Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.Zwölftes Kapitel. hinüberragte. Hier befanden sich die Plätze für diebeiden Deutschen. Jn den Besuchsstunden, besonders aber am Abend, wenn die Arbeiten des Tages beendet waren, pflegte sich hier stets eine größere Gesellschaft zusammenzufinden. Dann wurde auch bei gemein- schaftlichen Gesprächen eine leichte Erfrischung in Form von Getränken eingenommen. Die Einhaltung dieser Plauderstunden war eine feststehende Sitte der Martier. Die Mahlzeiten dagegen, welche wirklich zur Sätti- gung dienten, fanden niemals gemeinschaftlich statt; dies galt bei den Martiern als unpassend. Beim Essen schloß sich ein jeder ab, und schon daß Saltner und Grunthe gemeinschaftlich zu speisen pflegten, er- schien den Martiern als ein Zeichen der stark tierischen Natur der Menschen. Nach ihrer Ansicht war die Sättigung eine physische Verrichtung, welche nicht in die Gesellschaft gehörte; in dieser wurden nur ästhetische Genüsse gestattet. Zu solchen ästhetischen Genüssen gehörten Essen und Trinken allerdings auch, insofern sie dem reinen Wohlgefallen am Geschmack entsprachen und sich der Empfindungen der Zunge und des Gaumens nur zum freien Spiele bedienten, nicht aber insofern sie den Zweck der Ernährung und die Stillung des körperlichen Bedürfnisses zu erfüllen bestimmt waren. Auf Las Aufforderung, welche jetzt die Stelle der Der Gebrauch dieser Piks ersetzte den Martiern Zwölftes Kapitel. hinüberragte. Hier befanden ſich die Plätze für diebeiden Deutſchen. Jn den Beſuchsſtunden, beſonders aber am Abend, wenn die Arbeiten des Tages beendet waren, pflegte ſich hier ſtets eine größere Geſellſchaft zuſammenzufinden. Dann wurde auch bei gemein- ſchaftlichen Geſprächen eine leichte Erfriſchung in Form von Getränken eingenommen. Die Einhaltung dieſer Plauderſtunden war eine feſtſtehende Sitte der Martier. Die Mahlzeiten dagegen, welche wirklich zur Sätti- gung dienten, fanden niemals gemeinſchaftlich ſtatt; dies galt bei den Martiern als unpaſſend. Beim Eſſen ſchloß ſich ein jeder ab, und ſchon daß Saltner und Grunthe gemeinſchaftlich zu ſpeiſen pflegten, er- ſchien den Martiern als ein Zeichen der ſtark tieriſchen Natur der Menſchen. Nach ihrer Anſicht war die Sättigung eine phyſiſche Verrichtung, welche nicht in die Geſellſchaft gehörte; in dieſer wurden nur äſthetiſche Genüſſe geſtattet. Zu ſolchen äſthetiſchen Genüſſen gehörten Eſſen und Trinken allerdings auch, inſofern ſie dem reinen Wohlgefallen am Geſchmack entſprachen und ſich der Empfindungen der Zunge und des Gaumens nur zum freien Spiele bedienten, nicht aber inſofern ſie den Zweck der Ernährung und die Stillung des körperlichen Bedürfniſſes zu erfüllen beſtimmt waren. Auf Las Aufforderung, welche jetzt die Stelle der Der Gebrauch dieſer Piks erſetzte den Martiern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0180" n="172"/><fw place="top" type="header">Zwölftes Kapitel.