Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.Nachteil des Realismus. sollen ja völlig selbständig sein und auch im denkenden Geistenicht mehr zusammenhängen; so behalten die Einwände des Aristoteles und Augustinus Recht, daß die Atome weder wirken noch erkannt werden können. Aber freilich -- auf der andren Seite sind die Atome den logischen Begriffen unendlich überlegen; ist es möglich, jenen ursprünglichen Fehler, die Ausschließung jedes Zusammenhanges aufzuheben, ist es mög- lich, durch das Erfassen des Begriffs der Veränderlichkeit den Atomen das Denkmittel der Kausalität ohne inneren Wider- spruch zugänglich zu machen, dann gewinnen sie jene siegende Macht, welche die Kausalität als Denkmittel in der wissen- schaftlichen Naturerklärung voraus hat. Dann wird wissen- schaftliche Korpuskulartheorie möglich. Dagegen behält der rationale Idealismus alle jene Schwächen, Nachteil des Realismus. sollen ja völlig selbständig sein und auch im denkenden Geistenicht mehr zusammenhängen; so behalten die Einwände des Aristoteles und Augustinus Recht, daß die Atome weder wirken noch erkannt werden können. Aber freilich — auf der andren Seite sind die Atome den logischen Begriffen unendlich überlegen; ist es möglich, jenen ursprünglichen Fehler, die Ausschließung jedes Zusammenhanges aufzuheben, ist es mög- lich, durch das Erfassen des Begriffs der Veränderlichkeit den Atomen das Denkmittel der Kausalität ohne inneren Wider- spruch zugänglich zu machen, dann gewinnen sie jene siegende Macht, welche die Kausalität als Denkmittel in der wissen- schaftlichen Naturerklärung voraus hat. Dann wird wissen- schaftliche Korpuskulartheorie möglich. Dagegen behält der rationale Idealismus alle jene Schwächen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0073" n="55"/><fw place="top" type="header">Nachteil des Realismus.</fw><lb/> sollen ja völlig selbständig sein und auch im denkenden Geiste<lb/> nicht mehr zusammenhängen; so behalten die Einwände des<lb/><hi rendition="#k">Aristoteles</hi> und <hi rendition="#k">Augustinus</hi> Recht, daß die Atome weder<lb/> wirken noch erkannt werden können. Aber freilich — auf der<lb/> andren Seite sind die Atome den logischen Begriffen unendlich<lb/> überlegen; ist es möglich, jenen ursprünglichen Fehler, die<lb/> Ausschließung jedes Zusammenhanges aufzuheben, ist es mög-<lb/> lich, durch das Erfassen des Begriffs der Veränderlichkeit den<lb/> Atomen das Denkmittel der Kausalität ohne inneren Wider-<lb/> spruch zugänglich zu machen, dann gewinnen sie jene siegende<lb/> Macht, welche die Kausalität als Denkmittel in der wissen-<lb/> schaftlichen Naturerklärung voraus hat. Dann wird wissen-<lb/> schaftliche Korpuskulartheorie möglich.</p><lb/> <p>Dagegen behält der rationale Idealismus alle jene Schwächen,<lb/> welche mit der Substanzialität als wesentlichem Denkmittel<lb/> verbunden sind. Auch <hi rendition="#k">Erigena</hi> vermag nur eine systematische<lb/> Einteilung der Natur zu geben, zu einer Erklärung kann er<lb/> nirgends kommen. Freilich ist es auch nicht seine Absicht;<lb/> das Bedürfnis liegt ihm fern, er hat nur das theologische<lb/> Interesse; aber sein Ausgangspunkt überhaupt würde es unmög-<lb/> lich machen. Alles Einzelne hat seinen Seinswert nur im<lb/> Allgemeinen, so kann auch im Einzelnen nichts erkannt, nicht<lb/> eine Einzelthatsache der Natur erklärt werden. Denn die Ver-<lb/> bindung der Einzeldinge und Arten im höheren Begriffe gibt<lb/> nur die Thatsache des Zusammens, ohne über die Natur dieses<lb/> Zusammens aufklären zu können. Das Denken liefert wohl<lb/> eine Synthesis der Eigenschaften, aber keine Einsicht in die<lb/> funktionale Abhängigkeit derselben, mit einem Worte keine<lb/> Kausalerklärung. So ist das Denkmittel der Kausalität für die<lb/> Untersuchungen der Physik gänzlich ausgeschlossen. Der<lb/> physische Körper hat die unterste Stufe des Seins inne,<lb/> von welcher keine Wirkung mehr ausgehen kann, weil es<lb/> keinen tiefer stehenden Begriff gibt als den zusammengesetzten<lb/> Körper. Der physische Körper besitzt nicht die geringste<lb/> Selbständigkeit, seine ganze Realität wurzelt in den allgemeineren<lb/> Begriffen. Wie die Atomistik in das körperliche Sein des<lb/> Atoms die ganze Realität der Welt verlegt, so entblößt dieser<lb/> Idealismus die Körperwelt aller physischen Realität. Eine<lb/> Wirkung von Körper zu Körper besteht nicht, und die Mög-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0073]
Nachteil des Realismus.
sollen ja völlig selbständig sein und auch im denkenden Geiste
nicht mehr zusammenhängen; so behalten die Einwände des
Aristoteles und Augustinus Recht, daß die Atome weder
wirken noch erkannt werden können. Aber freilich — auf der
andren Seite sind die Atome den logischen Begriffen unendlich
überlegen; ist es möglich, jenen ursprünglichen Fehler, die
Ausschließung jedes Zusammenhanges aufzuheben, ist es mög-
lich, durch das Erfassen des Begriffs der Veränderlichkeit den
Atomen das Denkmittel der Kausalität ohne inneren Wider-
spruch zugänglich zu machen, dann gewinnen sie jene siegende
Macht, welche die Kausalität als Denkmittel in der wissen-
schaftlichen Naturerklärung voraus hat. Dann wird wissen-
schaftliche Korpuskulartheorie möglich.
Dagegen behält der rationale Idealismus alle jene Schwächen,
welche mit der Substanzialität als wesentlichem Denkmittel
verbunden sind. Auch Erigena vermag nur eine systematische
Einteilung der Natur zu geben, zu einer Erklärung kann er
nirgends kommen. Freilich ist es auch nicht seine Absicht;
das Bedürfnis liegt ihm fern, er hat nur das theologische
Interesse; aber sein Ausgangspunkt überhaupt würde es unmög-
lich machen. Alles Einzelne hat seinen Seinswert nur im
Allgemeinen, so kann auch im Einzelnen nichts erkannt, nicht
eine Einzelthatsache der Natur erklärt werden. Denn die Ver-
bindung der Einzeldinge und Arten im höheren Begriffe gibt
nur die Thatsache des Zusammens, ohne über die Natur dieses
Zusammens aufklären zu können. Das Denken liefert wohl
eine Synthesis der Eigenschaften, aber keine Einsicht in die
funktionale Abhängigkeit derselben, mit einem Worte keine
Kausalerklärung. So ist das Denkmittel der Kausalität für die
Untersuchungen der Physik gänzlich ausgeschlossen. Der
physische Körper hat die unterste Stufe des Seins inne,
von welcher keine Wirkung mehr ausgehen kann, weil es
keinen tiefer stehenden Begriff gibt als den zusammengesetzten
Körper. Der physische Körper besitzt nicht die geringste
Selbständigkeit, seine ganze Realität wurzelt in den allgemeineren
Begriffen. Wie die Atomistik in das körperliche Sein des
Atoms die ganze Realität der Welt verlegt, so entblößt dieser
Idealismus die Körperwelt aller physischen Realität. Eine
Wirkung von Körper zu Körper besteht nicht, und die Mög-
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