Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Tröpfchen.
durch dunkle Röhren, und dann floß ich aus einem
goldenen Hahne heraus. Dort waren viele hundert
Flaschen, wie die, in der Du mich siehst, und ein Mensch
ließ sie alle voll Wasser laufen, und in jede that er
noch einen kleinen Tropfen aus einer andern Flasche,
daß wir alle wunderschön rochen. Da waren wir Schön-
heitswasser geworden, und die Menschen kamen und
kauften uns für fünf Mark die Flasche. Eine Dame
nahm mich mit vier andern Flaschen zusammen, da war
es etwas billiger. Und jeden Morgen that sie etwas
in ihr Waschwasser. Da wurde sie immer schöner."

"Und wie kamst Du denn hierher?"

"Eines Abends war die Dame sehr ungehalten und
warf die Blumen aus ihrem Haar in eine Ecke. Dann
trat sie vor den Spiegel, sah sich lange darin an, und
endlich rief sie:

"Sie ist doch nicht schöner, die blonde Gans!
Und sie hat auch Sommersprossen! Aber das Wasser
taugt nichts!"

Den andern Tag schickte sie mich hierher, und nun
werde ich wohl noch etwas Vornehmeres werden."

"Kann man das?" fragte Tröpfchen. "Was kann man
denn noch werden, vielleicht eine Welt, wie die Spinne?"

"Herzblut!" sagte eine Stimme auf dem Tische.
Tröpfchen sah sich um, da lag ein Glasstreifen mit
Papier beklebt. "Jch war auch einmal ein Wassertropfen,
und jetzt bin ich Herzblut, aber getrocknetes. Denn ich bin
auf Bacillen untersucht."

"Herzblut kenne ich auch," rief ein alter Feuerstein-

Tröpfchen.
durch dunkle Röhren, und dann floß ich aus einem
goldenen Hahne heraus. Dort waren viele hundert
Flaſchen, wie die, in der Du mich ſiehſt, und ein Menſch
ließ ſie alle voll Waſſer laufen, und in jede that er
noch einen kleinen Tropfen aus einer andern Flaſche,
daß wir alle wunderſchön rochen. Da waren wir Schön-
heitswaſſer geworden, und die Menſchen kamen und
kauften uns für fünf Mark die Flaſche. Eine Dame
nahm mich mit vier andern Flaſchen zuſammen, da war
es etwas billiger. Und jeden Morgen that ſie etwas
in ihr Waſchwaſſer. Da wurde ſie immer ſchöner.“

„Und wie kamſt Du denn hierher?“

„Eines Abends war die Dame ſehr ungehalten und
warf die Blumen aus ihrem Haar in eine Ecke. Dann
trat ſie vor den Spiegel, ſah ſich lange darin an, und
endlich rief ſie:

„Sie iſt doch nicht ſchöner, die blonde Gans!
Und ſie hat auch Sommerſproſſen! Aber das Waſſer
taugt nichts!“

Den andern Tag ſchickte ſie mich hierher, und nun
werde ich wohl noch etwas Vornehmeres werden.“

„Kann man das?“ fragte Tröpfchen. „Was kann man
denn noch werden, vielleicht eine Welt, wie die Spinne?“

Herzblut!“ ſagte eine Stimme auf dem Tiſche.
Tröpfchen ſah ſich um, da lag ein Glasſtreifen mit
Papier beklebt. „Jch war auch einmal ein Waſſertropfen,
und jetzt bin ich Herzblut, aber getrocknetes. Denn ich bin
auf Bacillen unterſucht.“

