Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Auf der Seifenblase. "Ja," rief ich mutig, ohne auf Onkel Wendels "Unerhört! Blasphemie! Wahnsinn!" schallte es "Der Wahrheit die Ehre!" schrie ich. "Beide Par- "Nieder mit Glagli! Nieder mit dem "Menschen"! Sengende Glut strömte mir entgegen. Vergebens Auf der Seifenblaſe. „Ja,“ rief ich mutig, ohne auf Onkel Wendels „Unerhört! Blasphemie! Wahnſinn!“ ſchallte es „Der Wahrheit die Ehre!“ ſchrie ich. „Beide Par- „Nieder mit Glagli! Nieder mit dem „Menſchen“! Sengende Glut ſtrömte mir entgegen. Vergebens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0027" n="21"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Auf der Seifenblaſe.</hi> </fw><lb/> <p>„Ja,“ rief ich mutig, ohne auf Onkel Wendels<lb/> Zerren und Zupfen zu achten, „ja, Jhre Welt iſt weiter<lb/> nichts als eine Seifenblaſe, die der Mund meines kleinen<lb/> Söhnchens mittelſt eines Strohhalms geblaſen hat und<lb/> die der Finger eines Kindes im nächſten Augenblicke<lb/> zerdrücken kann. Freilich iſt, gegen dieſe Welt gehalten,<lb/> mein Kind ein Rieſe —“</p><lb/> <p>„Unerhört! Blasphemie! Wahnſinn!“ ſchallte es<lb/> durcheinander, und Tintenfäſſer flogen um meinen Kopf.<lb/> „Er iſt verrückt! Die Welt ſoll eine Seifenblaſe ſein?<lb/> Sein Sohn ſoll ſie geblaſen haben! Er giebt ſich als<lb/> Vater des Weltſchöpfers aus! Steinigt ihn! Siedet ihn!“</p><lb/> <p>„Der Wahrheit die Ehre!“ ſchrie ich. „Beide Par-<lb/> teien haben Unrecht. Die Welt hat mein Sohn nicht<lb/> geſchaffen, er hat nur dieſe Kugel geblaſen, innerhalb<lb/> der Welt, nach den Geſetzen, die uns Allen übergeordnet<lb/> ſind. Er weiß nichts von Euch, und Jhr könnt nichts<lb/> wiſſen von unſerer Welt. Jch bin ein Menſch, ich bin<lb/> hundertmillionenmal ſo groß und zehnbillionenmal ſo<lb/> alt als Jhr! Laßt Glagli los! Was ſtreitet Jhr um<lb/> Dinge, die Jhr nicht entſcheiden könnt?“</p><lb/> <p>„Nieder mit Glagli! Nieder mit dem „Menſchen“!<lb/> Wir werden ja ſehen, ob Du die Welt mit dem kleinen<lb/> Finger zerdrücken kannſt! Ruf’ doch Dein Söhnchen!“<lb/> So raſte es um mich her, während man Glagli und<lb/> mich nach dem Bottich mit ſiedendem Glycerin hinzerrte.</p><lb/> <p>Sengende Glut ſtrömte mir entgegen. Vergebens<lb/> ſetzte ich mich zur Wehr. „Hinein mit ihm!“ ſchrie die<lb/> Menge. „Wir werden ja ſehen, wer zuerſt platzt!“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0027]
Auf der Seifenblaſe.
„Ja,“ rief ich mutig, ohne auf Onkel Wendels
Zerren und Zupfen zu achten, „ja, Jhre Welt iſt weiter
nichts als eine Seifenblaſe, die der Mund meines kleinen
Söhnchens mittelſt eines Strohhalms geblaſen hat und
die der Finger eines Kindes im nächſten Augenblicke
zerdrücken kann. Freilich iſt, gegen dieſe Welt gehalten,
mein Kind ein Rieſe —“
„Unerhört! Blasphemie! Wahnſinn!“ ſchallte es
durcheinander, und Tintenfäſſer flogen um meinen Kopf.
„Er iſt verrückt! Die Welt ſoll eine Seifenblaſe ſein?
Sein Sohn ſoll ſie geblaſen haben! Er giebt ſich als
Vater des Weltſchöpfers aus! Steinigt ihn! Siedet ihn!“
„Der Wahrheit die Ehre!“ ſchrie ich. „Beide Par-
teien haben Unrecht. Die Welt hat mein Sohn nicht
geſchaffen, er hat nur dieſe Kugel geblaſen, innerhalb
der Welt, nach den Geſetzen, die uns Allen übergeordnet
ſind. Er weiß nichts von Euch, und Jhr könnt nichts
wiſſen von unſerer Welt. Jch bin ein Menſch, ich bin
hundertmillionenmal ſo groß und zehnbillionenmal ſo
alt als Jhr! Laßt Glagli los! Was ſtreitet Jhr um
Dinge, die Jhr nicht entſcheiden könnt?“
„Nieder mit Glagli! Nieder mit dem „Menſchen“!
Wir werden ja ſehen, ob Du die Welt mit dem kleinen
Finger zerdrücken kannſt! Ruf’ doch Dein Söhnchen!“
So raſte es um mich her, während man Glagli und
mich nach dem Bottich mit ſiedendem Glycerin hinzerrte.
Sengende Glut ſtrömte mir entgegen. Vergebens
ſetzte ich mich zur Wehr. „Hinein mit ihm!“ ſchrie die
Menge. „Wir werden ja ſehen, wer zuerſt platzt!“
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