Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Zweiunddreißigstes Kapitel. die ihnen die Offenbarung gaben, um die es sichhandelt -- unser individuelles Leben in Raum und Zeit, den Jnhalt unsres Daseins, den wir Natur nennen, zu gestalten zu einem Mittel, um als freie Vernunftwesen über Raum und Zeit das Reich der Jdeen zu umfassen. Und Weise sind ihnen erstanden, die gezeigt haben, wie es zu begreifen sei, daß das Leben des einzelnen abrollt wie ein Rädchen im Ge- triebe der Weltenuhr, und dennoch das Jch dessen, der es selbst lebt, das ganze Uhrwerk erst zu schaffen hat. Aber die Wenigsten haben die Weisheit verstanden. Sie haben das Gesetz, aber sie mißdeuten es und wissen es nicht anzuwenden; sie verfallen stets in Jrr- tum. Und deswegen, weil es Unwissenheit ist und nicht Mangel an Wille und an Gefühl für das Gute, deswegen glaube ich, daß wir der Menschheit helfen können. Verständiger müssen wir sie machen -- nur nicht verständiger im Sinne der Menschen, für die verständig nur bedeutet klug sein auf Kosten der an- dern." "Möge Sie dieser Glauben nicht täuschen. Jch "Das bestreite ich nicht, daß diese Mängel zur Zweiunddreißigſtes Kapitel. die ihnen die Offenbarung gaben, um die es ſichhandelt — unſer individuelles Leben in Raum und Zeit, den Jnhalt unſres Daſeins, den wir Natur nennen, zu geſtalten zu einem Mittel, um als freie Vernunftweſen über Raum und Zeit das Reich der Jdeen zu umfaſſen. Und Weiſe ſind ihnen erſtanden, die gezeigt haben, wie es zu begreifen ſei, daß das Leben des einzelnen abrollt wie ein Rädchen im Ge- triebe der Weltenuhr, und dennoch das Jch deſſen, der es ſelbſt lebt, das ganze Uhrwerk erſt zu ſchaffen hat. Aber die Wenigſten haben die Weisheit verſtanden. Sie haben das Geſetz, aber ſie mißdeuten es und wiſſen es nicht anzuwenden; ſie verfallen ſtets in Jrr- tum. Und deswegen, weil es Unwiſſenheit iſt und nicht Mangel an Wille und an Gefühl für das Gute, deswegen glaube ich, daß wir der Menſchheit helfen können. Verſtändiger müſſen wir ſie machen — nur nicht verſtändiger im Sinne der Menſchen, für die verſtändig nur bedeutet klug ſein auf Koſten der an- dern.‟ „Möge Sie dieſer Glauben nicht täuſchen. Jch „Das beſtreite ich nicht, daß dieſe Mängel zur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0098" n="90"/><fw place="top" type="header">Zweiunddreißigſtes Kapitel.</fw><lb/> die ihnen die Offenbarung gaben, um die es ſich<lb/> handelt — unſer individuelles Leben in Raum und<lb/> Zeit, den Jnhalt unſres Daſeins, den wir Natur<lb/> nennen, zu geſtalten zu einem Mittel, um als freie<lb/> Vernunftweſen über Raum und Zeit das Reich der<lb/> Jdeen zu umfaſſen. Und Weiſe ſind ihnen erſtanden,<lb/> die gezeigt haben, wie es zu begreifen ſei, daß das<lb/> Leben des einzelnen abrollt wie ein Rädchen im Ge-<lb/> triebe der Weltenuhr, und dennoch das Jch deſſen,<lb/> der es ſelbſt lebt, das ganze Uhrwerk erſt zu ſchaffen<lb/> hat. Aber die Wenigſten haben die Weisheit verſtanden.<lb/> Sie haben das Geſetz, aber ſie mißdeuten es und<lb/> wiſſen es nicht anzuwenden; ſie verfallen ſtets in Jrr-<lb/> tum. Und deswegen, weil es Unwiſſenheit iſt und<lb/> nicht Mangel an Wille und an Gefühl für das Gute,<lb/> deswegen glaube ich, daß wir der Menſchheit helfen<lb/> können. Verſtändiger müſſen wir ſie machen — nur<lb/> nicht verſtändiger im Sinne der Menſchen, für die<lb/> verſtändig nur bedeutet klug ſein auf Koſten der an-<lb/> dern.‟</p><lb/> <p>„Möge Sie dieſer Glauben nicht täuſchen. Jch<lb/> fürchte, es iſt nicht bloß der Mangel an Verſtändnis<lb/> des Zuſammenhangs der Dinge, es iſt noch mehr die<lb/> Unfähigkeit, das wirklich zu wollen, was man als gut<lb/> erkannt hat, es iſt die Schwäche des Charakters hier,<lb/> die Stärke des Egoismus dort, weshalb die Menſchen<lb/> den unvermeidlichen Kampf ums Daſein in ſo be-<lb/> dauernswerter Weiſe führen.‟</p><lb/> <p>„Das beſtreite ich nicht, daß dieſe Mängel zur<lb/> Erniedrigung der Menſchen beitragen, aber doch nur<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0098]
Zweiunddreißigſtes Kapitel.
die ihnen die Offenbarung gaben, um die es ſich
handelt — unſer individuelles Leben in Raum und
Zeit, den Jnhalt unſres Daſeins, den wir Natur
nennen, zu geſtalten zu einem Mittel, um als freie
Vernunftweſen über Raum und Zeit das Reich der
Jdeen zu umfaſſen. Und Weiſe ſind ihnen erſtanden,
die gezeigt haben, wie es zu begreifen ſei, daß das
Leben des einzelnen abrollt wie ein Rädchen im Ge-
triebe der Weltenuhr, und dennoch das Jch deſſen,
der es ſelbſt lebt, das ganze Uhrwerk erſt zu ſchaffen
hat. Aber die Wenigſten haben die Weisheit verſtanden.
Sie haben das Geſetz, aber ſie mißdeuten es und
wiſſen es nicht anzuwenden; ſie verfallen ſtets in Jrr-
tum. Und deswegen, weil es Unwiſſenheit iſt und
nicht Mangel an Wille und an Gefühl für das Gute,
deswegen glaube ich, daß wir der Menſchheit helfen
können. Verſtändiger müſſen wir ſie machen — nur
nicht verſtändiger im Sinne der Menſchen, für die
verſtändig nur bedeutet klug ſein auf Koſten der an-
dern.‟
„Möge Sie dieſer Glauben nicht täuſchen. Jch
fürchte, es iſt nicht bloß der Mangel an Verſtändnis
des Zuſammenhangs der Dinge, es iſt noch mehr die
Unfähigkeit, das wirklich zu wollen, was man als gut
erkannt hat, es iſt die Schwäche des Charakters hier,
die Stärke des Egoismus dort, weshalb die Menſchen
den unvermeidlichen Kampf ums Daſein in ſo be-
dauernswerter Weiſe führen.‟
„Das beſtreite ich nicht, daß dieſe Mängel zur
Erniedrigung der Menſchen beitragen, aber doch nur
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