„Herzblut kenne ich auch,“ rief ein alter Feuerſtein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0237" n="231"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tröpfchen.</hi></fw><lb/>
durch dunkle Röhren, und dann floß ich aus einem<lb/>
goldenen Hahne heraus. Dort waren viele hundert<lb/>
Fla&#x017F;chen, wie die, in der Du mich &#x017F;ieh&#x017F;t, und ein Men&#x017F;ch<lb/>
ließ &#x017F;ie alle voll Wa&#x017F;&#x017F;er laufen, und in jede that er<lb/>
noch einen kleinen Tropfen aus einer andern Fla&#x017F;che,<lb/>
daß wir alle wunder&#x017F;chön rochen. Da waren wir Schön-<lb/>
heitswa&#x017F;&#x017F;er geworden, und die Men&#x017F;chen kamen und<lb/>
kauften uns für fünf Mark die Fla&#x017F;che. Eine Dame<lb/>
nahm mich mit vier andern Fla&#x017F;chen zu&#x017F;ammen, da war<lb/>
es etwas billiger. Und jeden Morgen that &#x017F;ie etwas<lb/>
in ihr Wa&#x017F;chwa&#x017F;&#x017F;er. Da wurde &#x017F;ie immer &#x017F;chöner.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wie kam&#x017F;t Du denn hierher?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eines Abends war die Dame &#x017F;ehr ungehalten und<lb/>
warf die Blumen aus ihrem Haar in eine Ecke. Dann<lb/>
trat &#x017F;ie vor den Spiegel, &#x017F;ah &#x017F;ich lange darin an, und<lb/>
endlich rief &#x017F;ie:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie i&#x017F;t doch nicht &#x017F;chöner, die blonde Gans!<lb/>
Und &#x017F;ie hat auch Sommer&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en! Aber das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
taugt nichts!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Den andern Tag &#x017F;chickte &#x017F;ie mich hierher, und nun<lb/>
werde ich wohl noch etwas Vornehmeres werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kann man das?&#x201C; fragte Tröpfchen. &#x201E;Was kann man<lb/>
denn noch werden, vielleicht eine Welt, wie die Spinne?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Herzblut!</hi>&#x201C; &#x017F;agte eine Stimme auf dem Ti&#x017F;che.<lb/>
Tröpfchen &#x017F;ah &#x017F;ich um, da lag ein Glas&#x017F;treifen mit<lb/>
Papier beklebt. &#x201E;Jch war auch einmal ein Wa&#x017F;&#x017F;ertropfen,<lb/>
und jetzt bin ich Herzblut, aber getrocknetes. Denn ich bin<lb/>
auf Bacillen unter&#x017F;ucht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herzblut kenne ich auch,&#x201C; rief ein alter Feuer&#x017F;tein-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0237] Tröpfchen. durch dunkle Röhren, und dann floß ich aus einem goldenen Hahne heraus. Dort waren viele hundert Flaſchen, wie die, in der Du mich ſiehſt, und ein Menſch ließ ſie alle voll Waſſer laufen, und in jede that er noch einen kleinen Tropfen aus einer andern Flaſche, daß wir alle wunderſchön rochen. Da waren wir Schön- heitswaſſer geworden, und die Menſchen kamen und kauften uns für fünf Mark die Flaſche. Eine Dame nahm mich mit vier andern Flaſchen zuſammen, da war es etwas billiger. Und jeden Morgen that ſie etwas in ihr Waſchwaſſer. Da wurde ſie immer ſchöner.“ „Und wie kamſt Du denn hierher?“ „Eines Abends war die Dame ſehr ungehalten und warf die Blumen aus ihrem Haar in eine Ecke. Dann trat ſie vor den Spiegel, ſah ſich lange darin an, und endlich rief ſie: „Sie iſt doch nicht ſchöner, die blonde Gans! Und ſie hat auch Sommerſproſſen! Aber das Waſſer taugt nichts!“ Den andern Tag ſchickte ſie mich hierher, und nun werde ich wohl noch etwas Vornehmeres werden.“ „Kann man das?“ fragte Tröpfchen. „Was kann man denn noch werden, vielleicht eine Welt, wie die Spinne?“ „Herzblut!“ ſagte eine Stimme auf dem Tiſche. Tröpfchen ſah ſich um, da lag ein Glasſtreifen mit Papier beklebt. „Jch war auch einmal ein Waſſertropfen, und jetzt bin ich Herzblut, aber getrocknetes. Denn ich bin auf Bacillen unterſucht.“ „Herzblut kenne ich auch,“ rief ein alter Feuerſtein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/237
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/237>, abgerufen am 19.05.2024.