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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Beurteilung der Atomistik des Magnenus.
Hypothesen zur Erklärung von Naturerscheinungen und Wider-
legungen von Einwänden macht, sowie seine "auf Demokrit"
gegründete Theorie der Farben1 muß hier übergangen werden;
desgleichen sind seine Anführungen und Widerlegungen der
sogenannten Beweise der Mathematiker gegen die Atomistik2
nicht besonders zu betrachten, da sie alle auf den Satz heraus-
kommen, daß das mathematische Kontinuum eben kein phy-
sisches sei, und die Linie im physikalischen Sinne nicht ver-
wechselt werden dürfe mit der mathematischen, die sich in
beliebig und unendlich viele Punkte teilen lasse.

Will man die Ansprüche des Magnenus auf eine Erneuerung
der Lehre Demokrits kritisch prüfen, so ist es klar, daß sie
völlig zurückgewiesen werden müssen. Man mag noch die
Ersetzung des Vacuums durch die Luft, welche er im Sinne
Demokrits vorzunehmen glaubt, als entschuldbaren Irrtum hin-
gehen lassen, aber die unter dem Einfluß der in ihnen liegenden
aristotelisch-averroistischen Formen ihre Gestalt beliebig ver-
ändernden Atome sind doch gerade das Gegenteil von den
starren Atomen Demokrits. Zwar sollen auch sie eine konstante
Masse besitzen, aber durch jene Annahme der Veränderlichkeit
der Figur kommt die ganze Schwierigkeit des Problems, welches
durch die alte Atomistik gelöst werden sollte, wieder in die
Voraussetzungen hinein. Dieses Problem, wie Veränderung
möglich sei
, ist Magnenus gar nicht zum Bewußtsein gekommen,
oder vielmehr der Begriff der aus der Materie educierten Keim-
formen beherrscht sein Denken so ausschließlich, daß er den
Widerspruch desselben mit einer konsequenten Atomistik nicht
bemerkt. Es ist daher sehr ungerechtfertigt, wenn er glaubt,
philosophisch strenger als Sennert verfahren zu sein und
diesem vorwirft, daß er nicht Atome, sondern nur physische
Minima gelehrt, außerdem die Minima zweiter Art auch Atome
genannt habe. Es ist früher (s. S. 443, 449) nachgewiesen worden,
daß Sennert in der That die physische Unteilbarkeit der
Minima behauptet, also wirklich Atome, so gut wie Magnenus,

1 A. a. O. Disp. III. cap. IV. p. 438--457. Dieselbe hat zum Schluß-
resultat, daß die Farbe ein inneres verschiedenartig gebrochenes und verdun-
keltes Licht der Körper sei, welches von den Feueratomen ausgestreut und
von den andern Atomen gebrochen wird.
2 A. a. p. 313--361.

Beurteilung der Atomistik des Magnenus.
Hypothesen zur Erklärung von Naturerscheinungen und Wider-
legungen von Einwänden macht, sowie seine „auf Demokrit
gegründete Theorie der Farben1 muß hier übergangen werden;
desgleichen sind seine Anführungen und Widerlegungen der
sogenannten Beweise der Mathematiker gegen die Atomistik2
nicht besonders zu betrachten, da sie alle auf den Satz heraus-
kommen, daß das mathematische Kontinuum eben kein phy-
sisches sei, und die Linie im physikalischen Sinne nicht ver-
wechselt werden dürfe mit der mathematischen, die sich in
beliebig und unendlich viele Punkte teilen lasse.

