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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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De generibus et speciebus: Materie und Form.
Eigenschaften der Bestandteile zuvor erkannt hatten. Sie
zerlegten daher dieselben immer weiter, bis sie durch das
Denken zu den kleinsten Teilen gelangten, welche sie nicht
weiter zerlegen konnten und daher als Ganze betrachten mußten.1
Da nun die weitere Teilung dieser Ganzen nicht möglich war,
so begannen sie zu untersuchen, ob ein derartiges Teilchen
(essentiola) aus Materie und Form bestehe, oder ob es überhaupt
einfach sei. Es zeigt sich, daß der Körper entweder warm,
oder kalt oder von irgend einer anderen Form ist. Abgesehen
von der Form bleibt nun die Materie zu betrachten, ob auch
sie einfach sei; sie erweist sich als Körper und daher ihrerseits
aus der Körperlichkeit und der Substanz bestehend. Eine
weitere Zerlegung der letzteren nach Form und Materie führt
auf die Fähigkeit, entgegengesetzte Eigenschaften anzunehmen,
und auf das reine Wesen (mera essentia), wobei erstere wieder
als Form, letzteres als die dazu gehörige Materie aufzufassen
ist. Dies ist nun die letzte mögliche Zerlegung. Diese letzte
Materie zeigt sich in jeder Hinsicht einfach und nicht wieder
in Materie und Form zerlegbar. Die reine Wesenheit (mera
essentia) wird daher das Universale genannt und ist ohne Form,
weil sie nicht selbst wieder aus Formen besteht.

Hier kommt man also auf die mera essentia, das reine Sein,
erst bei den kleinsten Teilen der Körper; und es ergiebt sich,
der angegebenen Analyse entsprechend, folgende Synthese.
Dadurch, daß die zunächst als mera essentia gedachten Teilchen

1 A. a. O. p. 538. Institerunt ergo (sc. Physici) ipsas partes componentes
subdividendo, usque dum ad illam partem minutissimam intellectu venirent,
quae in partes integrales dividi von poterat. Integralium vero partium defi-
ciente divisione investigare coeperunt, an talis essentiola ex materia constaret
et forma, an omnino simplex esset. Invenit itaque ratio illa corpus esse calidum
vel frigidum vel alterius formae. Hujusmodi enim puto a Platone appellata
esse pura elementa. Relicta itaque forma, consideravit materiam, an et illa
simplex esset. Invenit earn corpus, et ita constare ex corporeitate et substantia.
Relicta itaque forma consideravit materiam, sed et ipsam invenit constare ex
susceptibilitate contrariorum forma, materia autem mera essentia. Quam item
materiam undique speculantes simpliciter omnino invenerunt, nec omnino ex
aliqua materia vel forma constantem. Hanc itaque meram essentiam cum aliis
quae essentialiter rerum sensilium [formas] sustinebant, universale appellavit,
id est informe, non scilicet quod formas non sustinet, sed quod ex formis non
constaret.

De generibus et speciebus: Materie und Form.
Eigenschaften der Bestandteile zuvor erkannt hatten. Sie
zerlegten daher dieselben immer weiter, bis sie durch das
Denken zu den kleinsten Teilen gelangten, welche sie nicht
weiter zerlegen konnten und daher als Ganze betrachten mußten.1
Da nun die weitere Teilung dieser Ganzen nicht möglich war,
so begannen sie zu untersuchen, ob ein derartiges Teilchen
(essentiola) aus Materie und Form bestehe, oder ob es überhaupt
einfach sei. Es zeigt sich, daß der Körper entweder warm,
oder kalt oder von irgend einer anderen Form ist. Abgesehen
von der Form bleibt nun die Materie zu betrachten, ob auch
sie einfach sei; sie erweist sich als Körper und daher ihrerseits
aus der Körperlichkeit und der Substanz bestehend. Eine
weitere Zerlegung der letzteren nach Form und Materie führt
auf die Fähigkeit, entgegengesetzte Eigenschaften anzunehmen,
und auf das reine Wesen (mera essentia), wobei erstere wieder
als Form, letzteres als die dazu gehörige Materie aufzufassen
ist. Dies ist nun die letzte mögliche Zerlegung. Diese letzte
Materie zeigt sich in jeder Hinsicht einfach und nicht wieder
in Materie und Form zerlegbar. Die reine Wesenheit (mera
essentia) wird daher das Universale genannt und ist ohne Form,
weil sie nicht selbst wieder aus Formen besteht.

