Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Fünfunddreißigstes Kapitel. Mars bildeten, waren an Einwohnerzahl sehr starkverschieden; es gab darunter Reiche, die bis gegen hundert Millionen Einwohner zählten, und kleine Staaten, die nicht einmal die Zahl von einer Million erreichten; der kleinste von ihnen umfaßte nur zwanzig Bezirke mit zusammen 800 000 Einwohnern. Ebenso mannigfaltig wie die Größen waren die Verfassungen der Einzelstaaten. Die republikanischen Staatsformen herrschten vor, aber auch unter ihnen gab es eine bunte Musterkarte von kommunistischen, sozialistischen, demokratischen und aristokratischen Verfassungen. Die Monarchieen waren besonders unter den kleineren Staaten vertreten. Ganz wie es die historische Ent- wicklung der lokalen Verhältnisse mit sich gebracht hatte, waren auch in diesen die Verfassungen sehr mannigfaltig; im ganzen unterschieden sie sich von den republikanischen nur dadurch, daß das Staatsoberhaupt nicht durch Wahl sondern durch Erbfolge bestimmt war und sich eines größeren Einkommens und einer glänzenderen Hofhaltung als die Präsidenten erfreute. Einen höheren politischen Einfluß besaßen die Fürsten des Mars nicht, sie hatten vornehmlich eine ästhetische Bedeutung. Die reiche Entwicklung, welche die Ver- feinerung des Lebens durch die Hofhaltung eines intelligenten Fürsten erfahren konnte, und der Einfluß, den eine hochsinnige Persönlichkeit hier zu entfalten vermochte, sollte auch auf dem Mars nicht verloren gehen. Die individualistischen Neigungen der Martier konnten daher nach jeder Richtung hin Befriedigung finden, und dem Ehrgeiz wie dem Unabhängigkeits- Fünfunddreißigſtes Kapitel. Mars bildeten, waren an Einwohnerzahl ſehr ſtarkverſchieden; es gab darunter Reiche, die bis gegen hundert Millionen Einwohner zählten, und kleine Staaten, die nicht einmal die Zahl von einer Million erreichten; der kleinſte von ihnen umfaßte nur zwanzig Bezirke mit zuſammen 800 000 Einwohnern. Ebenſo mannigfaltig wie die Größen waren die Verfaſſungen der Einzelſtaaten. Die republikaniſchen Staatsformen herrſchten vor, aber auch unter ihnen gab es eine bunte Muſterkarte von kommuniſtiſchen, ſozialiſtiſchen, demokratiſchen und ariſtokratiſchen Verfaſſungen. Die Monarchieen waren beſonders unter den kleineren Staaten vertreten. Ganz wie es die hiſtoriſche Ent- wicklung der lokalen Verhältniſſe mit ſich gebracht hatte, waren auch in dieſen die Verfaſſungen ſehr mannigfaltig; im ganzen unterſchieden ſie ſich von den republikaniſchen nur dadurch, daß das Staatsoberhaupt nicht durch Wahl ſondern durch Erbfolge beſtimmt war und ſich eines größeren Einkommens und einer glänzenderen Hofhaltung als die Präſidenten erfreute. Einen höheren politiſchen Einfluß beſaßen die Fürſten des Mars nicht, ſie hatten vornehmlich eine äſthetiſche Bedeutung. Die reiche Entwicklung, welche die Ver- feinerung des Lebens durch die Hofhaltung eines intelligenten Fürſten erfahren konnte, und der Einfluß, den eine hochſinnige Perſönlichkeit hier zu entfalten vermochte, ſollte auch auf dem Mars nicht verloren gehen. Die individualiſtiſchen Neigungen der Martier konnten daher nach jeder Richtung hin Befriedigung finden, und dem Ehrgeiz wie dem Unabhängigkeits- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0150" n="142"/><fw place="top" type="header">Fünfunddreißigſtes Kapitel.