Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Traumfabrikant.

Kaum hatte sich Amalie jetzt von der Festigkeit des
väterlichen Schlafes überzeugt, als sie den Sprechanschluß
an die Forbachsche Traumanstalt bewirkte. Zärtliche
Worte und elektrisch treu vermittelte Küsse feierten den
ungestörten Verkehr der Liebenden, bis ihre Sorgen sich
in Klagen Luft machten. Endlich erklärte Forbach ent-
schieden, er würde morgen den Versuch wagen, mit
Amaliens Vater zu sprechen, möge der Erfolg sein, wie
er wolle. Wenn es nur ein Mittel gäbe, den Vater
in eine günstige Stimmung zu versetzen! Vielleicht durch
einen Traum? Daran hatte Amalie natürlich schon
öfter gedacht; aber wie sollte sie den Vater bewegen, sich
Forbachs Behandlung zu unterziehen, da er ein entschie-
dener Gegner der privaten Traumfabrikation war? Eben
wollte sie über diese Frage mit dem Geliebten weitere
Rücksprache nehmen, als derselbe sich durch Geschäfte
gezwungen sah, die Unterredung auf einige Zeit zu
unterbrechen. Einer seiner Kunden hatte sich darüber
beschwert, daß er immer von seiner Schwiegermutter
träume; dem solle man abhelfen.

Der Schlaf hatte die materielle Seite des sozialen
Problems gelöst, der Traum sollte die Gemütsfragen
in Ordnung bringen. Während des Schlafes denkt der
Mensch nicht, d. h. er denkt nicht in der Art, wie es
im Wachen geschieht oder geschehen soll, unter strengster
Observanz der Sätze von der Jdentität, vom Wider-
spruch und vom zureichenden Grunde. Jm Schlafe wird
nur getränmt, nicht geprüft und gefolgert. Es kommt
uns im Traume garnicht darauf an, uns plötzlich in

Der Traumfabrikant.

Kaum hatte ſich Amalie jetzt von der Feſtigkeit des
väterlichen Schlafes überzeugt, als ſie den Sprechanſchluß
an die Forbachſche Traumanſtalt bewirkte. Zärtliche
Worte und elektriſch treu vermittelte Küſſe feierten den
ungeſtörten Verkehr der Liebenden, bis ihre Sorgen ſich
in Klagen Luft machten. Endlich erklärte Forbach ent-
ſchieden, er würde morgen den Verſuch wagen, mit
Amaliens Vater zu ſprechen, möge der Erfolg ſein, wie
er wolle. Wenn es nur ein Mittel gäbe, den Vater
in eine günſtige Stimmung zu verſetzen! Vielleicht durch
einen Traum? Daran hatte Amalie natürlich ſchon
öfter gedacht; aber wie ſollte ſie den Vater bewegen, ſich
Forbachs Behandlung zu unterziehen, da er ein entſchie-
dener Gegner der privaten Traumfabrikation war? Eben
wollte ſie über dieſe Frage mit dem Geliebten weitere
Rückſprache nehmen, als derſelbe ſich durch Geſchäfte
gezwungen ſah, die Unterredung auf einige Zeit zu
unterbrechen. Einer ſeiner Kunden hatte ſich darüber
beſchwert, daß er immer von ſeiner Schwiegermutter
träume; dem ſolle man abhelfen.

