Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf der künstlichen Jnsel.

La war die Tochter des Jngenieurs Fru, des Vor-
stehers der Außenstation. Hätte sie auf der Erde ge-
lebt, so wäre ihre Lebenszeit auf mehr als vierzig
Jahre zu berechnen gewesen. Als Bewohnerin des
Mars aber, dessen Jahre doppelt so lang sind wie die
der Erde, zählte sie erst einige zwanzig Sommer und
stand in der Blüte ihrer Jugend. Jhr volles Haar,
das sie in einen Knoten geschlungen trug, hatte eine
auf Erden wohl nicht leicht zu findende Farbe, ein
helles, etwas ins rötliche schimmerndes Blond, einiger-
maßen der Theerose vergleichbar; in bezaubernder
Zartheit erhob es sich wie eine Krone über dem weißen,
reinen Teint ihres feingebildeten Antlitzes. Die großen
Augen, die allen Martiern eigentümlich sind, wechselten
je nach der Beleuchtung von einem lichten Braun bis
zum tiefsten Schwarz. Denn entsprechend den starken
Helligkeitsunterschieden, welche auf dem Mars herrschen,
besitzen die Bewohner desselben ein sehr weitreichendes
Accomodationsvermögen, und bei schwachem Licht er-
weitern sich ihre dunklen Pupillen bis an den Rand
der Augenlider. Das Mienenspiel gewinnt dadurch
eine überraschende Lebhaftigkeit, und nichts pflegte die
Menschen mehr an den Marsbewohnern, nachdem sie
sie kennen gelernt hatten, zu fesseln, als der ausdrucks-
volle Blick ihrer mächtigen Augen. Jn ihnen zeigte
sich die gewaltige Ueberlegenheit des Geistes dieser
einer höheren Kultur sich erfreuenden Wesen.

Wie eine leichte Wolke umhüllte ein faltenreicher
weißer Schleier die ganze Gestalt und ließ nur den
edelgeformten Hals und den unteren Teil der Arme

Auf der künſtlichen Jnſel.

La war die Tochter des Jngenieurs Fru, des Vor-
ſtehers der Außenſtation. Hätte ſie auf der Erde ge-
lebt, ſo wäre ihre Lebenszeit auf mehr als vierzig
Jahre zu berechnen geweſen. Als Bewohnerin des
Mars aber, deſſen Jahre doppelt ſo lang ſind wie die
der Erde, zählte ſie erſt einige zwanzig Sommer und
ſtand in der Blüte ihrer Jugend. Jhr volles Haar,
das ſie in einen Knoten geſchlungen trug, hatte eine
auf Erden wohl nicht leicht zu findende Farbe, ein
helles, etwas ins rötliche ſchimmerndes Blond, einiger-
maßen der Theeroſe vergleichbar; in bezaubernder
Zartheit erhob es ſich wie eine Krone über dem weißen,
reinen Teint ihres feingebildeten Antlitzes. Die großen
Augen, die allen Martiern eigentümlich ſind, wechſelten
je nach der Beleuchtung von einem lichten Braun bis
zum tiefſten Schwarz. Denn entſprechend den ſtarken
Helligkeitsunterſchieden, welche auf dem Mars herrſchen,
beſitzen die Bewohner desſelben ein ſehr weitreichendes
Accomodationsvermögen, und bei ſchwachem Licht er-
weitern ſich ihre dunklen Pupillen bis an den Rand
der Augenlider. Das Mienenſpiel gewinnt dadurch
eine überraſchende Lebhaftigkeit, und nichts pflegte die
Menſchen mehr an den Marsbewohnern, nachdem ſie
ſie kennen gelernt hatten, zu feſſeln, als der ausdrucks-
volle Blick ihrer mächtigen Augen. Jn ihnen zeigte
ſich die gewaltige Ueberlegenheit des Geiſtes dieſer
einer höheren Kultur ſich erfreuenden Weſen.

Wie eine leichte Wolke umhüllte ein faltenreicher
weißer Schleier die ganze Geſtalt und ließ nur den
edelgeformten Hals und den unteren Teil der Arme