</fw><lb/> hinüberragte. Hier befanden ſich die Plätze für die<lb/> beiden Deutſchen. Jn den Beſuchsſtunden, beſonders aber<lb/> am Abend, wenn die Arbeiten des Tages beendet<lb/> waren, pflegte ſich hier ſtets eine größere Geſellſchaft<lb/> zuſammenzufinden. Dann wurde auch bei gemein-<lb/> ſchaftlichen Geſprächen eine leichte Erfriſchung in Form<lb/> von Getränken eingenommen. Die Einhaltung dieſer<lb/> Plauderſtunden war eine feſtſtehende Sitte der Martier.<lb/> Die Mahlzeiten dagegen, welche wirklich zur Sätti-<lb/> gung dienten, fanden niemals gemeinſchaftlich ſtatt;<lb/> dies galt bei den Martiern als unpaſſend. Beim<lb/> Eſſen ſchloß ſich ein jeder ab, und ſchon daß Saltner<lb/> und Grunthe gemeinſchaftlich zu ſpeiſen pflegten, er-<lb/> ſchien den Martiern als ein Zeichen der ſtark tieriſchen<lb/> Natur der Menſchen. Nach ihrer Anſicht war die<lb/> Sättigung eine phyſiſche Verrichtung, welche nicht in<lb/> die Geſellſchaft gehörte; in dieſer wurden nur äſthetiſche<lb/> Genüſſe geſtattet. Zu ſolchen äſthetiſchen Genüſſen<lb/> gehörten Eſſen und Trinken allerdings auch, inſofern<lb/> ſie dem reinen Wohlgefallen am Geſchmack entſprachen<lb/> und ſich der Empfindungen der Zunge und des<lb/> Gaumens nur zum freien Spiele bedienten, nicht aber<lb/> inſofern ſie den Zweck der Ernährung und die Stillung<lb/> des körperlichen Bedürfniſſes zu erfüllen beſtimmt waren.</p><lb/> <p>Auf Las Aufforderung, welche jetzt die Stelle der<lb/> Wirtin vertrat, öffneten die Martier die auf dem<lb/> Tiſch ſtehenden Käſtchen und bedienten ſich der darin<lb/> befindlichen Piks.</p><lb/> <p>Der Gebrauch dieſer Piks erſetzte den Martiern<lb/> in vollkommener Weiſe den Genuß, welchen die Men-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0180]
Zwölftes Kapitel.
hinüberragte. Hier befanden ſich die Plätze für die
beiden Deutſchen. Jn den Beſuchsſtunden, beſonders aber
am Abend, wenn die Arbeiten des Tages beendet
waren, pflegte ſich hier ſtets eine größere Geſellſchaft
zuſammenzufinden. Dann wurde auch bei gemein-
ſchaftlichen Geſprächen eine leichte Erfriſchung in Form
von Getränken eingenommen. Die Einhaltung dieſer
Plauderſtunden war eine feſtſtehende Sitte der Martier.
Die Mahlzeiten dagegen, welche wirklich zur Sätti-
gung dienten, fanden niemals gemeinſchaftlich ſtatt;
dies galt bei den Martiern als unpaſſend. Beim
Eſſen ſchloß ſich ein jeder ab, und ſchon daß Saltner
und Grunthe gemeinſchaftlich zu ſpeiſen pflegten, er-
ſchien den Martiern als ein Zeichen der ſtark tieriſchen
Natur der Menſchen. Nach ihrer Anſicht war die
Sättigung eine phyſiſche Verrichtung, welche nicht in
die Geſellſchaft gehörte; in dieſer wurden nur äſthetiſche
Genüſſe geſtattet. Zu ſolchen äſthetiſchen Genüſſen
gehörten Eſſen und Trinken allerdings auch, inſofern
ſie dem reinen Wohlgefallen am Geſchmack entſprachen
und ſich der Empfindungen der Zunge und des
Gaumens nur zum freien Spiele bedienten, nicht aber
inſofern ſie den Zweck der Ernährung und die Stillung
des körperlichen Bedürfniſſes zu erfüllen beſtimmt waren.
Auf Las Aufforderung, welche jetzt die Stelle der
Wirtin vertrat, öffneten die Martier die auf dem
Tiſch ſtehenden Käſtchen und bedienten ſich der darin
befindlichen Piks.
Der Gebrauch dieſer Piks erſetzte den Martiern
in vollkommener Weiſe den Genuß, welchen die Men-
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