Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Achtundzwanzigstes Kapitel. den übrigen hinlenkte, als wäre er seit Jahren andiese Beschäftigung gewöhnt. Allerdings hatte Ell bereits die wenigen Tage seines Aufenthalts benutzt, um sich gründlich in der Umgebung umzusehen. Er wohnte nicht weit von der Jllschen Villa in einem eignen Häuschen, hatte sich aber immer nur des Abends auf eine Stunde bei seinen Verwandten sehen lassen. Jsma empfand diese Zurückhaltung nicht gerade als Zurücksetzung. Hatten sich doch beide auch in Friedau stets nur kurze Zeit gesprochen, und mußte sie sich doch sagen, daß ihn die neue Umgebung voll in Anspruch nahm. Aber nach dem gemeinsamen Erlebnis der Reise und hier, in der völligen Fremde, vermißte sie die Nähe des Freundes stündlich, des einzigen, der sie ganz zu verstehen vermochte. Gestern abend war dann der heutige Ausflug verabredet worden. Beide hatten, seitdem sie die Stufenbahn benutzten, Nun wendete sich Ell wieder zu ihr. "Wir sind Achtundzwanzigſtes Kapitel. den übrigen hinlenkte, als wäre er ſeit Jahren andieſe Beſchäftigung gewöhnt. Allerdings hatte Ell bereits die wenigen Tage ſeines Aufenthalts benutzt, um ſich gründlich in der Umgebung umzuſehen. Er wohnte nicht weit von der Jllſchen Villa in einem eignen Häuschen, hatte ſich aber immer nur des Abends auf eine Stunde bei ſeinen Verwandten ſehen laſſen. Jsma empfand dieſe Zurückhaltung nicht gerade als Zurückſetzung. Hatten ſich doch beide auch in Friedau ſtets nur kurze Zeit geſprochen, und mußte ſie ſich doch ſagen, daß ihn die neue Umgebung voll in Anſpruch nahm. Aber nach dem gemeinſamen Erlebnis der Reiſe und hier, in der völligen Fremde, vermißte ſie die Nähe des Freundes ſtündlich, des einzigen, der ſie ganz zu verſtehen vermochte. Geſtern abend war dann der heutige Ausflug verabredet worden. Beide hatten, ſeitdem ſie die Stufenbahn benutzten, Nun wendete ſich Ell wieder zu ihr. „Wir ſind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0042" n="34"/><fw place="top" type="header">Achtundzwanzigſtes Kapitel.</fw><lb/> den übrigen hinlenkte, als wäre er ſeit Jahren an<lb/> dieſe Beſchäftigung gewöhnt. Allerdings hatte Ell<lb/> bereits die wenigen Tage ſeines Aufenthalts benutzt,<lb/> um ſich gründlich in der Umgebung umzuſehen. Er<lb/> wohnte nicht weit von der Jllſchen Villa in einem<lb/> eignen Häuschen, hatte ſich aber immer nur des Abends<lb/> auf eine Stunde bei ſeinen Verwandten ſehen laſſen.<lb/> Jsma empfand dieſe Zurückhaltung nicht gerade als<lb/> Zurückſetzung. Hatten ſich doch beide auch in Friedau<lb/> ſtets nur kurze Zeit geſprochen, und mußte ſie ſich doch<lb/> ſagen, daß ihn die neue Umgebung voll in Anſpruch<lb/> nahm. Aber nach dem gemeinſamen Erlebnis der<lb/> Reiſe und hier, in der völligen Fremde, vermißte ſie<lb/> die Nähe des Freundes ſtündlich, des einzigen, der ſie<lb/> ganz zu verſtehen vermochte. Geſtern abend war dann<lb/> der heutige Ausflug verabredet worden.</p><lb/> <p>Beide hatten, ſeitdem ſie die Stufenbahn benutzten,<lb/> kaum miteinander geſprochen. Ell mußte ſeine Auf-<lb/> merkſamkeit ganz auf den Weg richten, und Jsma<lb/> muſterte neugierig und überraſcht die Geſichter und<lb/> Trachten rings um ſie her. Offenbar ſtrömten hier<lb/> alle Klaſſen der Bevölkerung durch einander, das ärm-<lb/> lichſte Kleid erſchien neben der eleganteſten Toilette,<lb/> der einfache Arbeitsanzug herrſchte vor. Sie bemerkte<lb/> bald, daß ihre von Ma ausgewählte Toilette ſich ſehen<lb/> laſſen durfte, und ſie ſowohl wie ihr Gefährte nur durch<lb/> ihre Züge und ihre bleichere Geſichtsfarbe auffielen.</p><lb/> <p>Nun wendete ſich Ell wieder zu ihr. „Wir ſind<lb/> am Ziele‟, ſagte er. „Jene helle Zahl dort — 608 —<lb/> zeigt es an; bei 609 müſſen wir die Bahn verlaſſen.‟</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0042]
Achtundzwanzigſtes Kapitel.
den übrigen hinlenkte, als wäre er ſeit Jahren an
dieſe Beſchäftigung gewöhnt. Allerdings hatte Ell
bereits die wenigen Tage ſeines Aufenthalts benutzt,
um ſich gründlich in der Umgebung umzuſehen. Er
wohnte nicht weit von der Jllſchen Villa in einem
eignen Häuschen, hatte ſich aber immer nur des Abends
auf eine Stunde bei ſeinen Verwandten ſehen laſſen.
Jsma empfand dieſe Zurückhaltung nicht gerade als
Zurückſetzung. Hatten ſich doch beide auch in Friedau
ſtets nur kurze Zeit geſprochen, und mußte ſie ſich doch
ſagen, daß ihn die neue Umgebung voll in Anſpruch
nahm. Aber nach dem gemeinſamen Erlebnis der
Reiſe und hier, in der völligen Fremde, vermißte ſie
die Nähe des Freundes ſtündlich, des einzigen, der ſie
ganz zu verſtehen vermochte. Geſtern abend war dann
der heutige Ausflug verabredet worden.
Beide hatten, ſeitdem ſie die Stufenbahn benutzten,
kaum miteinander geſprochen. Ell mußte ſeine Auf-
merkſamkeit ganz auf den Weg richten, und Jsma
muſterte neugierig und überraſcht die Geſichter und
Trachten rings um ſie her. Offenbar ſtrömten hier
alle Klaſſen der Bevölkerung durch einander, das ärm-
lichſte Kleid erſchien neben der eleganteſten Toilette,
der einfache Arbeitsanzug herrſchte vor. Sie bemerkte
bald, daß ihre von Ma ausgewählte Toilette ſich ſehen
laſſen durfte, und ſie ſowohl wie ihr Gefährte nur durch
ihre Züge und ihre bleichere Geſichtsfarbe auffielen.
Nun wendete ſich Ell wieder zu ihr. „Wir ſind
am Ziele‟, ſagte er. „Jene helle Zahl dort — 608 —
zeigt es an; bei 609 müſſen wir die Bahn verlaſſen.‟
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