Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Schwankungen. diesen Zweifel! Aber er! Was brachte er ihr? Densonnigen Schein des Ruhmes, darin er vor sie zu treten hoffte, um mit ihr auf den Höhen des Lebens zu wandeln? Konnte er sie zurückführen in das ver- lassene Haus, in die friedliche Heimat? Brachte er ihr den Frieden und die Ruhe, und nicht vielmehr neue Sorge und rastlose Flucht? Riß er sie nicht heraus aus einem stillen Glück, aus einer sich be- gnügenden Thätigkeit, um sie in unübersehbares Leid zu stürzen? Das alles zog noch einmal, in einen Moment sich zusammendrängend, vor seinem Bewußt- sein vorüber, und schon wandte er den Fuß, um wieder in das Dunkel der Straße zurückzutreten. Da öffnete sich die Thür. Der Portier hatte ihn "Wohnt Frau Torm hier?" fragte Torm heiser. "Jawohl, im hinteren Flügel, drei Treppen." "Wissen Sie vielleicht, ob sie zuhause ist." "Jawohl, es ist eben Besuch nach oben." Einen Moment zögerte Torm. Dann sagte er: "Jch will wiederkommen." Die Thür schloß sich hinter ihm. Langsam schritt Schwankungen. dieſen Zweifel! Aber er! Was brachte er ihr? Denſonnigen Schein des Ruhmes, darin er vor ſie zu treten hoffte, um mit ihr auf den Höhen des Lebens zu wandeln? Konnte er ſie zurückführen in das ver- laſſene Haus, in die friedliche Heimat? Brachte er ihr den Frieden und die Ruhe, und nicht vielmehr neue Sorge und raſtloſe Flucht? Riß er ſie nicht heraus aus einem ſtillen Glück, aus einer ſich be- gnügenden Thätigkeit, um ſie in unüberſehbares Leid zu ſtürzen? Das alles zog noch einmal, in einen Moment ſich zuſammendrängend, vor ſeinem Bewußt- ſein vorüber, und ſchon wandte er den Fuß, um wieder in das Dunkel der Straße zurückzutreten. Da öffnete ſich die Thür. Der Portier hatte ihn „Wohnt Frau Torm hier?‟ fragte Torm heiſer. „Jawohl, im hinteren Flügel, drei Treppen.‟ „Wiſſen Sie vielleicht, ob ſie zuhauſe iſt.‟ „Jawohl, es iſt eben Beſuch nach oben.‟ Einen Moment zögerte Torm. Dann ſagte er: „Jch will wiederkommen.‟ Die Thür ſchloß ſich hinter ihm. Langſam ſchritt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0423" n="415"/><fw place="top" type="header">Schwankungen.</fw><lb/> dieſen Zweifel! Aber er! Was brachte er ihr? Den<lb/> ſonnigen Schein des Ruhmes, darin er vor ſie zu<lb/> treten hoffte, um mit ihr auf den Höhen des Lebens<lb/> zu wandeln? Konnte er ſie zurückführen in das ver-<lb/> laſſene Haus, in die friedliche Heimat? Brachte er<lb/> ihr den Frieden und die Ruhe, und nicht vielmehr<lb/> neue Sorge und raſtloſe Flucht? Riß er ſie nicht<lb/> heraus aus einem ſtillen Glück, aus einer ſich be-<lb/> gnügenden Thätigkeit, um ſie in unüberſehbares Leid<lb/> zu ſtürzen? Das alles zog noch einmal, in einen<lb/> Moment ſich zuſammendrängend, vor ſeinem Bewußt-<lb/> ſein vorüber, und ſchon wandte er den Fuß, um wieder<lb/> in das Dunkel der Straße zurückzutreten.</p><lb/> <p>Da öffnete ſich die Thür. Der Portier hatte ihn<lb/> durch ſein Fenſter vor der Hausthür ſtehen ſehen.<lb/> „Zu wem wünſchen Sie?‟, fragte er mißtrauiſch.</p><lb/> <p>„Wohnt Frau Torm hier?‟ fragte Torm heiſer.</p><lb/> <p>„Jawohl, im hinteren Flügel, drei Treppen.‟</p><lb/> <p>„Wiſſen Sie vielleicht, ob ſie zuhauſe iſt.‟</p><lb/> <p>„Jawohl, es iſt eben Beſuch nach oben.‟</p><lb/> <p>Einen Moment zögerte Torm. Dann ſagte er:</p><lb/> <p>„Jch will wiederkommen.‟</p><lb/> <p>Die Thür ſchloß ſich hinter ihm. Langſam ſchritt<lb/> er die Straße hinauf. Beſuch? Wer war es? Gleich-<lb/> viel — ſie mußte allein ſein, wenn er ſie wiederſehen<lb/> wollte. Beſuch! Und er, der totgeglaubte, nach drei<lb/> Jahren heimkehrende, der überall geſuchte Gatte, er<lb/> ließ ſich abſchrecken durch das Wörtchen Beſuch! Das<lb/> trennte ihn von ihr, der heiß Erſehnten. Warum?<lb/> Er ſchauderte vor ſich ſelbſt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [415/0423]
Schwankungen.
dieſen Zweifel! Aber er! Was brachte er ihr? Den
ſonnigen Schein des Ruhmes, darin er vor ſie zu
treten hoffte, um mit ihr auf den Höhen des Lebens
zu wandeln? Konnte er ſie zurückführen in das ver-
laſſene Haus, in die friedliche Heimat? Brachte er
ihr den Frieden und die Ruhe, und nicht vielmehr
neue Sorge und raſtloſe Flucht? Riß er ſie nicht
heraus aus einem ſtillen Glück, aus einer ſich be-
gnügenden Thätigkeit, um ſie in unüberſehbares Leid
zu ſtürzen? Das alles zog noch einmal, in einen
Moment ſich zuſammendrängend, vor ſeinem Bewußt-
ſein vorüber, und ſchon wandte er den Fuß, um wieder
in das Dunkel der Straße zurückzutreten.
Da öffnete ſich die Thür. Der Portier hatte ihn
durch ſein Fenſter vor der Hausthür ſtehen ſehen.
„Zu wem wünſchen Sie?‟, fragte er mißtrauiſch.
„Wohnt Frau Torm hier?‟ fragte Torm heiſer.
„Jawohl, im hinteren Flügel, drei Treppen.‟
„Wiſſen Sie vielleicht, ob ſie zuhauſe iſt.‟
„Jawohl, es iſt eben Beſuch nach oben.‟
Einen Moment zögerte Torm. Dann ſagte er:
„Jch will wiederkommen.‟
Die Thür ſchloß ſich hinter ihm. Langſam ſchritt
er die Straße hinauf. Beſuch? Wer war es? Gleich-
viel — ſie mußte allein ſein, wenn er ſie wiederſehen
wollte. Beſuch! Und er, der totgeglaubte, nach drei
Jahren heimkehrende, der überall geſuchte Gatte, er
ließ ſich abſchrecken durch das Wörtchen Beſuch! Das
trennte ihn von ihr, der heiß Erſehnten. Warum?
Er ſchauderte vor ſich ſelbſt.
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