</fw><lb/> Mars bildeten, waren an Einwohnerzahl ſehr ſtark<lb/> verſchieden; es gab darunter Reiche, die bis gegen<lb/> hundert Millionen Einwohner zählten, und kleine<lb/> Staaten, die nicht einmal die Zahl von einer Million<lb/> erreichten; der kleinſte von ihnen umfaßte nur zwanzig<lb/> Bezirke mit zuſammen 800 000 Einwohnern. Ebenſo<lb/> mannigfaltig wie die Größen waren die Verfaſſungen<lb/> der Einzelſtaaten. Die republikaniſchen Staatsformen<lb/> herrſchten vor, aber auch unter ihnen gab es eine<lb/> bunte Muſterkarte von kommuniſtiſchen, ſozialiſtiſchen,<lb/> demokratiſchen und ariſtokratiſchen Verfaſſungen. Die<lb/> Monarchieen waren beſonders unter den kleineren<lb/> Staaten vertreten. Ganz wie es die hiſtoriſche Ent-<lb/> wicklung der lokalen Verhältniſſe mit ſich gebracht<lb/> hatte, waren auch in dieſen die Verfaſſungen ſehr<lb/> mannigfaltig; im ganzen unterſchieden ſie ſich von den<lb/> republikaniſchen nur dadurch, daß das Staatsoberhaupt<lb/> nicht durch Wahl ſondern durch Erbfolge beſtimmt<lb/> war und ſich eines größeren Einkommens und einer<lb/> glänzenderen Hofhaltung als die Präſidenten erfreute.<lb/> Einen höheren politiſchen Einfluß beſaßen die Fürſten<lb/> des Mars nicht, ſie hatten vornehmlich eine äſthetiſche<lb/> Bedeutung. Die reiche Entwicklung, welche die Ver-<lb/> feinerung des Lebens durch die Hofhaltung eines<lb/> intelligenten Fürſten erfahren konnte, und der Einfluß,<lb/> den eine hochſinnige Perſönlichkeit hier zu entfalten<lb/> vermochte, ſollte auch auf dem Mars nicht verloren<lb/> gehen. Die individualiſtiſchen Neigungen der Martier<lb/> konnten daher nach jeder Richtung hin Befriedigung<lb/> finden, und dem Ehrgeiz wie dem Unabhängigkeits-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0150]
Fünfunddreißigſtes Kapitel.
Mars bildeten, waren an Einwohnerzahl ſehr ſtark
verſchieden; es gab darunter Reiche, die bis gegen
hundert Millionen Einwohner zählten, und kleine
Staaten, die nicht einmal die Zahl von einer Million
erreichten; der kleinſte von ihnen umfaßte nur zwanzig
Bezirke mit zuſammen 800 000 Einwohnern. Ebenſo
mannigfaltig wie die Größen waren die Verfaſſungen
der Einzelſtaaten. Die republikaniſchen Staatsformen
herrſchten vor, aber auch unter ihnen gab es eine
bunte Muſterkarte von kommuniſtiſchen, ſozialiſtiſchen,
demokratiſchen und ariſtokratiſchen Verfaſſungen. Die
Monarchieen waren beſonders unter den kleineren
Staaten vertreten. Ganz wie es die hiſtoriſche Ent-
wicklung der lokalen Verhältniſſe mit ſich gebracht
hatte, waren auch in dieſen die Verfaſſungen ſehr
mannigfaltig; im ganzen unterſchieden ſie ſich von den
republikaniſchen nur dadurch, daß das Staatsoberhaupt
nicht durch Wahl ſondern durch Erbfolge beſtimmt
war und ſich eines größeren Einkommens und einer
glänzenderen Hofhaltung als die Präſidenten erfreute.
Einen höheren politiſchen Einfluß beſaßen die Fürſten
des Mars nicht, ſie hatten vornehmlich eine äſthetiſche
Bedeutung. Die reiche Entwicklung, welche die Ver-
feinerung des Lebens durch die Hofhaltung eines
intelligenten Fürſten erfahren konnte, und der Einfluß,
den eine hochſinnige Perſönlichkeit hier zu entfalten
vermochte, ſollte auch auf dem Mars nicht verloren
gehen. Die individualiſtiſchen Neigungen der Martier
konnten daher nach jeder Richtung hin Befriedigung
finden, und dem Ehrgeiz wie dem Unabhängigkeits-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |