Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Sehenswürdigkeiten des Mars. selben; der Sitz neben ihm war leer. Wer Ell mitdem grauen Haar und der Falte zwischen den Augen nachdenklich von seiner Sternwarte in Friedau hatte herabsteigen sehen, hätte ihn in diesem Martier nicht wiedererkannt. Ell fühlte sich in der That wie ver- jüngt, gleich als ob seine Erdenjahre ihm nach der Rechnung des Mars, zwei auf ein Marsjahr, ange- rechnet werden sollten. Ein unaussprechliches Glücks- gefühl durchzog seine Seele; das Bewußtsein, dem Planeten zurückgegeben zu sein, den er für seine Heimat hielt, mitzuleben unter den Numen und ihren Götter- wandel zu teilen, erhob ihn zunächst über alle die Sorgen, die bei dem Gedanken an das Geschick der Erde und seiner irdischen Freunde sich ihm aufdrängten. Es war ihm, als müßten alle diese Schwierigkeiten unter den Händen der Nume von selbst sich lösen, und er genoß in vollen Zügen die Seligkeit, all das Große und Herrliche zu sehen, von dem sein Vater mit dem Schmerze des Verbannten in unstillbarer Sehnsucht geredet hatte. Der Radschlitten glitt auf den Eingang des Gartens Sehenswürdigkeiten des Mars. ſelben; der Sitz neben ihm war leer. Wer Ell mitdem grauen Haar und der Falte zwiſchen den Augen nachdenklich von ſeiner Sternwarte in Friedau hatte herabſteigen ſehen, hätte ihn in dieſem Martier nicht wiedererkannt. Ell fühlte ſich in der That wie ver- jüngt, gleich als ob ſeine Erdenjahre ihm nach der Rechnung des Mars, zwei auf ein Marsjahr, ange- rechnet werden ſollten. Ein unausſprechliches Glücks- gefühl durchzog ſeine Seele; das Bewußtſein, dem Planeten zurückgegeben zu ſein, den er für ſeine Heimat hielt, mitzuleben unter den Numen und ihren Götter- wandel zu teilen, erhob ihn zunächſt über alle die Sorgen, die bei dem Gedanken an das Geſchick der Erde und ſeiner irdiſchen Freunde ſich ihm aufdrängten. Es war ihm, als müßten alle dieſe Schwierigkeiten unter den Händen der Nume von ſelbſt ſich löſen, und er genoß in vollen Zügen die Seligkeit, all das Große und Herrliche zu ſehen, von dem ſein Vater mit dem Schmerze des Verbannten in unſtillbarer Sehnſucht geredet hatte. Der Radſchlitten glitt auf den Eingang des Gartens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0031" n="23"/><fw place="top" type="header">Sehenswürdigkeiten des Mars.</fw><lb/> ſelben; der Sitz neben ihm war leer. Wer Ell mit<lb/> dem grauen Haar und der Falte zwiſchen den Augen<lb/> nachdenklich von ſeiner Sternwarte in Friedau hatte<lb/> herabſteigen ſehen, hätte ihn in dieſem Martier nicht<lb/> wiedererkannt. Ell fühlte ſich in der That wie ver-<lb/> jüngt, gleich als ob ſeine Erdenjahre ihm nach der<lb/> Rechnung des Mars, zwei auf ein Marsjahr, ange-<lb/> rechnet werden ſollten. Ein unausſprechliches Glücks-<lb/> gefühl durchzog ſeine Seele; das Bewußtſein, dem<lb/> Planeten zurückgegeben zu ſein, den er für ſeine Heimat<lb/> hielt, mitzuleben unter den Numen und ihren Götter-<lb/> wandel zu teilen, erhob ihn zunächſt über alle die<lb/> Sorgen, die bei dem Gedanken an das Geſchick der<lb/> Erde und ſeiner irdiſchen Freunde ſich ihm aufdrängten.<lb/> Es war ihm, als müßten alle dieſe Schwierigkeiten<lb/> unter den Händen der Nume von ſelbſt ſich löſen, und<lb/> er genoß in vollen Zügen die Seligkeit, all das Große<lb/> und Herrliche zu ſehen, von dem ſein Vater mit dem<lb/> Schmerze des Verbannten in unſtillbarer Sehnſucht<lb/> geredet hatte.</p><lb/> <p>Der Radſchlitten glitt auf den Eingang des Gartens<lb/> zu, und Ell ließ den Strahlenkegel einer kleinen, an<lb/> der Lenkſtange des Radſchlittens befeſtigten Lampe einen<lb/> Moment auf die Augen der rechts ſitzenden Frau<lb/> fallen. Sogleich richteten beide Figuren ſich in die<lb/> Höhe und erhoben wie zum Gruße die Arme, indem<lb/> ſich dabei die Guirlande wie ein Triumphbogen empor-<lb/> ſchwang und den Eingang freigab. Der Schlitten glitt<lb/> hindurch und hielt gleich darauf vor der Veranda des<lb/> Hauſes.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0031]
Sehenswürdigkeiten des Mars.
ſelben; der Sitz neben ihm war leer. Wer Ell mit
dem grauen Haar und der Falte zwiſchen den Augen
nachdenklich von ſeiner Sternwarte in Friedau hatte
herabſteigen ſehen, hätte ihn in dieſem Martier nicht
wiedererkannt. Ell fühlte ſich in der That wie ver-
jüngt, gleich als ob ſeine Erdenjahre ihm nach der
Rechnung des Mars, zwei auf ein Marsjahr, ange-
rechnet werden ſollten. Ein unausſprechliches Glücks-
gefühl durchzog ſeine Seele; das Bewußtſein, dem
Planeten zurückgegeben zu ſein, den er für ſeine Heimat
hielt, mitzuleben unter den Numen und ihren Götter-
wandel zu teilen, erhob ihn zunächſt über alle die
Sorgen, die bei dem Gedanken an das Geſchick der
Erde und ſeiner irdiſchen Freunde ſich ihm aufdrängten.
Es war ihm, als müßten alle dieſe Schwierigkeiten
unter den Händen der Nume von ſelbſt ſich löſen, und
er genoß in vollen Zügen die Seligkeit, all das Große
und Herrliche zu ſehen, von dem ſein Vater mit dem
Schmerze des Verbannten in unſtillbarer Sehnſucht
geredet hatte.
Der Radſchlitten glitt auf den Eingang des Gartens
zu, und Ell ließ den Strahlenkegel einer kleinen, an
der Lenkſtange des Radſchlittens befeſtigten Lampe einen
Moment auf die Augen der rechts ſitzenden Frau
fallen. Sogleich richteten beide Figuren ſich in die
Höhe und erhoben wie zum Gruße die Arme, indem
ſich dabei die Guirlande wie ein Triumphbogen empor-
ſchwang und den Eingang freigab. Der Schlitten glitt
hindurch und hielt gleich darauf vor der Veranda des
Hauſes.
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