Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Prolog. Wollt ihr die Zeit gewissenhaft verwenden, Studiert zuvor ein Lehrbuch der Chemie; Denn Seifenblasen kann man erst entsenden, Wenn Fett gebunden sich an Alkali. Und weil sich Kunst wird anders nie vollenden Als durch Natur und wahre Empirie, So übt nur brav die Seifensiederei -- Dann will ich lehren, was das Schöne sei. Jhr denkt vielleicht, schön sei der lichte Thau Jm Morgenschein am grünen Bergeshange? Schön sei das Auge der geliebten Frau, Die sanfte Glut, gehaucht auf ihre Wange? Verzeiht! Was schön ist, wissen wir genau Und wir behaupten's mit der Wahrheit Zwange: Schön ist, was von Jnteresse frei sich hält, Nicht als Begriff, doch allgemein gefällt. Und durftet ihr so leicht, was schön ist, lernen, (Jch hoffe doch, daß jeder es kapiert,) Gebt acht, ob wir auch nirgend uns entfernen Von der Erklärung, die wir acceptiert. Der gilt uns wenig unter den Modernen, Der nicht als Künstler theoretisiert Und schnell für sein ästhetisches Jnteresse Sich ein Organ begründet in der Presse. Nun denn -- Wer zweifelte, daß Seifenwasser Das Wohlgefallen allgemein erregt? Brummt dort vielleicht ein dunkler Menschenhasser, Wenn man das Haus durchscheuert, kehrt und fegt? Mit Unrecht schilt der zürnende Verfasser, Wird ihm dabei ein Manuskript verlegt, -- Denn hin und wieder eingeseift zu werden Jst schließlich doch der Dinge Los auf Erden. Prolog. Wollt ihr die Zeit gewiſſenhaft verwenden, Studiert zuvor ein Lehrbuch der Chemie; Denn Seifenblaſen kann man erſt entſenden, Wenn Fett gebunden ſich an Alkali. Und weil ſich Kunſt wird anders nie vollenden Als durch Natur und wahre Empirie, So übt nur brav die Seifenſiederei — Dann will ich lehren, was das Schöne ſei. Jhr denkt vielleicht, ſchön ſei der lichte Thau Jm Morgenſchein am grünen Bergeshange? Schön ſei das Auge der geliebten Frau, Die ſanfte Glut, gehaucht auf ihre Wange? Verzeiht! Was ſchön iſt, wiſſen wir genau Und wir behaupten’s mit der Wahrheit Zwange: Schön iſt, was von Jntereſſe frei ſich hält, Nicht als Begriff, doch allgemein gefällt. Und durftet ihr ſo leicht, was ſchön iſt, lernen, (Jch hoffe doch, daß jeder es kapiert,) Gebt acht, ob wir auch nirgend uns entfernen Von der Erklärung, die wir acceptiert. Der gilt uns wenig unter den Modernen, Der nicht als Künſtler theoretiſiert Und ſchnell für ſein äſthetiſches Jntereſſe Sich ein Organ begründet in der Preſſe. Nun denn — Wer zweifelte, daß Seifenwaſſer Das Wohlgefallen allgemein erregt? Brummt dort vielleicht ein dunkler Menſchenhaſſer, Wenn man das Haus durchſcheuert, kehrt und fegt? Mit Unrecht ſchilt der zürnende Verfaſſer, Wird ihm dabei ein Manuſkript verlegt, — Denn hin und wieder eingeſeift zu werden Jſt ſchließlich doch der Dinge Los auf Erden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0008" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Prolog.</hi> </fw><lb/> <lg n="4"> <l>Wollt ihr die Zeit gewiſſenhaft verwenden,</l><lb/> <l>Studiert zuvor ein Lehrbuch der Chemie;</l><lb/> <l>Denn Seifenblaſen kann man erſt entſenden,</l><lb/> <l>Wenn Fett gebunden ſich an Alkali.