den Teilen zugehört. Sonst müßte auch die Zusammensetzung zum Begriff der Quantität gehören. Dies ist indes nicht der Fall, weil dem Kompositum nur die Komposition, nicht aber die Quantität per se zukommt. Denn das Kompositum ist nur Quantum, wenn es die Teile sind, also kommt ihm die Quan- tität allein durch die Teile, den Teilen aber an sich als Teilen zu. Wenn diese ebenfalls geteilt werden können, kommt auch ihnen die Quantität nur durch die Teile zu, die nicht mehr teilbaren Teile aber besitzen an sich Quantität.
Gorlaeus sucht weiter die Einwände zu widerlegen, daß die Atome sich nicht berühren könnten, sowie die bekannten mathematischen Bedenken. Die Atome hindern nicht die Ma- thematik, es können, da die Atome Quantität und Dicke be- sitzen, zwei Linien durch dasselbe Atom, wenngleich nicht durch denselben vorgestellten Teil des Atoms gehen. Der Einwand gegen die Möglichkeit der Bewegung läßt sich ebenfalls wider- legen; in der Vorstellung gibt es auch eine Atomhälfte, nur nicht in der realen Teilung. Wenn also ein Atom sich in einem gegebenen Zeitmoment an drei Atomen vorbeibewegt, so ist es kein Widerspruch, daß ein halb so schnell bewegtes während dessen bloß an anderthalb Atomen vorbeigeht.
Über die Figur der Atome läßt sich nichts Sicheres sagen. Vielleicht sind die Atome rund; es ist vielleicht nicht absurd, so kleine Vacua anzunehmen, daß kein Atom in ihnen Platz hat; sicher wird dort, wo ein solches Platz hat, sich auch ein Atom befinden. Vielleicht sind die Gestalten der Atome qua- dratisch (es ist kubisch gemeint); dann gäbe es kein Vacuum, weil der Raum vollständig ausgefüllt wird. "Die Frage mag also in der Schwebe bleiben."
In den Körpern besteht nichts Reales außer den Atomen und aus diesen ist alles zusammengesetzt, aber nicht durch den Zufall, sondern durch die Vorsehung Gottes. Die homogenen Körper bestehen aus gleichartigen, die heterogenen aus un- gleichartigen Atomen. Diese sind entweder in Berührung (contigua) oder in Zusammenhang (continua). Letzteres ist der Fall, wenn man die Grenzen der einzelnen Teile aneinander nicht bemerkt. Alle Continua sind zugleich Contigua.1
1Exerc. philos. p. 247.
Gorlaeus: Quantität und Teilbarkeit.
den Teilen zugehört. Sonst müßte auch die Zusammensetzung zum Begriff der Quantität gehören. Dies ist indes nicht der Fall, weil dem Kompositum nur die Komposition, nicht aber die Quantität per se zukommt. Denn das Kompositum ist nur Quantum, wenn es die Teile sind, also kommt ihm die Quan- tität allein durch die Teile, den Teilen aber an sich als Teilen zu. Wenn diese ebenfalls geteilt werden können, kommt auch ihnen die Quantität nur durch die Teile zu, die nicht mehr teilbaren Teile aber besitzen an sich Quantität.
Gorlaeus sucht weiter die Einwände zu widerlegen, daß die Atome sich nicht berühren könnten, sowie die bekannten mathematischen Bedenken. Die Atome hindern nicht die Ma- thematik, es können, da die Atome Quantität und Dicke be- sitzen, zwei Linien durch dasselbe Atom, wenngleich nicht durch denselben vorgestellten Teil des Atoms gehen. Der Einwand gegen die Möglichkeit der Bewegung läßt sich ebenfalls wider- legen; in der Vorstellung gibt es auch eine Atomhälfte, nur nicht in der realen Teilung. Wenn also ein Atom sich in einem gegebenen Zeitmoment an drei Atomen vorbeibewegt, so ist es kein Widerspruch, daß ein halb so schnell bewegtes während dessen bloß an anderthalb Atomen vorbeigeht.
