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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Basso: Die Atome.
ist nichts bekannt, als daß er Arzt war und zu Pont a Mousson
sich gebildet hat.1

Die Vorrede wendet sich in beredten Worten gegen die
Autorität des Aristoteles und die Sucht, jede Meinung zu ver-
ketzern, die nicht genau im scholastischen Sinne sei. Es folgen
zunächst zwei Bücher über die erste Materie und die Mischung.
Hier bekämpft Basso die aristotelische Vorstellung von der
Materie und sucht an deren Stelle unveränderliche Atome zu
setzen.2 Er rühmt dem Aristoteles gegenüber die Lehren des
Demokrit, sowie die des Platon, Anaxagoras und Empedokles
und stellt die Meinungen dieser Philosophen in Bezug auf die
Atome in ihren wesentlichen Unterschieden dar. Anaxagoras,
Platon
und Demokrit hofft er, was ihre Grundlehren über die
Materie betrifft, ohne Schwierigkeit versöhnen zu können. Er
stellt sich die Aufgabe, auf Grund jener alten Lehren eine Theo-
rie der Materie zu schaffen und ihre Richtigkeit zu beweisen,
welche geeignet ist, die Ursache aller Veränderungen in der
Natur aufzufinden; durch dieselbe soll eine leichte und offenkundige
Lösung der vielen Fragen ermöglicht werden, welche bisher
den größten Gelehrten vergebliche Qual verursacht haben.
Das Prinzip aber, auf welchem diese Naturlehre beruhen soll,
ist die Annahme: Alle Dinge bestehen aus äußerst kleinen und
verschiedenartigen Teilchen, welche die Verschiedenheit ihrer
Naturen, die sie in getrenntem Zustande besitzen, auch bei
ihrer Verbindung beibehalten.3 Diese Teilchen nennt Basso

1 Basso (Phil. nat. l. I. art. 5. p. 13) sagt, er habe auf der neuen
Academia Mussipontana (Pont a Mousson) in Lothringen unter Prof. Phil.
Petrus Sinsonius studiert.
2 Phil. nat. p. 23. Materiamque talem nos cum veteribus asserere, quae
constet ex partibus diversissimis. Ita ut in parte ossis, vel carnis quam minimam
reris, sit particularum diversi generis conjunctio, quae in illa compositione
propriam naturam retineant.
3 A. a. O. l. 1. art. 4, 5. p. 10--12. Sed esto .... veteres circa illa
prima rerum principia discrepasse, certum tamen est, illos in eo convenisse,
quod et verissimum esse demonstrabimus, et ad mutationum naturalium causam
rationemque inveniendam sufficit. Quod scilicet agnoverint omnes ex minimis,
diversissimisque particulis res construi, quae ut ab invicem sejunctae naturas
haberent dissimiles, eandem naturae differentiam conjunctae retinerent, quo-
cunque tandem nomine res illas voces.

Basso: Die Atome.
ist nichts bekannt, als daß er Arzt war und zu Pont à Mousson
sich gebildet hat.1

Die Vorrede wendet sich in beredten Worten gegen die
Autorität des Aristoteles und die Sucht, jede Meinung zu ver-
ketzern, die nicht genau im scholastischen Sinne sei. Es folgen
zunächst zwei Bücher über die erste Materie und die Mischung.
Hier bekämpft Basso die aristotelische Vorstellung von der
Materie und sucht an deren Stelle unveränderliche Atome zu
setzen.2 Er rühmt dem Aristoteles gegenüber die Lehren des
Demokrit, sowie die des Platon, Anaxagoras und Empedokles
und stellt die Meinungen dieser Philosophen in Bezug auf die
Atome in ihren wesentlichen Unterschieden dar. Anaxagoras,
Platon
und Demokrit hofft er, was ihre Grundlehren über die
Materie betrifft, ohne Schwierigkeit versöhnen zu können. Er
stellt sich die Aufgabe, auf Grund jener alten Lehren eine Theo-
rie der Materie zu schaffen und ihre Richtigkeit zu beweisen,
welche geeignet ist, die Ursache aller Veränderungen in der
Natur aufzufinden; durch dieselbe soll eine leichte und offenkundige
Lösung der vielen Fragen ermöglicht werden, welche bisher
den größten Gelehrten vergebliche Qual verursacht haben.
Das Prinzip aber, auf welchem diese Naturlehre beruhen soll,
ist die Annahme: Alle Dinge bestehen aus äußerst kleinen und
verschiedenartigen Teilchen, welche die Verschiedenheit ihrer
Naturen, die sie in getrenntem Zustande besitzen, auch bei
ihrer Verbindung beibehalten.3 Diese Teilchen nennt Basso

1 Basso (Phil. nat. l. I. art. 5. p. 13) sagt, er habe auf der neuen
Academia Mussipontana (Pont à Mousson) in Lothringen unter Prof. Phil.
Petrus Sinsonius studiert.
2 Phil. nat. p. 23. Materiamque talem nos cum veteribus asserere, quae
constet ex partibus diversissimis. Ita ut in parte ossis, vel carnis quam minimam
reris, sit particularum diversi generis conjunctio, quae in illa compositione
propriam naturam retineant.
3 A. a. O. l. 1. art. 4, 5. p. 10—12. Sed esto .... veteres circa illa
prima rerum principia discrepasse, certum tamen est, illos in eo convenisse,
quod et verissimum esse demonstrabimus, et ad mutationum naturalium causam
rationemque inveniendam sufficit. Quod scilicet agnoverint omnes ex minimis,
diversissimisque particulis res construi, quae ut ab invicem sejunctae naturas
haberent dissimiles, eandem naturae differentiam conjunctae retinerent, quo-
cunque tandem nomine res illas voces.
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[468/0486] Basso: Die Atome. ist nichts bekannt, als daß er Arzt war und zu Pont à Mousson sich gebildet hat. 1 Die Vorrede wendet sich in beredten Worten gegen die Autorität des Aristoteles und die Sucht, jede Meinung zu ver- ketzern, die nicht genau im scholastischen Sinne sei. Es folgen zunächst zwei Bücher über die erste Materie und die Mischung. Hier bekämpft Basso die aristotelische Vorstellung von der Materie und sucht an deren Stelle unveränderliche Atome zu setzen. 2 Er rühmt dem Aristoteles gegenüber die Lehren des Demokrit, sowie die des Platon, Anaxagoras und Empedokles und stellt die Meinungen dieser Philosophen in Bezug auf die Atome in ihren wesentlichen Unterschieden dar. Anaxagoras, Platon und Demokrit hofft er, was ihre Grundlehren über die Materie betrifft, ohne Schwierigkeit versöhnen zu können. Er stellt sich die Aufgabe, auf Grund jener alten Lehren eine Theo- rie der Materie zu schaffen und ihre Richtigkeit zu beweisen, welche geeignet ist, die Ursache aller Veränderungen in der Natur aufzufinden; durch dieselbe soll eine leichte und offenkundige Lösung der vielen Fragen ermöglicht werden, welche bisher den größten Gelehrten vergebliche Qual verursacht haben. Das Prinzip aber, auf welchem diese Naturlehre beruhen soll, ist die Annahme: Alle Dinge bestehen aus äußerst kleinen und verschiedenartigen Teilchen, welche die Verschiedenheit ihrer Naturen, die sie in getrenntem Zustande besitzen, auch bei ihrer Verbindung beibehalten. 3 Diese Teilchen nennt Basso 1 Basso (Phil. nat. l. I. art. 5. p. 13) sagt, er habe auf der neuen Academia Mussipontana (Pont à Mousson) in Lothringen unter Prof. Phil. Petrus Sinsonius studiert. 2 Phil. nat. p. 23. Materiamque talem nos cum veteribus asserere, quae constet ex partibus diversissimis. Ita ut in parte ossis, vel carnis quam minimam reris, sit particularum diversi generis conjunctio, quae in illa compositione propriam naturam retineant. 3 A. a. O. l. 1. art. 4, 5. p. 10—12. Sed esto .... veteres circa illa prima rerum principia discrepasse, certum tamen est, illos in eo convenisse, quod et verissimum esse demonstrabimus, et ad mutationum naturalium causam rationemque inveniendam sufficit. Quod scilicet agnoverint omnes ex minimis, diversissimisque particulis res construi, quae ut ab invicem sejunctae naturas haberent dissimiles, eandem naturae differentiam conjunctae retinerent, quo- cunque tandem nomine res illas voces.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/486>, abgerufen am 22.11.2024.