Der Schlaf hatte die materielle Seite des ſozialen
Problems gelöſt, der Traum ſollte die Gemütsfragen
in Ordnung bringen. Während des Schlafes denkt der
Menſch nicht, d. h. er denkt nicht in der Art, wie es
im Wachen geſchieht oder geſchehen ſoll, unter ſtrengſter
Obſervanz der Sätze von der Jdentität, vom Wider-
ſpruch und vom zureichenden Grunde. Jm Schlafe wird
nur getränmt, nicht geprüft und gefolgert. Es kommt
uns im Traume garnicht darauf an, uns plötzlich in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0150" n="144"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Traumfabrikant.</hi> </fw><lb/>
        <p>Kaum hatte &#x017F;ich Amalie jetzt von der Fe&#x017F;tigkeit des<lb/>
väterlichen Schlafes überzeugt, als &#x017F;ie den Sprechan&#x017F;chluß<lb/>
an die Forbach&#x017F;che Trauman&#x017F;talt bewirkte. Zärtliche<lb/>
Worte und elektri&#x017F;ch treu vermittelte Kü&#x017F;&#x017F;e feierten den<lb/>
unge&#x017F;törten Verkehr der Liebenden, bis ihre Sorgen &#x017F;ich<lb/>
in Klagen Luft machten. Endlich erklärte Forbach ent-<lb/>
&#x017F;chieden, er würde morgen den Ver&#x017F;uch wagen, mit<lb/>
Amaliens Vater zu &#x017F;prechen, möge der Erfolg &#x017F;ein, wie<lb/>
er wolle. Wenn es nur ein Mittel gäbe, den Vater<lb/>
in eine gün&#x017F;tige Stimmung zu ver&#x017F;etzen! Vielleicht durch<lb/>
einen Traum? Daran hatte Amalie natürlich &#x017F;chon<lb/>
öfter gedacht; aber wie &#x017F;ollte &#x017F;ie den Vater bewegen, &#x017F;ich<lb/>
Forbachs Behandlung zu unterziehen, da er ein ent&#x017F;chie-<lb/>
dener Gegner der privaten Traumfabrikation war? Eben<lb/>
wollte &#x017F;ie über die&#x017F;e Frage mit dem Geliebten weitere<lb/>
Rück&#x017F;prache nehmen, als der&#x017F;elbe &#x017F;ich durch Ge&#x017F;chäfte<lb/>
gezwungen &#x017F;ah, die Unterredung auf einige Zeit zu<lb/>
unterbrechen. Einer &#x017F;einer Kunden hatte &#x017F;ich darüber<lb/>
be&#x017F;chwert, daß er immer von &#x017F;einer Schwiegermutter<lb/>
träume; dem &#x017F;olle man abhelfen.</p><lb/>
        <p>Der Schlaf hatte die materielle Seite des &#x017F;ozialen<lb/>
Problems gelö&#x017F;t, der Traum &#x017F;ollte die Gemütsfragen<lb/>
in Ordnung bringen. Während des Schlafes denkt der<lb/>
Men&#x017F;ch nicht, d. h. er denkt nicht in der Art, wie es<lb/>
im Wachen ge&#x017F;chieht oder ge&#x017F;chehen &#x017F;oll, unter &#x017F;treng&#x017F;ter<lb/>
Ob&#x017F;ervanz der Sätze von der Jdentität, vom Wider-<lb/>
&#x017F;pruch und vom zureichenden Grunde. Jm Schlafe wird<lb/>
nur getränmt, nicht geprüft und gefolgert. Es kommt<lb/>
uns im Traume garnicht darauf an, uns plötzlich in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0150] Der Traumfabrikant. Kaum hatte ſich Amalie jetzt von der Feſtigkeit des väterlichen Schlafes überzeugt, als ſie den Sprechanſchluß an die Forbachſche Traumanſtalt bewirkte. Zärtliche Worte und elektriſch treu vermittelte Küſſe feierten den ungeſtörten Verkehr der Liebenden, bis ihre Sorgen ſich in Klagen Luft machten. Endlich erklärte Forbach ent- ſchieden, er würde morgen den Verſuch wagen, mit Amaliens Vater zu ſprechen, möge der Erfolg ſein, wie er wolle. Wenn es nur ein Mittel gäbe, den Vater in eine günſtige Stimmung zu verſetzen! Vielleicht durch einen Traum? Daran hatte Amalie natürlich ſchon öfter gedacht; aber wie ſollte ſie den Vater bewegen, ſich Forbachs Behandlung zu unterziehen, da er ein entſchie- dener Gegner der privaten Traumfabrikation war? Eben wollte ſie über dieſe Frage mit dem Geliebten weitere Rückſprache nehmen, als derſelbe ſich durch Geſchäfte gezwungen ſah, die Unterredung auf einige Zeit zu unterbrechen. Einer ſeiner Kunden hatte ſich darüber beſchwert, daß er immer von ſeiner Schwiegermutter träume; dem ſolle man abhelfen. Der Schlaf hatte die materielle Seite des ſozialen Problems gelöſt, der Traum ſollte die Gemütsfragen in Ordnung bringen. Während des Schlafes denkt der Menſch nicht, d. h. er denkt nicht in der Art, wie es im Wachen geſchieht oder geſchehen ſoll, unter ſtrengſter Obſervanz der Sätze von der Jdentität, vom Wider- ſpruch und vom zureichenden Grunde. Jm Schlafe wird nur getränmt, nicht geprüft und gefolgert. Es kommt uns im Traume garnicht darauf an, uns plötzlich in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/150
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/150>, abgerufen am 04.12.2024.