Über die Figur der Atome läßt sich nichts Sicheres sagen. Vielleicht sind die Atome rund; es ist vielleicht nicht absurd, so kleine Vacua anzunehmen, daß kein Atom in ihnen Platz hat; sicher wird dort, wo ein solches Platz hat, sich auch ein Atom befinden. Vielleicht sind die Gestalten der Atome qua- dratisch (es ist kubisch gemeint); dann gäbe es kein Vacuum, weil der Raum vollständig ausgefüllt wird. „Die Frage mag also in der Schwebe bleiben.‟
In den Körpern besteht nichts Reales außer den Atomen und aus diesen ist alles zusammengesetzt, aber nicht durch den Zufall, sondern durch die Vorsehung Gottes. Die homogenen Körper bestehen aus gleichartigen, die heterogenen aus un- gleichartigen Atomen. Diese sind entweder in Berührung (contigua) oder in Zusammenhang (continua). Letzteres ist der Fall, wenn man die Grenzen der einzelnen Teile aneinander nicht bemerkt. Alle Continua sind zugleich Contigua.1
1Exerc. philos. p. 247.
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Gorlaeus: Quantität und Teilbarkeit.
den Teilen zugehört. Sonst müßte auch die Zusammensetzung
zum Begriff der Quantität gehören. Dies ist indes nicht der
Fall, weil dem Kompositum nur die Komposition, nicht aber
die Quantität per se zukommt. Denn das Kompositum ist nur
Quantum, wenn es die Teile sind, also kommt ihm die Quan-
tität allein durch die Teile, den Teilen aber an sich als Teilen
zu. Wenn diese ebenfalls geteilt werden können, kommt auch
ihnen die Quantität nur durch die Teile zu, die nicht mehr
teilbaren Teile aber besitzen an sich Quantität.
Gorlaeus sucht weiter die Einwände zu widerlegen, daß
die Atome sich nicht berühren könnten, sowie die bekannten
mathematischen Bedenken. Die Atome hindern nicht die Ma-
thematik, es können, da die Atome Quantität und Dicke be-
sitzen, zwei Linien durch dasselbe Atom, wenngleich nicht durch
denselben vorgestellten Teil des Atoms gehen. Der Einwand
gegen die Möglichkeit der Bewegung läßt sich ebenfalls wider-
legen; in der Vorstellung gibt es auch eine Atomhälfte, nur
nicht in der realen Teilung. Wenn also ein Atom sich in
einem gegebenen Zeitmoment an drei Atomen vorbeibewegt,
so ist es kein Widerspruch, daß ein halb so schnell bewegtes
während dessen bloß an anderthalb Atomen vorbeigeht.
Über die Figur der Atome läßt sich nichts Sicheres sagen.
Vielleicht sind die Atome rund; es ist vielleicht nicht absurd,
so kleine Vacua anzunehmen, daß kein Atom in ihnen Platz
hat; sicher wird dort, wo ein solches Platz hat, sich auch ein
Atom befinden. Vielleicht sind die Gestalten der Atome qua-
dratisch (es ist kubisch gemeint); dann gäbe es kein Vacuum,
weil der Raum vollständig ausgefüllt wird. „Die Frage mag
also in der Schwebe bleiben.‟
In den Körpern besteht nichts Reales außer den Atomen
und aus diesen ist alles zusammengesetzt, aber nicht durch
den Zufall, sondern durch die Vorsehung Gottes. Die homogenen
Körper bestehen aus gleichartigen, die heterogenen aus un-
gleichartigen Atomen. Diese sind entweder in Berührung
(contigua) oder in Zusammenhang (continua). Letzteres ist der
Fall, wenn man die Grenzen der einzelnen Teile aneinander
nicht bemerkt. Alle Continua sind zugleich Contigua. 1
1 Exerc. philos. p. 247.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/478>, abgerufen am 22.11.2024.
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