Will man die Ansprüche des Magnenus auf eine Erneuerung
der Lehre Demokrits kritisch prüfen, so ist es klar, daß sie
völlig zurückgewiesen werden müssen. Man mag noch die
Ersetzung des Vacuums durch die Luft, welche er im Sinne
Demokrits vorzunehmen glaubt, als entschuldbaren Irrtum hin-
gehen lassen, aber die unter dem Einfluß der in ihnen liegenden
aristotelisch-averroistischen Formen ihre Gestalt beliebig ver-
ändernden Atome sind doch gerade das Gegenteil von den
starren Atomen Demokrits. Zwar sollen auch sie eine konstante
Masse besitzen, aber durch jene Annahme der Veränderlichkeit
der Figur kommt die ganze Schwierigkeit des Problems, welches
durch die alte Atomistik gelöst werden sollte, wieder in die
Voraussetzungen hinein. Dieses Problem, wie Veränderung
möglich sei
, ist Magnenus gar nicht zum Bewußtsein gekommen,
oder vielmehr der Begriff der aus der Materie educierten Keim-
formen beherrscht sein Denken so ausschließlich, daß er den
Widerspruch desselben mit einer konsequenten Atomistik nicht
bemerkt. Es ist daher sehr ungerechtfertigt, wenn er glaubt,
philosophisch strenger als Sennert verfahren zu sein und
diesem vorwirft, daß er nicht Atome, sondern nur physische
Minima gelehrt, außerdem die Minima zweiter Art auch Atome
genannt habe. Es ist früher (s. S. 443, 449) nachgewiesen worden,
daß Sennert in der That die physische Unteilbarkeit der
Minima behauptet, also wirklich Atome, so gut wie Magnenus,

1 A. a. O. Disp. III. cap. IV. p. 438—457. Dieselbe hat zum Schluß-
resultat, daß die Farbe ein inneres verschiedenartig gebrochenes und verdun-
keltes Licht der Körper sei, welches von den Feueratomen ausgestreut und
von den andern Atomen gebrochen wird.
2 A. a. p. 313—361.
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[511/0529] Beurteilung der Atomistik des Magnenus. Hypothesen zur Erklärung von Naturerscheinungen und Wider- legungen von Einwänden macht, sowie seine „auf Demokrit‟ gegründete Theorie der Farben 1 muß hier übergangen werden; desgleichen sind seine Anführungen und Widerlegungen der sogenannten Beweise der Mathematiker gegen die Atomistik 2 nicht besonders zu betrachten, da sie alle auf den Satz heraus- kommen, daß das mathematische Kontinuum eben kein phy- sisches sei, und die Linie im physikalischen Sinne nicht ver- wechselt werden dürfe mit der mathematischen, die sich in beliebig und unendlich viele Punkte teilen lasse. Will man die Ansprüche des Magnenus auf eine Erneuerung der Lehre Demokrits kritisch prüfen, so ist es klar, daß sie völlig zurückgewiesen werden müssen. Man mag noch die Ersetzung des Vacuums durch die Luft, welche er im Sinne Demokrits vorzunehmen glaubt, als entschuldbaren Irrtum hin- gehen lassen, aber die unter dem Einfluß der in ihnen liegenden aristotelisch-averroistischen Formen ihre Gestalt beliebig ver- ändernden Atome sind doch gerade das Gegenteil von den starren Atomen Demokrits. Zwar sollen auch sie eine konstante Masse besitzen, aber durch jene Annahme der Veränderlichkeit der Figur kommt die ganze Schwierigkeit des Problems, welches durch die alte Atomistik gelöst werden sollte, wieder in die Voraussetzungen hinein. Dieses Problem, wie Veränderung möglich sei, ist Magnenus gar nicht zum Bewußtsein gekommen, oder vielmehr der Begriff der aus der Materie educierten Keim- formen beherrscht sein Denken so ausschließlich, daß er den Widerspruch desselben mit einer konsequenten Atomistik nicht bemerkt. Es ist daher sehr ungerechtfertigt, wenn er glaubt, philosophisch strenger als Sennert verfahren zu sein und diesem vorwirft, daß er nicht Atome, sondern nur physische Minima gelehrt, außerdem die Minima zweiter Art auch Atome genannt habe. Es ist früher (s. S. 443, 449) nachgewiesen worden, daß Sennert in der That die physische Unteilbarkeit der Minima behauptet, also wirklich Atome, so gut wie Magnenus, 1 A. a. O. Disp. III. cap. IV. p. 438—457. Dieselbe hat zum Schluß- resultat, daß die Farbe ein inneres verschiedenartig gebrochenes und verdun- keltes Licht der Körper sei, welches von den Feueratomen ausgestreut und von den andern Atomen gebrochen wird. 2 A. a. p. 313—361.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/529>, abgerufen am 29.11.2024.