"Herzlich wenig. Die Polarkarte habe ich wieder einmal studiert."
Jm lebhaften Gespräch durchschritten sie die be- lebteren Teile der Anlagen. Hinter den Bäumen sank die Sonne, rot und golden leuchtete der Abend- himmel. Oefter begegneten sie jetzt Spaziergängern. Den meisten waren sie bekannt, man grüßte die beiden höflich, aber hinterher drehte man sich um und sah ihnen nach. Man warf sich Blicke zu oder zischelte eine Bemerkung.
"Sie haben gut spazieren gehen", näselte ein kleiner Herr mit breitem, schnüffligem Gesichte seinem Begleiter zu, "er hat den Mann nach dem Nordpol geschickt."
"Das ist die Torm" sagte ein junges Mädchen. "Jeden Tag geht sie mit dem Doktor Ell hier vorüber."
Die Friedauer waren sehr stolz darauf, daß alle Zeitungen von ihrer Nordpolexpedition erfüllt und die Lebensbeschreibungen ihrer Mitbürger überall zu lesen waren. Darum waren sie glücklich, auch über sie reden zu können. Sie thaten es nach Herzenslust in ihrer menschenfreundlichen und liebevollen Weise und um so mehr, je weniger sie von ihnen wußten.
Ell und Jsma hatten die Anlagen verlassen und waren in eine der breiten, mit Vorgärten vor den Häusern versehenen Alleen hineingeschritten. Sie stan- den vor der Tormschen Wohnung. Ell hatte schon Jsma die Hand zum Abschiede gereicht, und beide zö- gerten nur noch einen Augenblick, sich zu trennen. Da öffnete sich die Hausthür und ein Telegraphen- bote kam ihnen entgegen.
Der Sohn des Martiers.
„Herzlich wenig. Die Polarkarte habe ich wieder einmal ſtudiert.‟
Jm lebhaften Geſpräch durchſchritten ſie die be- lebteren Teile der Anlagen. Hinter den Bäumen ſank die Sonne, rot und golden leuchtete der Abend- himmel. Oefter begegneten ſie jetzt Spaziergängern. Den meiſten waren ſie bekannt, man grüßte die beiden höflich, aber hinterher drehte man ſich um und ſah ihnen nach. Man warf ſich Blicke zu oder ziſchelte eine Bemerkung.
„Sie haben gut ſpazieren gehen‟, näſelte ein kleiner Herr mit breitem, ſchnüffligem Geſichte ſeinem Begleiter zu, „er hat den Mann nach dem Nordpol geſchickt.‟
„Das iſt die Torm‟ ſagte ein junges Mädchen. „Jeden Tag geht ſie mit dem Doktor Ell hier vorüber.‟
Die Friedauer waren ſehr ſtolz darauf, daß alle Zeitungen von ihrer Nordpolexpedition erfüllt und die Lebensbeſchreibungen ihrer Mitbürger überall zu leſen waren. Darum waren ſie glücklich, auch über ſie reden zu können. Sie thaten es nach Herzensluſt in ihrer menſchenfreundlichen und liebevollen Weiſe und um ſo mehr, je weniger ſie von ihnen wußten.
Ell und Jsma hatten die Anlagen verlaſſen und waren in eine der breiten, mit Vorgärten vor den Häuſern verſehenen Alleen hineingeſchritten. Sie ſtan- den vor der Tormſchen Wohnung. Ell hatte ſchon Jsma die Hand zum Abſchiede gereicht, und beide zö- gerten nur noch einen Augenblick, ſich zu trennen. Da öffnete ſich die Hausthür und ein Telegraphen- bote kam ihnen entgegen.
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Der Sohn des Martiers.
„Herzlich wenig. Die Polarkarte habe ich wieder
einmal ſtudiert.‟
Jm lebhaften Geſpräch durchſchritten ſie die be-
lebteren Teile der Anlagen. Hinter den Bäumen
ſank die Sonne, rot und golden leuchtete der Abend-
himmel. Oefter begegneten ſie jetzt Spaziergängern.
Den meiſten waren ſie bekannt, man grüßte die beiden
höflich, aber hinterher drehte man ſich um und ſah
ihnen nach. Man warf ſich Blicke zu oder ziſchelte
eine Bemerkung.
„Sie haben gut ſpazieren gehen‟, näſelte ein kleiner
Herr mit breitem, ſchnüffligem Geſichte ſeinem Begleiter
zu, „er hat den Mann nach dem Nordpol geſchickt.‟
„Das iſt die Torm‟ ſagte ein junges Mädchen.
„Jeden Tag geht ſie mit dem Doktor Ell hier vorüber.‟
Die Friedauer waren ſehr ſtolz darauf, daß alle
Zeitungen von ihrer Nordpolexpedition erfüllt und die
Lebensbeſchreibungen ihrer Mitbürger überall zu leſen
waren. Darum waren ſie glücklich, auch über ſie
reden zu können. Sie thaten es nach Herzensluſt in
ihrer menſchenfreundlichen und liebevollen Weiſe und
um ſo mehr, je weniger ſie von ihnen wußten.
Ell und Jsma hatten die Anlagen verlaſſen und
waren in eine der breiten, mit Vorgärten vor den
Häuſern verſehenen Alleen hineingeſchritten. Sie ſtan-
den vor der Tormſchen Wohnung. Ell hatte ſchon
Jsma die Hand zum Abſchiede gereicht, und beide zö-
gerten nur noch einen Augenblick, ſich zu trennen.
Da öffnete ſich die Hausthür und ein Telegraphen-
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/333>, abgerufen am 24.11.2024.
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