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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Sennert: Mischungsfrage und Tradition der Mediziner.
sieht,1 gerät er auf die Atomisten des Altertums und wird zum
Erneuerer ihrer modifizierten Lehre. Ja er wundert sich, daß
man die letztere als etwas Neues ansehen will, da sie doch schon
von so vielen Philosophen vor Aristoteles gelehrt wurde, ja
selbst schon von dem Phönicier Mochus vor dem Trojanischen
Kriege vorgetragen worden sein soll.

In Sennerts Eigenschaft als Mediziner liegt nun noch ein
besonderer Grund, welcher es ihm erleichterte, von der aristo-
telischen Autorität in der Gegnerschaft der Atomistik sich frei-
zumachen. Denn gerade bei den Medizinern hatte sich die
atomistische Tradition durch die Schule der Methodiker leben-
diger erhalten. Gegenüber dem Humorismus Hippokrats war
der Porismus des Asklepiades von Bithynien stets eine Mah-
nung an atomistische Grundvorstellungen geblieben. Und in
der Atomistik des Asklepiades (s. S. 213) haben wir ja das
genaue Vorbild einer physikalischen Atomistik, wie Sennert
sie brauchte und aufstellte. Daß er diese Atomistik selbst ge-
kannt habe, läßt sich nicht behaupten; aber der Standpunkt
der Lehre von den # ist genau der vermittelnde zwischen
der strengen Atomistik Demokrits und dem praktischen Be-
dürfnis der medizinischen Physik, wie derjenige der Korpuskular-
theorie Sennerts. Und die historische Vermittelung liegt klar
in dem Umstande vor Augen, daß die Atomistik von der Me-
dizin aufgegriffen wurde.2

Selbst Galens Einwürfe gegen die Atomistik waren derart,
daß sie mehr anregend als abschreckend wirken mußten, wie
früher gezeigt worden.3 Die Lehren der Methodiker4 waren
den Ärzten des 16.5 und 17. Jahrhunderts wohl bekannt. Leon-
hard Fuchs
in Ingolstadt und Tübingen (+ 1565), auch als
Botaniker berühmt, trug viel dazu bei, unter Diskreditierung
der Araber die Prinzipien der älteren griechischen Ärzte wieder

1 Er führt in dieser Hinsicht Hippocrates, Philoponus, Avicenna,
Albertus Magnus, Aureolus, Fernelius, Scaliger
u. a. m. in bunter Reihe
für sich auf. Über den fabelhaften Mochus s. Zeller (4. A.) I. S. 26.
2 Über das Studium des Methodikers Coelius Aurelianus vgl. S. 214.
3 S. S. 231 ff.
4 Vgl. S. 214 u. 229.
5 Vgl. Cyriacus Lucius, De variis medicorum sectis nunc in republ. vigen-
tibus.
Ingolst. 1583. 4.

Sennert: Mischungsfrage und Tradition der Mediziner.
sieht,1 gerät er auf die Atomisten des Altertums und wird zum
Erneuerer ihrer modifizierten Lehre. Ja er wundert sich, daß
man die letztere als etwas Neues ansehen will, da sie doch schon
von so vielen Philosophen vor Aristoteles gelehrt wurde, ja
selbst schon von dem Phönicier Mochus vor dem Trojanischen
Kriege vorgetragen worden sein soll.

In Sennerts Eigenschaft als Mediziner liegt nun noch ein
besonderer Grund, welcher es ihm erleichterte, von der aristo-
telischen Autorität in der Gegnerschaft der Atomistik sich frei-
zumachen. Denn gerade bei den Medizinern hatte sich die
atomistische Tradition durch die Schule der Methodiker leben-
diger erhalten. Gegenüber dem Humorismus Hippokrats war
der Porismus des Asklepiades von Bithynien stets eine Mah-
nung an atomistische Grundvorstellungen geblieben. Und in
der Atomistik des Asklepiades (s. S. 213) haben wir ja das
genaue Vorbild einer physikalischen Atomistik, wie Sennert
sie brauchte und aufstellte. Daß er diese Atomistik selbst ge-
kannt habe, läßt sich nicht behaupten; aber der Standpunkt
der Lehre von den # ist genau der vermittelnde zwischen
der strengen Atomistik Demokrits und dem praktischen Be-
dürfnis der medizinischen Physik, wie derjenige der Korpuskular-
theorie Sennerts. Und die historische Vermittelung liegt klar
in dem Umstande vor Augen, daß die Atomistik von der Me-
dizin aufgegriffen wurde.2