</l><lb/> <l>Und weil ſich Kunſt wird anders nie vollenden</l><lb/> <l>Als durch Natur und wahre Empirie,</l><lb/> <l>So übt nur brav die Seifenſiederei —</l><lb/> <l>Dann will ich lehren, was das Schöne ſei.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Jhr denkt vielleicht, ſchön ſei der lichte Thau</l><lb/> <l>Jm Morgenſchein am grünen Bergeshange?</l><lb/> <l>Schön ſei das Auge der geliebten Frau,</l><lb/> <l>Die ſanfte Glut, gehaucht auf ihre Wange?</l><lb/> <l>Verzeiht! Was ſchön iſt, wiſſen wir genau</l><lb/> <l>Und wir behaupten’s mit der Wahrheit Zwange:</l><lb/> <l>Schön iſt, was von Jntereſſe frei ſich hält,</l><lb/> <l>Nicht als Begriff, doch allgemein gefällt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und durftet ihr ſo leicht, was ſchön iſt, lernen,</l><lb/> <l>(Jch hoffe doch, daß jeder es kapiert,)</l><lb/> <l>Gebt acht, ob wir auch nirgend uns entfernen</l><lb/> <l>Von der Erklärung, die wir acceptiert.</l><lb/> <l>Der gilt uns wenig unter den Modernen,</l><lb/> <l>Der nicht als Künſtler theoretiſiert</l><lb/> <l>Und ſchnell für ſein äſthetiſches Jntereſſe</l><lb/> <l>Sich ein Organ begründet in der Preſſe.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Nun denn — Wer zweifelte, daß Seifenwaſſer</l><lb/> <l>Das Wohlgefallen allgemein erregt?</l><lb/> <l>Brummt dort vielleicht ein dunkler Menſchenhaſſer,</l><lb/> <l>Wenn man das Haus durchſcheuert, kehrt und fegt?</l><lb/> <l>Mit Unrecht ſchilt der zürnende Verfaſſer,</l><lb/> <l>Wird ihm dabei ein Manuſkript verlegt, —</l><lb/> <l>Denn hin und wieder eingeſeift zu werden</l><lb/> <l>Jſt ſchließlich doch der Dinge Los auf Erden.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [2/0008]
Prolog.
Wollt ihr die Zeit gewiſſenhaft verwenden,
Studiert zuvor ein Lehrbuch der Chemie;
Denn Seifenblaſen kann man erſt entſenden,
Wenn Fett gebunden ſich an Alkali.
Und weil ſich Kunſt wird anders nie vollenden
Als durch Natur und wahre Empirie,
So übt nur brav die Seifenſiederei —
Dann will ich lehren, was das Schöne ſei.
Jhr denkt vielleicht, ſchön ſei der lichte Thau
Jm Morgenſchein am grünen Bergeshange?
Schön ſei das Auge der geliebten Frau,
Die ſanfte Glut, gehaucht auf ihre Wange?
Verzeiht! Was ſchön iſt, wiſſen wir genau
Und wir behaupten’s mit der Wahrheit Zwange:
Schön iſt, was von Jntereſſe frei ſich hält,
Nicht als Begriff, doch allgemein gefällt.
Und durftet ihr ſo leicht, was ſchön iſt, lernen,
(Jch hoffe doch, daß jeder es kapiert,)
Gebt acht, ob wir auch nirgend uns entfernen
Von der Erklärung, die wir acceptiert.
Der gilt uns wenig unter den Modernen,
Der nicht als Künſtler theoretiſiert
Und ſchnell für ſein äſthetiſches Jntereſſe
Sich ein Organ begründet in der Preſſe.
Nun denn — Wer zweifelte, daß Seifenwaſſer
Das Wohlgefallen allgemein erregt?
Brummt dort vielleicht ein dunkler Menſchenhaſſer,
Wenn man das Haus durchſcheuert, kehrt und fegt?
Mit Unrecht ſchilt der zürnende Verfaſſer,
Wird ihm dabei ein Manuſkript verlegt, —
Denn hin und wieder eingeſeift zu werden
Jſt ſchließlich doch der Dinge Los auf Erden.
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