei den Physikern vollzog. Die
Unveränderlichkeit der Elementarteile, welche von jetzt an von
den Physikern immer allgemeiner angenommen wird, ist neben
der Mechanik Galileis die Grundlage aller Theorien der Physik
und ganz besonders der Chemie geworden. Und da eine Natur-
erklärung überhaupt nur durch das Zurückgehen auf konstante
und unveränderliche Elemente möglich ist, so darf man gerade
in diesem Gedanken den folgenreichsten Einfluß der antiken
Atomistik auf die moderne Naturwissenschaft sehen. Das
Denkmittel der Substanzialität gewinnt diejenige Anwendungs-
weise auf die Fixierung des Rauminhalts, ohne welche das
weitere Vordringen zu einer Fixierung des Bewegungscharak-
ters für die allgemeine Lösung des Körperproblems erfolglos
geblieben wäre. In Bezug auf die Ursache des Zusammen-
strömens und der Vereinigung der Atome zu den Körpern
führt Sennert nur das weiter aus, was er bereits in De chymi-
corum consensu
etc. gelehrt hatte. Im Gegensatz zu Demokrit hebt
er hervor, daß nicht der Zusammenfluß der Elemente an sich,
sondern der Einfluß ihrer Formen die Vereinigung hervorruft.
Je nachdem es in der Natur der Formen liegt, ziehen die
Elemente sich an. Die Mischungen hängen von der spezifischen
Form der Körper als erster Ursache, in gewisser Hinsicht je-
doch auch von der Übereinstimmung der Atome ab. Gott hat
die Formen so eingerichtet, daß sie die Elemente passend in
den Verbindungen ordnen.2

Endlich nimmt Sennert an, daß auch die lebenden Wesen,
sowohl Pflanzen als Tiere, aus Atomen bestehen. Bei ersteren
beruft er sich auf die Nähr- und Heilkraft der Pflanzen, bei
letzteren nimmt er Gelegenheit, die Kleinheit der Atome durch
Vergleich mit den kleinsten Tieren, Acari und Sirones, in der-
selben Weise zu veranschaulichen, wie wir dies bei Lubin ge-
sehen haben und in dieser Zeit noch wiederholt treffen.3
Sennert hält es sogar für möglich, daß in solchen Atomen
der lebenden Körper die Seele selbst bisweilen unversehrt und

1 Epit. l. III, c. 3. Op. p. 37.
2 Hypomn. III, c. 2. Op. I. p. 121.
3 Vgl. darüber S. 369, 407.
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[446/0464] Sennert: Verbindungen. Organismen. secundum partes. 1 Es ist dies ein lehrreiches Beispiel für die Umwandlung der Ansichten, welche sich in dem zweiten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts bei den Physikern vollzog. Die Unveränderlichkeit der Elementarteile, welche von jetzt an von den Physikern immer allgemeiner angenommen wird, ist neben der Mechanik Galileis die Grundlage aller Theorien der Physik und ganz besonders der Chemie geworden. Und da eine Natur- erklärung überhaupt nur durch das Zurückgehen auf konstante und unveränderliche Elemente möglich ist, so darf man gerade in diesem Gedanken den folgenreichsten Einfluß der antiken Atomistik auf die moderne Naturwissenschaft sehen. Das Denkmittel der Substanzialität gewinnt diejenige Anwendungs- weise auf die Fixierung des Rauminhalts, ohne welche das weitere Vordringen zu einer Fixierung des Bewegungscharak- ters für die allgemeine Lösung des Körperproblems erfolglos geblieben wäre. In Bezug auf die Ursache des Zusammen- strömens und der Vereinigung der Atome zu den Körpern führt Sennert nur das weiter aus, was er bereits in De chymi- corum consensu etc. gelehrt hatte. Im Gegensatz zu Demokrit hebt er hervor, daß nicht der Zusammenfluß der Elemente an sich, sondern der Einfluß ihrer Formen die Vereinigung hervorruft. Je nachdem es in der Natur der Formen liegt, ziehen die Elemente sich an. Die Mischungen hängen von der spezifischen Form der Körper als erster Ursache, in gewisser Hinsicht je- doch auch von der Übereinstimmung der Atome ab. Gott hat die Formen so eingerichtet, daß sie die Elemente passend in den Verbindungen ordnen. 2 Endlich nimmt Sennert an, daß auch die lebenden Wesen, sowohl Pflanzen als Tiere, aus Atomen bestehen. Bei ersteren beruft er sich auf die Nähr- und Heilkraft der Pflanzen, bei letzteren nimmt er Gelegenheit, die Kleinheit der Atome durch Vergleich mit den kleinsten Tieren, Acari und Sirones, in der- selben Weise zu veranschaulichen, wie wir dies bei Lubin ge- sehen haben und in dieser Zeit noch wiederholt treffen. 3 Sennert hält es sogar für möglich, daß in solchen Atomen der lebenden Körper die Seele selbst bisweilen unversehrt und 1 Epit. l. III, c. 3. Op. p. 37. 2 Hypomn. III, c. 2. Op. I. p. 121. 3 Vgl. darüber S. 369, 407.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/464>, abgerufen am 22.11.2024.