Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Der Traumfabrikant. türliche Folge ist die überwiegende organische Aus-bildung des nervösen Apparats. Hatte sich die Über- reizung des Denkorgans schon früher in der gesteigerten Nervosität einzelner hervorragender Jndividuen geltend gemacht, so ergriff dieselbe jetzt die ganze Gattung. Die organische Fortbildung erforderte daher die längere Schlafruhe. So lange man aber schlummert, spart man Essen und Trinken. Folglich reduzierte sich der Nahrungsbedarf der Kulturmenschheit in demselben Ver- hältnis, in welchem ihre Schlafsucht durch Gehirn- überreizung zunahm. Das war der geniale Kunstgriff der Natur, durch welchen sie die Ernährungsfrage, den schwierigsten Teil des sozialen Problems, glücklich löste. Die Menschheit entwickelte sich in dem Sinne, daß die Nah- rungsaufnahme durch den Schlaf ersetzt wurde. Dies geschah ungeachtet des Widerspruchs der Physiologen, welche behaupteten, daß eine verminderte Ausgabe noch keine Einnahme bedeute. Sie verkannten jedoch die Natur der Gehirnarbeit. Ein Metaphysiker bewies da- gegen mit Leichtigkeit, das Endziel der Erdentwickelung bestehe darin, daß die Menschheit nach und nach der Periode ewigen Schlafes sich nähere; ist diese erreicht, so hören Geburt und Tod auf, die Gattung wird kon- stant, und die individuelle Unsterblichkeit ist gesichert; zugleich aber herrscht allgemeine Glückseligkeit, indem das sorgenfreie und verantwortungslose Traumleben an Stelle der harten und strengen Wirklichkeit tritt. Jn diesem Sinne seien die theologischen Vorstellungen vom Jenseits zu verstehen. Der Philosoph begründete seine Ansicht Der Traumfabrikant. türliche Folge iſt die überwiegende organiſche Aus-bildung des nervöſen Apparats. Hatte ſich die Über- reizung des Denkorgans ſchon früher in der geſteigerten Nervoſität einzelner hervorragender Jndividuen geltend gemacht, ſo ergriff dieſelbe jetzt die ganze Gattung. Die organiſche Fortbildung erforderte daher die längere Schlafruhe. So lange man aber ſchlummert, ſpart man Eſſen und Trinken. Folglich reduzierte ſich der Nahrungsbedarf der Kulturmenſchheit in demſelben Ver- hältnis, in welchem ihre Schlafſucht durch Gehirn- überreizung zunahm. Das war der geniale Kunſtgriff der Natur, durch welchen ſie die Ernährungsfrage, den ſchwierigſten Teil des ſozialen Problems, glücklich löſte. Die Menſchheit entwickelte ſich in dem Sinne, daß die Nah- rungsaufnahme durch den Schlaf erſetzt wurde. Dies geſchah ungeachtet des Widerſpruchs der Phyſiologen, welche behaupteten, daß eine verminderte Ausgabe noch keine Einnahme bedeute. Sie verkannten jedoch die Natur der Gehirnarbeit. Ein Metaphyſiker bewies da- gegen mit Leichtigkeit, das Endziel der Erdentwickelung beſtehe darin, daß die Menſchheit nach und nach der Periode ewigen Schlafes ſich nähere; iſt dieſe erreicht, ſo hören Geburt und Tod auf, die Gattung wird kon- ſtant, und die individuelle Unſterblichkeit iſt geſichert; zugleich aber herrſcht allgemeine Glückſeligkeit, indem das ſorgenfreie und verantwortungsloſe Traumleben an Stelle der harten und ſtrengen Wirklichkeit tritt. Jn dieſem Sinne ſeien die theologiſchen Vorſtellungen vom Jenſeits zu verſtehen. Der Philoſoph begründete ſeine Anſicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0146" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Traumfabrikant.</hi></fw><lb/> türliche Folge iſt die überwiegende organiſche Aus-<lb/> bildung des nervöſen Apparats. 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Der Traumfabrikant.
türliche Folge iſt die überwiegende organiſche Aus-
bildung des nervöſen Apparats. Hatte ſich die Über-
reizung des Denkorgans ſchon früher in der geſteigerten
Nervoſität einzelner hervorragender Jndividuen geltend
gemacht, ſo ergriff dieſelbe jetzt die ganze Gattung.
Die organiſche Fortbildung erforderte daher die längere
Schlafruhe. So lange man aber ſchlummert, ſpart
man Eſſen und Trinken. Folglich reduzierte ſich der
Nahrungsbedarf der Kulturmenſchheit in demſelben Ver-
hältnis, in welchem ihre Schlafſucht durch Gehirn-
überreizung zunahm. Das war der geniale Kunſtgriff
der Natur, durch welchen ſie die Ernährungsfrage, den
ſchwierigſten Teil des ſozialen Problems, glücklich löſte. Die
Menſchheit entwickelte ſich in dem Sinne, daß die Nah-
rungsaufnahme durch den Schlaf erſetzt wurde. Dies
geſchah ungeachtet des Widerſpruchs der Phyſiologen,
welche behaupteten, daß eine verminderte Ausgabe noch
keine Einnahme bedeute. Sie verkannten jedoch die
Natur der Gehirnarbeit. Ein Metaphyſiker bewies da-
gegen mit Leichtigkeit, das Endziel der Erdentwickelung
beſtehe darin, daß die Menſchheit nach und nach der
Periode ewigen Schlafes ſich nähere; iſt dieſe erreicht,
ſo hören Geburt und Tod auf, die Gattung wird kon-
ſtant, und die individuelle Unſterblichkeit iſt geſichert;
zugleich aber herrſcht allgemeine Glückſeligkeit, indem das
ſorgenfreie und verantwortungsloſe Traumleben an Stelle
der harten und ſtrengen Wirklichkeit tritt. Jn dieſem
Sinne ſeien die theologiſchen Vorſtellungen vom Jenſeits
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