Selbst Galens Einwürfe gegen die Atomistik waren derart,
daß sie mehr anregend als abschreckend wirken mußten, wie
früher gezeigt worden.3 Die Lehren der Methodiker4 waren
den Ärzten des 16.5 und 17. Jahrhunderts wohl bekannt. Leon-
hard Fuchs
in Ingolstadt und Tübingen († 1565), auch als
Botaniker berühmt, trug viel dazu bei, unter Diskreditierung
der Araber die Prinzipien der älteren griechischen Ärzte wieder

1 Er führt in dieser Hinsicht Hippocrates, Philoponus, Avicenna,
Albertus Magnus, Aureolus, Fernelius, Scaliger
u. a. m. in bunter Reihe
für sich auf. Über den fabelhaften Mochus s. Zeller (4. A.) I. S. 26.
2 Über das Studium des Methodikers Coelius Aurelianus vgl. S. 214.
3 S. S. 231 ff.
4 Vgl. S. 214 u. 229.
5 Vgl. Cyriacus Lucius, De variis medicorum sectis nunc in republ. vigen-
tibus.
Ingolst. 1583. 4.
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[451/0469] Sennert: Mischungsfrage und Tradition der Mediziner. sieht, 1 gerät er auf die Atomisten des Altertums und wird zum Erneuerer ihrer modifizierten Lehre. Ja er wundert sich, daß man die letztere als etwas Neues ansehen will, da sie doch schon von so vielen Philosophen vor Aristoteles gelehrt wurde, ja selbst schon von dem Phönicier Mochus vor dem Trojanischen Kriege vorgetragen worden sein soll. In Sennerts Eigenschaft als Mediziner liegt nun noch ein besonderer Grund, welcher es ihm erleichterte, von der aristo- telischen Autorität in der Gegnerschaft der Atomistik sich frei- zumachen. Denn gerade bei den Medizinern hatte sich die atomistische Tradition durch die Schule der Methodiker leben- diger erhalten. Gegenüber dem Humorismus Hippokrats war der Porismus des Asklepiades von Bithynien stets eine Mah- nung an atomistische Grundvorstellungen geblieben. Und in der Atomistik des Asklepiades (s. S. 213) haben wir ja das genaue Vorbild einer physikalischen Atomistik, wie Sennert sie brauchte und aufstellte. Daß er diese Atomistik selbst ge- kannt habe, läßt sich nicht behaupten; aber der Standpunkt der Lehre von den # ist genau der vermittelnde zwischen der strengen Atomistik Demokrits und dem praktischen Be- dürfnis der medizinischen Physik, wie derjenige der Korpuskular- theorie Sennerts. Und die historische Vermittelung liegt klar in dem Umstande vor Augen, daß die Atomistik von der Me- dizin aufgegriffen wurde. 2 Selbst Galens Einwürfe gegen die Atomistik waren derart, daß sie mehr anregend als abschreckend wirken mußten, wie früher gezeigt worden. 3 Die Lehren der Methodiker 4 waren den Ärzten des 16. 5 und 17. Jahrhunderts wohl bekannt. Leon- hard Fuchs in Ingolstadt und Tübingen († 1565), auch als Botaniker berühmt, trug viel dazu bei, unter Diskreditierung der Araber die Prinzipien der älteren griechischen Ärzte wieder 1 Er führt in dieser Hinsicht Hippocrates, Philoponus, Avicenna, Albertus Magnus, Aureolus, Fernelius, Scaliger u. a. m. in bunter Reihe für sich auf. Über den fabelhaften Mochus s. Zeller (4. A.) I. S. 26. 2 Über das Studium des Methodikers Coelius Aurelianus vgl. S. 214. 3 S. S. 231 ff. 4 Vgl. S. 214 u. 229. 5 Vgl. Cyriacus Lucius, De variis medicorum sectis nunc in republ. vigen- tibus. Ingolst. 1583. 4.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/469>, abgerufen am 22.11.2024.