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0071" n="63"/>
          <fw place="top" type="header">Auf der kün&#x017F;tlichen Jn&#x017F;el.</fw><lb/>
          <p>La war die Tochter des Jngenieurs Fru, des Vor-<lb/>
&#x017F;tehers der Außen&#x017F;tation. Hätte &#x017F;ie auf der Erde ge-<lb/>
lebt, &#x017F;o wäre ihre Lebenszeit auf mehr als vierzig<lb/>
Jahre zu berechnen gewe&#x017F;en. Als Bewohnerin des<lb/>
Mars aber, de&#x017F;&#x017F;en Jahre doppelt &#x017F;o lang &#x017F;ind wie die<lb/>
der Erde, zählte &#x017F;ie er&#x017F;t einige zwanzig Sommer und<lb/>
&#x017F;tand in der Blüte ihrer Jugend. Jhr volles Haar,<lb/>
das &#x017F;ie in einen Knoten ge&#x017F;chlungen trug, hatte eine<lb/>
auf Erden wohl nicht leicht zu findende Farbe, ein<lb/>
helles, etwas ins rötliche &#x017F;chimmerndes Blond, einiger-<lb/>
maßen der Theero&#x017F;e vergleichbar; in bezaubernder<lb/>
Zartheit erhob es &#x017F;ich wie eine Krone über dem weißen,<lb/>
reinen Teint ihres feingebildeten Antlitzes. Die großen<lb/>
Augen, die allen Martiern eigentümlich &#x017F;ind, wech&#x017F;elten<lb/>
je nach der Beleuchtung von einem lichten Braun bis<lb/>
zum tief&#x017F;ten Schwarz. Denn ent&#x017F;prechend den &#x017F;tarken<lb/>
Helligkeitsunter&#x017F;chieden, welche auf dem Mars herr&#x017F;chen,<lb/>
be&#x017F;itzen die Bewohner des&#x017F;elben ein &#x017F;ehr weitreichendes<lb/>
Accomodationsvermögen, und bei &#x017F;chwachem Licht er-<lb/>
weitern &#x017F;ich ihre dunklen Pupillen bis an den Rand<lb/>
der Augenlider. Das Mienen&#x017F;piel gewinnt dadurch<lb/>
eine überra&#x017F;chende Lebhaftigkeit, und nichts pflegte die<lb/>
Men&#x017F;chen mehr an den Marsbewohnern, nachdem &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ie kennen gelernt hatten, zu fe&#x017F;&#x017F;eln, als der ausdrucks-<lb/>
volle Blick ihrer mächtigen Augen. Jn ihnen zeigte<lb/>
&#x017F;ich die gewaltige Ueberlegenheit des Gei&#x017F;tes die&#x017F;er<lb/>
einer höheren Kultur &#x017F;ich erfreuenden We&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Wie eine leichte Wolke umhüllte ein faltenreicher<lb/>
weißer Schleier die ganze Ge&#x017F;talt und ließ nur den<lb/>
edelgeformten Hals und den unteren Teil der Arme<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0071] Auf der künſtlichen Jnſel. La war die Tochter des Jngenieurs Fru, des Vor- ſtehers der Außenſtation. Hätte ſie auf der Erde ge- lebt, ſo wäre ihre Lebenszeit auf mehr als vierzig Jahre zu berechnen geweſen. Als Bewohnerin des Mars aber, deſſen Jahre doppelt ſo lang ſind wie die der Erde, zählte ſie erſt einige zwanzig Sommer und ſtand in der Blüte ihrer Jugend. Jhr volles Haar, das ſie in einen Knoten geſchlungen trug, hatte eine auf Erden wohl nicht leicht zu findende Farbe, ein helles, etwas ins rötliche ſchimmerndes Blond, einiger- maßen der Theeroſe vergleichbar; in bezaubernder Zartheit erhob es ſich wie eine Krone über dem weißen, reinen Teint ihres feingebildeten Antlitzes. Die großen Augen, die allen Martiern eigentümlich ſind, wechſelten je nach der Beleuchtung von einem lichten Braun bis zum tiefſten Schwarz. Denn entſprechend den ſtarken Helligkeitsunterſchieden, welche auf dem Mars herrſchen, beſitzen die Bewohner desſelben ein ſehr weitreichendes Accomodationsvermögen, und bei ſchwachem Licht er- weitern ſich ihre dunklen Pupillen bis an den Rand der Augenlider. Das Mienenſpiel gewinnt dadurch eine überraſchende Lebhaftigkeit, und nichts pflegte die Menſchen mehr an den Marsbewohnern, nachdem ſie ſie kennen gelernt hatten, zu feſſeln, als der ausdrucks- volle Blick ihrer mächtigen Augen. Jn ihnen zeigte ſich die gewaltige Ueberlegenheit des Geiſtes dieſer einer höheren Kultur ſich erfreuenden Weſen. Wie eine leichte Wolke umhüllte ein faltenreicher weißer Schleier die ganze Geſtalt und ließ nur den edelgeformten Hals und den unteren Teil der Arme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/71
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/71>, abgerufen am 09.11.2024.