Hier kommt man also auf die mera essentia, das reine Sein,
erst bei den kleinsten Teilen der Körper; und es ergiebt sich,
der angegebenen Analyse entsprechend, folgende Synthese.
Dadurch, daß die zunächst als mera essentia gedachten Teilchen

1 A. a. O. p. 538. Institerunt ergo (sc. Physici) ipsas partes componentes
subdividendo, usque dum ad illam partem minutissimam intellectu venirent,
quae in partes integrales dividi von poterat. Integralium vero partium defi-
ciente divisione investigare coeperunt, an talis essentiola ex materia constaret
et forma, an omnino simplex esset. Invenit itaque ratio illa corpus esse calidum
vel frigidum vel alterius formae. Hujusmodi enim puto a Platone appellata
esse pura elementa. Relicta itaque forma, consideravit materiam, an et illa
simplex esset. Invenit earn corpus, et ita constare ex corporeitate et substantia.
Relicta itaque forma consideravit materiam, sed et ipsam invenit constare ex
susceptibilitate contrariorum forma, materia autem mera essentia. Quam item
materiam undique speculantes simpliciter omnino invenerunt, nec omnino ex
aliqua materia vel forma constantem. Hanc itaque meram essentiam cum aliis
quae essentialiter rerum sensilium [formas] sustinebant, universale appellavit,
id est informe, non scilicet quod formas non sustinet, sed quod ex formis non
constaret.
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[68/0086] De generibus et speciebus: Materie und Form. Eigenschaften der Bestandteile zuvor erkannt hatten. Sie zerlegten daher dieselben immer weiter, bis sie durch das Denken zu den kleinsten Teilen gelangten, welche sie nicht weiter zerlegen konnten und daher als Ganze betrachten mußten. 1 Da nun die weitere Teilung dieser Ganzen nicht möglich war, so begannen sie zu untersuchen, ob ein derartiges Teilchen (essentiola) aus Materie und Form bestehe, oder ob es überhaupt einfach sei. Es zeigt sich, daß der Körper entweder warm, oder kalt oder von irgend einer anderen Form ist. Abgesehen von der Form bleibt nun die Materie zu betrachten, ob auch sie einfach sei; sie erweist sich als Körper und daher ihrerseits aus der Körperlichkeit und der Substanz bestehend. Eine weitere Zerlegung der letzteren nach Form und Materie führt auf die Fähigkeit, entgegengesetzte Eigenschaften anzunehmen, und auf das reine Wesen (mera essentia), wobei erstere wieder als Form, letzteres als die dazu gehörige Materie aufzufassen ist. Dies ist nun die letzte mögliche Zerlegung. Diese letzte Materie zeigt sich in jeder Hinsicht einfach und nicht wieder in Materie und Form zerlegbar. Die reine Wesenheit (mera essentia) wird daher das Universale genannt und ist ohne Form, weil sie nicht selbst wieder aus Formen besteht. Hier kommt man also auf die mera essentia, das reine Sein, erst bei den kleinsten Teilen der Körper; und es ergiebt sich, der angegebenen Analyse entsprechend, folgende Synthese. Dadurch, daß die zunächst als mera essentia gedachten Teilchen 1 A. a. O. p. 538. Institerunt ergo (sc. Physici) ipsas partes componentes subdividendo, usque dum ad illam partem minutissimam intellectu venirent, quae in partes integrales dividi von poterat. Integralium vero partium defi- ciente divisione investigare coeperunt, an talis essentiola ex materia constaret et forma, an omnino simplex esset. Invenit itaque ratio illa corpus esse calidum vel frigidum vel alterius formae. Hujusmodi enim puto a Platone appellata esse pura elementa. Relicta itaque forma, consideravit materiam, an et illa simplex esset. Invenit earn corpus, et ita constare ex corporeitate et substantia. Relicta itaque forma consideravit materiam, sed et ipsam invenit constare ex susceptibilitate contrariorum forma, materia autem mera essentia. Quam item materiam undique speculantes simpliciter omnino invenerunt, nec omnino ex aliqua materia vel forma constantem. Hanc itaque meram essentiam cum aliis quae essentialiter rerum sensilium [formas] sustinebant, universale appellavit, id est informe, non scilicet quod formas non sustinet, sed quod ex formis non constaret.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/86>, abgerufen am 24.11.2024.