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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Petrus Ramus.
Achter Abschnitt.
Die Erneuerung der Atomistik in Frankreich.


1. Gegner des Aristoteles in Paris.

An der Pariser Universität hielt die theologische Fakultät
ihr Scepter in festen Händen und duldete keine Abweichungen
von der approbierten Lehre des Aristoteles. Selbst ein so
eifriger Gegner des Stagiriten wie Pierre de la Ramee (1515
bis 1572) hatte mit aller Unruhe, die er erregte, an der Uni-
versität wenigstens, eine Änderung nicht geschaffen. Wider-
holt mußte er die Akademie und die Stadt selbst verlassen,
nach welcher es ihn immer wieder zurückzog, bis der Meuchel-
mord, als dessen Anstifter man seinen philosophischen Gegner
Jac. Carpentarius ansah, seinem Leben ein Ziel setzte. War
schon des Ramus Reform überhaupt mehr pädagogischen und
litterarischen als philosophischen Charakters, so wirkte sie auf
die Physik in positiver Hinsicht wohl kaum ein. Er selbst er-
klärte sich für zu schwach, ein neues Lehrgebäude der Physik,
die er übrigens nur als Naturbeschreibung dachte, aufzuführen,
und forderte dazu Jacob Schegk auf, der jedoch nichts davon
hören wollte.1 Aber der indirekte Einfluß der ramistischen
Methode dürfte auch für die Behandlung physikalischer Fragen
nicht ohne Bedeutung geblieben sein. Die Angriffe des Ramus
speziell auf die aristotelische Physik2 bestehen in der Anwen-
dung seiner dialektischen Methode auf dieselbe als auf einen
geeigneten Gegenstand des Disputierens. Dabei werden die
Fehlschlüsse und die logischen Widersprüche des Aristoteles
aufgedeckt, und indem sich die Unfehlbarkeit seiner Beweise
vom logischen Standpunkte aus als zweifelhaft zeigt, gewinnen
die von Aristoteles bekämpften Ansichten an Vertrauen und

1 Tennemann, Gesch. d. Phil. IX S. 433.
2 P. Rami, Scholarum physicarum libri octo, in totidem acroamaticos
libros Aristotelis.
Recens emendati per Jo. Piscatorem Argentinensem. Francof.
1606. Die erste Auflage erschien Paris 1565.
Petrus Ramus.
Achter Abschnitt.
Die Erneuerung der Atomistik in Frankreich.


1. Gegner des Aristoteles in Paris.

An der Pariser Universität hielt die theologische Fakultät
ihr Scepter in festen Händen und duldete keine Abweichungen
von der approbierten Lehre des Aristoteles. Selbst ein so
eifriger Gegner des Stagiriten wie Pierre de la Ramée (1515
bis 1572) hatte mit aller Unruhe, die er erregte, an der Uni-
versität wenigstens, eine Änderung nicht geschaffen. Wider-
holt mußte er die Akademie und die Stadt selbst verlassen,
nach welcher es ihn immer wieder zurückzog, bis der Meuchel-
mord, als dessen Anstifter man seinen philosophischen Gegner
Jac. Carpentarius ansah, seinem Leben ein Ziel setzte. War
schon des Ramus Reform überhaupt mehr pädagogischen und
litterarischen als philosophischen Charakters, so wirkte sie auf
die Physik in positiver Hinsicht wohl kaum ein. Er selbst er-
klärte sich für zu schwach, ein neues Lehrgebäude der Physik,
die er übrigens nur als Naturbeschreibung dachte, aufzuführen,
und forderte dazu Jacob Schegk auf, der jedoch nichts davon
hören wollte.1 Aber der indirekte Einfluß der ramistischen
Methode dürfte auch für die Behandlung physikalischer Fragen
nicht ohne Bedeutung geblieben sein. Die Angriffe des Ramus
speziell auf die aristotelische Physik2 bestehen in der Anwen-
dung seiner dialektischen Methode auf dieselbe als auf einen
geeigneten Gegenstand des Disputierens. Dabei werden die
Fehlschlüsse und die logischen Widersprüche des Aristoteles
aufgedeckt, und indem sich die Unfehlbarkeit seiner Beweise
vom logischen Standpunkte aus als zweifelhaft zeigt, gewinnen
die von Aristoteles bekämpften Ansichten an Vertrauen und

1 Tennemann, Gesch. d. Phil. IX S. 433.
2 P. Rami, Scholarum physicarum libri octo, in totidem acroamaticos
libros Aristotelis.
Recens emendati per Jo. Piscatorem Argentinensem. Francof.
1606. Die erste Auflage erschien Paris 1565.
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[464/0482] Petrus Ramus. Achter Abschnitt. Die Erneuerung der Atomistik in Frankreich. 1. Gegner des Aristoteles in Paris. An der Pariser Universität hielt die theologische Fakultät ihr Scepter in festen Händen und duldete keine Abweichungen von der approbierten Lehre des Aristoteles. Selbst ein so eifriger Gegner des Stagiriten wie Pierre de la Ramée (1515 bis 1572) hatte mit aller Unruhe, die er erregte, an der Uni- versität wenigstens, eine Änderung nicht geschaffen. Wider- holt mußte er die Akademie und die Stadt selbst verlassen, nach welcher es ihn immer wieder zurückzog, bis der Meuchel- mord, als dessen Anstifter man seinen philosophischen Gegner Jac. Carpentarius ansah, seinem Leben ein Ziel setzte. War schon des Ramus Reform überhaupt mehr pädagogischen und litterarischen als philosophischen Charakters, so wirkte sie auf die Physik in positiver Hinsicht wohl kaum ein. Er selbst er- klärte sich für zu schwach, ein neues Lehrgebäude der Physik, die er übrigens nur als Naturbeschreibung dachte, aufzuführen, und forderte dazu Jacob Schegk auf, der jedoch nichts davon hören wollte. 1 Aber der indirekte Einfluß der ramistischen Methode dürfte auch für die Behandlung physikalischer Fragen nicht ohne Bedeutung geblieben sein. Die Angriffe des Ramus speziell auf die aristotelische Physik 2 bestehen in der Anwen- dung seiner dialektischen Methode auf dieselbe als auf einen geeigneten Gegenstand des Disputierens. Dabei werden die Fehlschlüsse und die logischen Widersprüche des Aristoteles aufgedeckt, und indem sich die Unfehlbarkeit seiner Beweise vom logischen Standpunkte aus als zweifelhaft zeigt, gewinnen die von Aristoteles bekämpften Ansichten an Vertrauen und 1 Tennemann, Gesch. d. Phil. IX S. 433. 2 P. Rami, Scholarum physicarum libri octo, in totidem acroamaticos libros Aristotelis. Recens emendati per Jo. Piscatorem Argentinensem. Francof. 1606. Die erste Auflage erschien Paris 1565.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/482>, abgerufen am 22.11.2024.